Eigentlich will die WDR mediagroup an diesem Mittwochabend mit geladenen Geschäftspartnern bei der WDR-Fernsehsitzung des Kölner Karnevals feiern. Doch die Stimmung bei der kommerziellen Tochter des WDR, zuständig u.a. für den Werbeverkauf, ist aus naheliegenden Gründen getrübt: „Bei uns ist richtig Aschermittwoch“, kommentiert WDR mediagroup-Geschäftsführer Michael Loeb. Der nordrhein-westfälische Landtag hat die erlaubte Obergrenze für Werbung in den Hörfunkprogrammen des WDR deutlich reduziert. Welche konkreten Folgen dies haben wird, ist derzeit noch unklar. Ein geringerer finanzieller Beitrag der kommerziellen Tochter reiße aber auch ein Loch in die Planungen des WDR selbst, beklagt Intendant Tom Buhrow in einer ersten Stellungnahme.

"Ich halte dies für eine kurzsichtige Entscheidung, die ausschließlich den Interessen der Verleger und unseren kommerziellen Radio-Konkurrenten folgt. Sie geht komplett zu Lasten des WDR. Das ist ein fatales Signal für unsere WDR-Kolleginnen und Kollegen, die in den letzten Jahren so hart dafür gearbeitet haben, unsere Strukturen schlanker aufzustellen“, so Buhrow über die Reduzierung der Hörfunkwerbung auf 60 Minuten und einen Sender - dem sogenannten NDR-Modell. Buhrow weiter: "Diese Einschnitte werden schmerzhaft sein. Deshalb werden wir sie auch sorgfältig und vertrauensvoll mit unseren Aufsichtsgremien beraten.“

Im NRW-Landtag stellte Franz-Josef Lersch-Mense (Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien) zum Ende seiner Rede für eine Novellierung des WDR-Gesetzes die Absicht der NRW-Landesregierung in Aussicht, sich als Ausgleich für die entfallenden Werbeeinnahmen für eine Freigabe der zusätzlichen Finanzmittel durch den Rundfunkbeitrag einzusetzen. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten muss noch entscheiden, ob die Mehreinnahmen zur weiteren Senkung des Rundfunkbeitrags oder Refinanzierung von zusätzlichem Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Sender eingesetzt werden soll. Die Reduzierung der Werbezeiten beim WDR würde damit letztlich auf Kosten der Beitragszahler gehen.

Finanzieller Ausgleich für den WDR statt Gebührensenkung

Ähnlich wie die NRW-SPD argumentiert auch der nordrhein-westfälische DJV. Die Politik ist jetzt aufgerufen, für finanziellen Ausgleich zu sorgen“, erklärt Frank Stach, Vorsitzender des DJV-NRW. „Wer den WDR als wesentliche Säule demokratischer Meinungsbildung in NRW sieht, muss ihn auch entsprechend ausstatten.“ Stach hatte sich bereits Anfang der Woche gegen eine erneute Absenkung des Rundfunkbeitrags und für die Freigabe von KEF-Geldern ausgesprochen. Die Motivation dieser Haltung ist einfach erklärt: Der DJV kämpft als Interessensvertretung gegen jede Kürzung bei Programm und Personal im WDR.

Während man dort wenig überraschend zunächst einmal seine Wunden leckt, fordern der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), die Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR) und erste Verleger-Verbände bereits aus diesem Alleingang Nordrhein-Westfalens möglichst schnell eine bundeseinheitliche Regelung abzuleiten. Von einer wichtigen und auch für andere Bundesländer richtungsweisenden Weichenstellung spricht Klaus Schunk, Vorsitzender des Fachbereiches Radio und Audiodienste im VPRT. Die Entscheidung habe einen „wichtigen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit im Wettbewerb von öffentlich-rechtlichen und privaten Radioveranstaltern geleistet, der der Gattung Radio auch in NRW nicht schaden, sondern den Lokalfunk stabilisieren wird."

Dem widerspricht die Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) in einer Stellungnahme zur Verabschiedung der neuen Fassung des WDR-Gesetzes. „Mit der heute beschlossenen schrittweisen Reduzierung der verfügbaren Werbezeit schädigt die NRW-Landesregierung alle werbenden Unternehmen im bevölkerungsreichstem Bundesland“, urteilt OWM-Geschäftsführer Joachim Schütz. „Radio bleibt nur dann als relevantes Werbemedium zukunftsfähig, wenn die Kampagnen ein Mindestmaß an Reichweite erzielen. Aber die Gattung Radio steht schon jetzt unter Druck. Wenn Radio als Werbemedium bei Kunden und Agenturen weiter Relevanz verliert, stellt diese Entscheidung mittelfristig auch für die privaten Radioanbieter eine Existenzbedrohung dar.“

Forderung nach bundesweit einheitlicher Regelung

Alles Quatsch, heißt es bei der Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk. "Das stärkt das nordrhein-westfälische Lokalradio", so der APR-Vorsitzende Felix Kovac. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei mehr als genug durch den Rundfunkbeitrag finanziert. Nicht umsonst werde gerade wieder über eine Absenkung um einige Cent im Umfeld der KEF nachgedacht. Kovac sieht ausreichend politischen Gestaltungsspielraum, noch im laufenden Jahr eine bundeseinheitliche Regelung für die ARD-Radiowerbung nach dem "NDR-Modell" auf den Weg zu bringen und dem Beispiel des nordrhein-westfälischen Gesetzgebers zu folgen. Das würde auch die Vereinigung Bayerischer Rundfunkanbieter begrüßen. Der zuständige Vorsitzende ist auch hier Felix Kovac.

Auf Anfrage des Medienmagazins DWDL.de zeigt sich Tobias Schmid, Vorstandsvorsitzender des VPRT, nach der Entscheidung im NRW-Landtag so zufrieden mit der Medienpolitik wie man ihn sonst nie erlebt. „Bei aller Demokratieskepsis, so erstaunlich ist es ja nun auch nicht, dass Politik von Zeit zu Zeit das macht, was sie sich vorgenommen hat. Vielleicht würde es auch mehr Sinn machen, wenn sich ARD und ZDF dem Thema behutsam konstruktiv annähern, statt vor dem Hintergrund von 8 Mrd. Gebührenmitteln den Untergang des Abendlandes an die Wand zu malen.“ Bei der WDR mediagroup zumindest hält man sich - ganz in Karnevalslaune - an diesem Tag erst einmal ans Kölsche Grundgesetz. Laut Michael Loeb gelte: 1.) Et es wie et es, 2.) Et kütt wie et kütt und 3.) Et hätt noch emmer joot jejange.

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