Dieter Bohlen leitet ab 2014 die Kulturabteilung bei Arte, und der Fuchs beantragt Asyl im Hühnerstall. Verwundert? Geht noch besser, denn das ängstliche Staunen über die beiden ausgedachten Meldungen wird noch getoppt von dem Entsetzen, das sich in WDR-Kreisen breit gemacht hat, seit bekannt wurde, dass Valerie Weber ab Mai Hörfunkchefin im WDR werden soll.

Am Donnerstag um 15 Uhr machte die entsprechende Meldung die Runde, gemeinsam mit der Personalie Jörg Schönenborn, der im Mai Fernsehdirektor werden soll. Eine gute Woche vor der Rundfunkratssitzung, in der am 22. November die von Intendant Tom Buhrow Nominierten gewählt werden sollen, gibt es auf WDR-Fluren nur noch ein Thema. VW kürzen manche Mitarbeiter inzwischen den Namen Valerie Weber ab, was ein bisschen wirkt wie bei Harry Potter, wo der Leibhaftige auch nur als Du-weißt-schon-wer benannt wird. Mehrere leitende Mitarbeiter haben an den Intendanten geschrieben und gebeten, er möge ihnen doch bitte noch einmal erklären, was er sich bei der Nominierung von VW gedacht habe.

Nun ist Valerie Weber so wenig wie irgendwer sonst der Teufel, aber wenn man sich derzeit im WDR umhört, kann man rasch auf die Idee kommen, dass sie als eine gefürchtet wird, die das Fegefeuer in der Handtasche mit nach Köln bringen könnte. Dabei macht die 47-Jährige einen sehr guten Job. Als Programmdirektorin von Antenne Bayern verschafft sie ihrem Sender genau jene Aufmerksamkeit, die es braucht, um Werbegeld in der Kasse klingeln zu lassen. Weber ist berühmt für ihre Marketingaktionen zum Sendernutzen. Sie steht wie kaum jemand sonst für die exzessive Nutzung von Telefongewinnspielen, und bei Wikipedia wird gar berichtet, sie habe einst Duftstoffe aus einem Flugzeug über Stuttgart werfen lassen.

Wikipedia ist bei Weber insofern eine interessante Größe, als sich ihr Eintrag kurz nach der Bekanntgabe ihrer Nominierung an entscheidender Stelle veränderte. Stand vorher noch ein ausführliches Zitat drin, so verschwand dies in der Stunde nach 15 Uhr am Donnerstag unter einem eher unverfänglichen Link zu einer Seite der Bundeszentrale für politische Bildung. Dort muss man nun eine ziemliche Weile suchen, bis man auf das Weber-Zitat stößt, das vorher so schön offen bei Wikipedia zu bewundern war. "Es ist enorm wichtig, dass wir die Menschen zum Spielen bringen, denn das erlaubt ihnen das Abtauchen in eine Scheinwelt, um den Problemen des Alltags zu entfliehen." Das hat sie im Juli 2006 bei den Lokalrundfunktagen gesagt. Inzwischen heißt es, das Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen. Sie habe vorher Friedrich Schiller zitiert: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

WDR-Intendant Buhrow hält auf jeden Fall große Stücke auf seine Anwerbung. Er muss quasi große Stücke auf sie halten, denn Weber steht am Ende eines sehr langen Findungsprozesses. Den hatte der Rundfunkrat in eine ganz bestimmte Richtung gelenkt, als er durchschimmern ließ, dass er auf mindestens einem der beiden Direktorenposten eine Frau sehen wolle. Weil Buhrows Buddy Schönenborn quasi gesetzt war, blieb nur der Hörfunk. Für den aber hat Buhrow die Idealbesetzung direkt vor der Nase. Schaut er aus seinem Büro im fünften Stock des Kölner Vierscheibenhauses, blickt er auf den Flachbau, aus dem die erfolgreich junge WDR-Welle 1Live sendet. Jochen Rausch heißt der Chef dort, der gleichzeitig seit Jahren schon stellvertretender Hörfunkdirektor ist. Wo immer es geht, hat Buhrow in seinen Anfangstagen 1Live gelobt. Wurde er gefragt, wie er sich den WDR der Zukunft vorstelle, sagte er: Wie 1Live. Für Rausch spricht der Erfolg seiner Arbeit und seine durch und durch öffentlich-rechtliche Prägung.

Gegen das Quotendiktat des Rundfunkrats hatte er indes ungefähr so viel Chance wie eine durchschnittliche LPG, die in der DDR einen Fünfjahresplan kippen wollte. Obwohl Buhrow den besten Mann für den Job sehr offensichtlich eiskalt fallen ließ, weist er natürlich jede Einflussnahme seitens des Rundfunkrats zurück und behauptet, kein Quoten-Problem zu haben. Er muss das tun.

So richtig erfolgreich war seine Suche indes lange nicht. Man weiß, dass der WDR bei diversen Radiofrauen anklopfte und sich etliche Absagen einhandelte. Zum Beispiel gilt als sicher, dass Buhrows Boten auch mit Katja Marx, der Chefin von HR-Info, in Kontakt getreten sind. Marx indes wollte nicht wechseln. Am Ende einer langen Kette, die vor allem von dem Druck begleitet wurde, rasch zu einer Entscheidung zu kommen, stand dann Valerie Weber. Sie sei „eine der erfolgreichsten Radiofrauen in Deutschland. Sie ist eine vielseitige, leidenschaftliche und analytische Strategin“, hieß es. Was man halt so verkündet.

Buhrow verkauft seine Entscheidung nun als Komplementärlösung, offenbar in der Annahme, eine spritzige Privatradiofrau könne die Trockenheit von Jörg Schönenborn ausgleichen. Allerdings verkennt er dabei, dass der WDR-Hörfunk im Vergleich zum Fernsehen die geringeren Probleme hat. In vielen Bereichen sind die WDR-Wellen bereits auf einem guten Weg und könnten zwar noch ein bisschen was gebrauchen, auf keinen Fall aber den Hauruckaktionismus einer gestandenen Privatradiofrau. Schließlich haben die mühsam überstandenen Querelen um die Reformen bei WDR 3 gerade erst gezeigt, wozu Hauruckaktionismus führt.

Buhrow sagt, man solle Frau Weber doch erst einmal gewähren lassen. Jeder habe eine Chance verdient. Sie werde den öffentlich-rechtlichen Anspruch schon wahren und nicht verwässern. Er sagt das mit einer Leichtigkeit, die impliziert, dass sie so großen Schaden schon nicht anrichten werde. Dabei verkennt er, dass eine Hörfunkdirektorin, die einmal für fünf Jahre gewählt ist, schwer zu stoppen ist. Man schaue sich nur mal an, welchen Flurschaden die aktuelle Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff in den Pielschen Mehltau-Jahren an der Qualität des WDR Fernsehens angerichtet hat.

Natürlich weiß der Intendant, dass ihn der Rundfunkrat nicht blamieren wird, weil das in seiner Kompetenz einer Schülermitverwaltung nicht unähnliche Gremium sich dann selbst blamierte. Vor viereinhalb Monaten hat es Buhrow gerade erst als Wunderintendanten präsentiert. Würde es sich nun seiner Nominierung verweigern, wäre die nicht einmal ein Jahr alte Entscheidung für den Liebling schon als zumindest halbfalsch diskreditiert.     

Die empörten WDR-Mitarbeiter arbeiten dem Vernehmen nach derzeit an einer Resolution, die auf den Missstand Valerie Weber hinweisen sollen. Die Redakteursvertretung steht in den Startlöchern, und selbst in den Redaktionen, in denen man die Querelen um die WDR 3-Reform kritisch sah, wünscht man sich zwischendrin die selbsternannten Radioretter zurück.

Da der Rundfunkrat, zufrieden mit dem erfüllten Kriterium Frau, erneut zum Abnickverein mutiert ist, setzen die Protestler nun auf massive Öffentlichkeitswirkung. Wenn die Wahl schon nicht mehr zu verhindern ist, dann will man wenigstens die verbleibenden Chancen nutzen, Valerie Weber sturmreif zu schießen. Sie solle bitteschön verstehen, dass sie schon der kleinste Versuch, irgendwelche Privatradio-Mätzchen in Köln durchzusetzen, in sehr große Probleme führen werde, heißt es. Wenn sie aber ihr Know How von Antenne Bayern nicht einbringen könne, sei sie quasi nutzlos. Nur wenn Buhrows Liebling angesichts der massiven Missfallensbekundungen noch einknicken würde, hätte der WDR nach der Meinung einer großen Mehrheit im Sender nämlich noch eine Chance, auch demnächst von allzu vielen Gewinnspielen frei zu bleiben. Es dürfte also noch eine spannende Woche in Köln werden.