Als Peter Voß nach Ihrer Absage in einem offenen Brief den Satz "Ohne Jauch geht‘s auch" prägte..

...habe ich ihm daraufhin einen von mir ausdrücklich als persönlich gedachten Brief geschrieben und ihm erklärt, wie ich zu meiner Entscheidung gekommen bin. Deshalb mit dem Vermerk, dass das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist, weil ich irgendwann das Nachkarten auch mal beenden wollte. Daraufhin hat er mich umgehend angerufen und wir haben anderthalb Stunden telefoniert. Es endete mit seiner Aussage, dass, wenn wir dieses Gespräch vorher geführt hätten, er mir keine Steine in den Weg gelegt hätte. Darüber habe ich mich zwar gefreut, aber für die Sache war es da schon zu spät.

Zurück aus der Vergangenheit ins Jahr 2008: Wenn ich sagen würde, dass ihre letzte große Liveshow "Die Weisheit der Vielen" nichts anderes war als 9Live mit Promis in der Primetime....

....dann wäre das ebenso bösartig wie eindeutig falsch. Und zwar gleich aus mehreren Gründen. Erstens wurde diese These der "Weisheit der Vielen" noch nie so aufwändig demonstriert. Das wäre das inhaltliche Argument. Das Formelle: Es gibt im Fernsehen eine Vielzahl von Anrufsendungen. Von 9Live ganz unten bis hoch zu "Deutschland sucht den Superstar" oder dem "Tor des Monats" in der ARD, wo man mit unterschiedlichen Nummern über Personen abstimmen kann. Wir haben das erste Mal mit so einem großen Publikum und einem entsprechenden Interesse der Anrufer gezeigt, dass man differenzierte Antwortmöglichkeiten über eine Telefonnummer ermöglichen kann. Das sind für uns die beiden Gründe gewesen, die Show zu machen. Und dann noch ein dritter Punkt: Wir hatten bei der Abwicklung der Anrufe zwei Möglichkeiten, die wir in der Redaktion lange besprochen haben. Man hätte es zum absoluten Mindesttarif von derzeit 14 Cent machen können oder mit dem Anreiz einer Gesamt-Gewinnsumme von 50.000 Euro - in zehn Mal 5.000 Euro über die Sendung verteilt - für 50 Cent pro Anruf. Wir haben uns für Letzteres entschieden, was ich auch und gerade im Interesse des Zuschauers für sinnvoll und richtig halte.

Dennoch gab es deutliche Kritik an der Sendung und genau diesen Anruf-Gewinnspielen.


Da haben sich nur einige Kritiker die Hände gerieben, weil ich in meiner kindlichen Freude über die hohe Mitmachquote die Zuschauerbeteiligung genauer beziffert habe. Umgehend wurde ausgerechnet, welches Vermögen da gemacht worden sei. Natürlich wieder völlig unsinnig, weil der Großteil der 50 Cent an die Telekom und technische Ausrüster geht und wir vom schmalen Rest ja die 50.000 Euro an die Zuschauer wieder ausgeschüttet haben. Deshalb tropft der absurde 9Live-Vergleich völlig an mir ab.

Aber die Quoten schrien ohnehin nicht gerade nach Fortsetzung....


Das ist es aber, was mir an der Sendung so leid tut, weil ich dieses Konzept für interessanter und zukunftsträchtiger gehalten habe als zum Beispiel "6! Setzen", wo uns der Erfolg der ersten Ausgabe völlig überrascht hat, weil die Sendung relativ chaotisch verlief und nicht so, wie wir uns das vorstellten. "Die Weisheit der Vielen" ist eigentlich gut gelaufen und es gäbe noch viele Möglichkeiten mit dem Format, aber da hat uns ProSieben mit "Das Vermächtnis der Tempelritter" und 37 Prozent Marktanteil den Spaß gründlich verdorben. Das kann man Pech nennen, aber ich akzeptiere, dass wir alle mehr erwartet haben. Ich halte die Idee der Sendung jedoch nach wie vor für interessant und ausbaufähig. Inzwischen gibt es übrigens im Ausland ein reges Interesse an dem Sende- und Publikumsbeteiligungskonzept.
 
Foto: RTL

 
Würden Sie der Aussage zustimmen, dass das deutsche Fernsehen sich inzwischen für zu perfekt hält, so dass neue Formate nervös abgesetzt werden oder gar nicht erst auf Sendung gehen, weil man Kratzer am Image oder Sendermarktanteil befürchtet?

(überlegt) Die Sender möchten natürlich schon Neues ausprobieren. Interessant ist zum Beispiel "6! Setzen". Die Werbekunden haben sich bei der ersten Sendung sehr zurückgehalten und wollten erstmal wissen, wie man sich die Show vorstellen muss. Das ist eben sehr oft so. Wenn‘s dann funktioniert, sind viele Formate für kurze Zeit für Werbekunden interessant, bevor die Beschwerde kommt, dass das ja auch nix Neues mehr sei. Ob man also bei einem werbefinanzierten Programm allein dem Sender die Schuld geben sollte, weiß ich nicht. Es gab sicher mal andere Zeiten, in denen ein Sender auf Gedeih und Verderb ausprobiert hat und seine schützende Hand über neue Formate hielt. Zum Beispiel bei "RTL Samstag Nacht", die auch schwach starteten. Oder in der jüngeren Vergangenheit bei "Alles was zählt". Auch da hat man durchgehalten, nachdem sich die Kollegen nach den ersten Quoten die Haare gerauft haben. Kurs halten kann sich lohnen.

Was man bei "Die Anwälte" wiederum nicht getan hat. Können nur noch ARD und ZDF mit Geduld Durststrecken neuer Formate überstehen?


Ich hielte es für gefährlich, wenn die Privaten den Öffentlich-Rechtlichen das Feld überlassen würden und nur noch ARD und ZDF wegen ihres regelmäßigen Geldflusses Risiko und Innovation bewiesen. Nach dem Motto "Wir haben das Geld, wir probieren mal". Sollte das so kommen, wird es schwierig für die Kommerziellen. Und diese Gefahr sehe ich.

Das teuflische Diktat der Quote?

Ach, auch wenn überall immer noch bedauernd vom Quoten-Fernsehen gesprochen wird, so sind wir doch inzwischen schon längst beim "Deckungsbeitrags-Fernsehen" angekommen. Die Öffentlich-Rechtlichen denken inzwischen häufiger als früher in Quoten, während die Privaten schon einen Schritt weiter sind: Wenn da die dritte Wiederholung einer Serie aus dem Archiv schön kostengünstig ist, dann kommt es doch gar nicht mehr auf die Quote an. Hauptsache die Kluft zwischen niedrigem oder kostenlosen Einstandspreis und den erzielten Werbegeldern ist so hoch, dass dieser "Deckungsbeitrag" alle jubeln lässt. Nur die Zuschauer möglicherweise nicht und da könnte irgendwann einmal ein grundsätzliches Problem des kommerziellen Fernsehens entstehen.

Welche Folgen hat das Ihrer Meinung nach?

Dass renditestarkes, aber höhepunktarmes Fernsehen zur Leitwährung wird. Dazu kommt dann absolutes Schrott-TV wie 9Live, das am Ende aber immer noch mit irgendeinem Plus abschließt. Bei den großen Privatsendern hoffe ich, dass sie klug genug sind, zu wissen, dass sie auch künftig Höhepunkte im Programm haben müssen. Es geht bei manchem Format auch ums Image und die großen Events. Da muss man auch verkraften können, dass damit unterm Strich vielleicht nicht so viel verdient wird als wenn ich nochmal "CSI" recycle.

Was schaut Günther Jauch eigentlich privat?


Ich kann das relativ genau beantworten. Mich interessiert alles, was real passiert. Also Nachrichten, Sport, Reportagen und Dokumentationen. Aber auch Shows und Unterhaltungsprogramme. Manches empfinde ich als Folter und kann doch nicht wegsehen. Anderes ist großartiges Fernsehen wie zum Beispiel die Weihnachtsshow von Sat.1 mit Bastian Pastewka und Anke Engelke. Das müsste einen Fernsehpreis kriegen!

Es ist ja für den Adolf Grimme Preis nominiert...


Wunderbar. Das war ganz großes Fernsehen. Da sitze ich fasziniert davor und hab auch hier einigen Kollegen am nächsten Tag empfohlen, sich das nochmal anzuschauen. Anke Engelke habe ich auch gleich eine Mail geschrieben und gratuliert. Was mich hingegen persönlich überhaupt nicht interessiert, sind Filme und Serien. Ich habe früher schon keine "Lindenstraße" angeschaut und sehe sie heute so wenig wie den "Marienhof" oder "Sturm der Liebe". Auch kein "GZSZ" RTL zuliebe (lacht). Ich weiß, dass es großartige Spielfilme gibt und ab und an gehe ich auch gerne ins Kino. Aber generell ist Fiktionales nicht mein Ding.

Dann bleibt mir am Ende nur noch eine nicht ganz ernst gemeinte Frage: Wofür steht unser Kürzel DWDL?

Das Kürzel ist von unserer Firma I&U geklaut. Bei jeder Produktion fragen wir uns vorher immer, ob das Programm funktionieren wird. Und auf den Sender kommt es nur mit dem DWDL-Siegel. Bei uns steht es für "Das wird doll laufen".