Foto: ARDDie Premiere von Bruce Darnells neuer Show gestern Abend verlief exakt so, wie man es vorher schon befürchten konnte: Belanglos. Vielleicht sogar noch belangloser als erwartet. Dass dennoch bereits dutzende Kritiken zur Sendung geschrieben wurden, ist mehr der Tatsache geschuldet, dass "Bruce" mal wieder der Versuch eines öffentlich-rechtlichen Senders ist, das junge Publikum zu begeistern. Skandalös wird es, wenn man sich vor Augen führt, dass die ARD dies explizit am Vorabend tut, um mehr Werbung verkaufen zu können. Hier handelt ein öffentlich-rechtlicher Sender wie ein Privatunternehmen - und schert sich weder um Sendeauftrag noch um die Gebührengelder, die seit gestern Abend in neue Outfits und MakeUp für Bruce Darnells Opfer investiert werden.

Sein erstes Opfer ist die smarte und gutaussehende Studentin Christina, die ihre Oberweite für ein Problem hält. Bruce Darnell soll helfen. Schon im Vorfeld hatte Darnell immer betont, dass es um "mehr als Styling" gehen soll in seiner neuen Show. Wenn also keine Brust-OP, was dann? In dem Geschäft, in dem Christina arbeitet, lauert Darnell ihr auf. "Heute will ich nur Dich haben", sagt er und nimmt sie mit. "Bruce will genau erfahren, wo der Schuh drückt", sagt der Sprecher aus dem Off. Er scheint nötig, weil oft nicht verständlich ist, was Darnell sagt oder meint. Nicht immer aber machen seine Kommentare mehr Sinn.

Auf der heimischen Couch analyisert Darnell dann in wenigen Sekunden das Problem: Es geht um die Oberweite der armen Christina. Ihr kommen bei dem Thema die Tränen und Darnell? Er wischt sie weg und nimmt Christina in den Arm. Man gewinnt den Eindruck, die Produzenten der Sendung halten dies schon für einen ersten Schritt der Therapie. "Christina, where is your heart?", fragt Darnell und erklärt: "Das ist der entscheidende Punkt: Was Du für ein Mensch bist. Das Aussehen, das kommt und das geht. Und Fakt ist, Du bist wunderschön."

Schnitt. Abspann. Ende. Der Fall ist gelöst. Doch obwohl Darnell ihr Schönheit bescheinigt und ironischerweise vorher sogar noch betont, dass es darauf nicht einmal ankomme, geht die Quälerei weiter. Für die Zuschauer und für Christina. Darnell stopft ihr ein Kissen unter den Pullover und fragt: "Willst Du mal so aussehen?" Nein, ganz bestimmt nicht, was auch daran liegt, dass es weniger nach mehr Oberweite als Übergewicht aussieht.

Darnell gibt Christina eine Aufgabe: Sie soll in Zeitschriften nach Models suchen, die so aussehen, wie sie sich selbst sieht. Das erklärt sicherheitshalber noch einmal der Sprecher aus dem Off, für diejenigen, die Darnell nicht verstanden haben. Man fühlt sich wie in einem der neuerdings auch unerträglich langen "Punkt 12"-Beiträge. Wieder wird geküsst und geknuddelt. Christinas Mutter versichert Darnell noch schnell: "Ab heute Du brauchst Dir keine Gedanken mehr machen was Christina betrifft." Was wäre sie für eine Mutter, würde sie dies ernstnehmen. Wenn Bruce Darnell in diesem Zusammenhang sagt "Das ist eine Versprechung von mir", dann ist das in zweierlei Hinsicht ein Brüller-Gag: Mit dem Versprechen hat es Darnell in der Tat - nur wahrscheinlich anders als er denkt, was schon allein dieser Satz wieder zeigt.

Die Szenerie wechselt. Darnell ist in seinem Loft, zusammen mit seinen Assistentinnen Anna und Katja. Denen schildert er das Problem kurz und knapp: "Das Mädchen braucht einfach mehr Spaß im Leben." Und Christina? Die soll gleich erleben, was er damit meint: Deswegen springt Darnell plötzlich auf den Tisch, tanzt mit ihr und lässt Sie Zeitschriften auf den Boden werfen. Der Sinn dabei? Den muss wieder einmal der Sprecher aus dem Off erklären: "Christina macht mit, verliert ihre Hemmungen und für einen Moment auch ihre Schüchternheit."

"Ihr Spaß an der Aktion ist der erste Schritt in die richtige Richtung", ergänzt der Sprecher und bringt den Zuschauer ins Grübeln. Eine sehr gut aussehende Frau mit unnötigen Sorgen um ihre Oberweite muss man also nur Zeitschriften auf den Boden werfen lassen und vor ihr auf den Tischen tanzen? Das ist wahrlich eigenwillige Hilfe a la Bruce Darnell. Es wäre nicht so tragisch, wäre er nicht ein Hoffnungsträger der gebührenfinanzierten ARD. Als ein Beitrag von vielen in Magazinen wie "Punkt 12" wäre Darnells Unsinn nicht einmal eine Schlagzeile wert. Es würde sich versenden. Aber so ist es tragisch.
 


Oder komisch: Mit der rechten Hand versucht Darnell im Gespräch mit Christina zu gestikulieren, wie Christinas Woche aussieht und schafft einen der wenigen (unfreiwilligen) Gags der ersten Sendung: "Dein Leben ist so: Das ist Montag, Dienstag und Mittwoch und Donnerstag und Freitag. Und da kam gar nix dazwischen." Während Darnell dabei die Tränen kommen, kann sich Christina sympathischerweise selbst kaum ein Lachen verkneifen. Davon lässt sich Darnell aber nicht beeindrucken und bleibt beim dramatischen Tonfall: "Du bist 22, Du musst etwas mit Deinem Leben tun."

Foto: ARDIn einem Aufsager in die Kamera zieht Christina ein erstes Fazit, das ihr hoffentlich jemand diktiert hat. Andernfalls wäre sie nicht so smart wie man vermutet hätte. Sie sagt, dass sie sich ändern will. Künftig einfach mal spontan rausgehen oder lachen und ihre Ideen und Gedanken frei rauslassen. Ahja. Das war vorher nicht möglich? Aus dem absurden Oberweitenproblem wurde in wenigen Minuten ein noch absurderes Problem des mangelnden Selbstbewusstseins, was gleichzeitig allein durch auf Tischen tanzen und Zeitschriften auf den Boden schmeissen, gelöst sein soll?

Normalerweise würde man sich an dieser Stelle fragen, ob die Macher ihr Publikum für dumm verkaufen wollen. Doch bei "Bruce" muss die Fragestellung schon viel früher ansetzen: Glauben die Produzenten den Unsinn eigentlich selbst, den sie da produzieren? Insbesondere, wenn sie sich innerhalb der nur gut 20 Minuten langen Sendung mehrfach widersprechen und das Kunststück vollbringen, die Therapie von Darnell wie auch das ganze Format selbst ins Lächerliche zu ziehen. Da sagt zum Beispiel Meister Darnell nach stümperhafter Seelenklemptnerei: "Der Körper braucht ein bisschen Spaß."

Wer hätte auch ernsthaft geglaubt, hier ginge es um mehr als eine billige Stylingshow wie es sie schon seit Jahren im Privatfernsehen gibt. Hübsche Klamotten, schöne Haare und etwas MakeUp - so lassen sich Probleme lösen, eben auch bei "Bruce". Peinlich nur, dass man vorher so ein Theater veranstalten musste. Bevor geshoppt wird, will Darnell Christina in einem von ihr mitgebrachten Bikini sehen. Wenig später stolziert sie durch das Loft. Und der Sprecher aus dem Off? Er stellt erleichtert fest: "Die ersten Schritte für Christina mit einem neu gewonnenem Körpergefühl und neu gewonnenem Selbstbewusstsein."

Man fragt sich spontan, ob man irgendeinen Teil der Show verpasst hat. Denn woher das neue Körpergefühl und Selbstbewusstsein kommen soll, bleibt schleierhaft. Es übernehmen Darnells Assistentinnen, die Christina neu stylen sollen. Es geht auf Einkaufstour, bei der Assistentin Katja der Absurdität der Sendung die Krone aufsetzt. Im Dessous-Geschäft empfiehlt sie Christina doch allen Ernstes einen Push-Up-BH mit Geleinlage gegen ihr Oberweitenproblem: "Da bekommst Du auch nochmal einen richtigen Push-Effekt." Spätestens hier steigt der selbstdenkende Zuschauer aus der Show aus. Es folgen auch nur noch ein erotisches Fotoshooting, eine neue Frisur und etwas MakeUp. Im Loft sieht sich Christina zum ersten Mal selbst im neuen Outfit und präsentiert es ihrer Mutter.

Nach gut 20 Minuten endet die Show und als Zuschauer kann man sich ohne Einschränkung Peer Schaders Einschätzung anschließen, der für FAZ.NET bereits schrieb: "Herzlichen Glückwunsch, Herr Programmdirektor Struve, das ist ein neuer Tiefpunkt." Trost spendet nur die Tatsache, dass in Kürze die Dreharbeiten zur dritten Staffel von "Türkisch für Anfänger" beginnen. Das gibt Hoffnung auf ein besseres Vorabendprogramm im Ersten.