In weniger als einer Woche beginnt die Handball-Weltmeisterschaft in Frankreich und noch immer müssen Fans in Deutschland darum zittern, ob sie überhaupt Live-Bilder vom Turnier zu sehen bekommen. "Es läuft alles auf eine Total-Katastrophe hinaus", ließ sich DHB-Vize Bob Hanning dieser Tage in der "Bild" zitieren. Tatsächlich gleicht vor allem der Poker um die Übertragungsrechte einer Katastrophe - wobei es streng genommen gar kein Poker ist, weil dem Rechte-Inhaber beIn Sports die Einnahmen aus dem deutschen Markt offenkundig weitgehend egal und daher kaum ernsthafte Verhandlungen möglich sind.

Hört man sich bei den interessierten Sendern um, dann wird schon seit Wochen nur noch mit dem Kopf geschüttelt. "Wir würden die Rechte gerne kaufen, aber leider gibt es niemanden, der mit uns spricht", sagt einer, der mit dem Vorgang betraut ist. ARD und ZDF hatten sich bereits vor zwei Jahren genervt aus den Verhandlungen zurückgezogen, als beIn Sports ein ähnliches Theater veranstaltete. Damals brachte es die Al-Jazeera-Tochter aber zumindest fertig, vor dem Jahreswechsel Sky als TV-Partner aus dem Hut zu zaubern. Aus Unterföhring kommt dagegen diesmal keine frohe Kunde. "Sky hat sich mehrfach um die WM-Rechte bemüht. Allerdings wurden unsere Angebote stets vom Rechtegeber abgelehnt", erklärt ein Sprecher des Bezahlsenders.

Längst wächst bei den deutschen Handballern auch die Verärgerung über die Politik. "Stellen Sie sich vor, Deutschland ist Fußball-Weltmeister und von der anschließenden EM wird kein Spiel übertragen. Ob sich die deutsche Politik da vielleicht bewegt hätte?", fragt DHB-Präsident Andreas Michelmann, der es zu gerne gesehen hätte, dass die Spiele der Handball-Nationalmannschaft auf die sogenannte "TV-Schutzliste" kommen. Diese regelt, welche Sportereignisse frei empfangbar sein müssen. "In unserem Fall, in dem die Handball-Nationalmannschaft als Europameister nach Frankreich fährt, hält sich die Politik vornehm zurück", schimpft der deutsche Handball-Boss, der die Hoffnung jedoch noch nicht gänzlich aufgeben will.

Der Groll sollte allerdings in erster Linie der IHF gelten, also der Internationalen Handballförderation. Die hatte nämlich für mehr als 80 Millionen Euro die TV-Rechte für jeweils zwei Weltmeisterschaften der Männer und Frauen an beIn Sports vergeben, eine Tochterfirma des Nachrichtensenders Al Jazeera mit Sitz in Katar. Offensichtlich machte das große Geld blind, denn schon vor zwei Jahren erwies sich beIn Sports nicht gerade als verlässlicher Verhandlungspartner. Nachdem selbst einen Monat vor Turnierbegann keine Einigung erzielt wurde, brachen ARD und ZDF die Verhandlungen damals entnervt ab.

Das französische Geschäft hat Priorität

Obwohl die öffentlich-rechtlichen Anstalten damals ein "marktgerechtes Angebot" abgaben, wie sie betonten, hätten sie "eine nicht akzeptable Antwort" erhalten. beIn Sports störte sich schon damals daran, dass die deutschen Free-TV-Sender ihre Programme unverschlüsselt verbreiten - und hatte dementsprechend die Sorge, dass das Signal auch in Frankreich empfangen werden kann. Dort betreibt die Al-Jazeera-Tochter seit geraumer Zeit eine eigene Pay-TV-Plattform, für die die exklusiven WM-Übertragungen mit der seit Jahren starken französischen Handball-Nationalmannschaft als Zugpferd dienen sollten.

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beIn Sports wirbt in Frankreich für die Übertragung der Handball-WM

Das Geschäft in Frankreich besitzt also aus durchaus nachvollziehbaren Gründen höchste Priorität - und selbst die in Deutschland marktüblichen Preise konnten beIn Sports bislang nicht dazu bringen, die Rechte für den hiesigen Markt zu verkaufen. Zu groß ist die Sorge vor frei-empfangbaren Bildern im benachbarten Ausland. Dass ein Anbieter die Rechte für den gesamten europäischen Markt besitzt, sich aber eigentlich nur für einige wenige Märkte interessiert, ist daher das eigentliche Problem, das mit Geld bisher nicht gelöst werden konnte.

Und an dieser Situation hat sich bis heute nichts geändert: Maximal drei WM-Spiele werden in diesem Jahr vom französischen Free-TV-Sender TF1 ausgestrahlt, der Rest ist bei unseren Nachbarn ausschließlich über beIn Sports zu empfangen. Es geht um Exklusivität - da verkommt die Frage, ob das Bild in Deutschland schwarz bleibt, offensichtlich zur Nebensache. Dass jedoch nicht mal mit deutschen Pay-TV-Anbietern eine Einigung erzielt werden konnte, ist allerdings eine neue Qualität, nachdem vor zwei Jahren zumindest Sky kurz vor dem Jahreswechsel als Übertragungspartner an Bord geholt werden konnte.

An Interessenten mangelte es jedenfalls nicht. Eurosport soll ebenso wie Sport1 ein Angebot fürs Pay-TV abgegeben haben, auch das zu ProSiebenSat.1 gehörende Online-Portal Sportdeutschland.tv äußerte mehrfach lautstark Interesse. Gehört wurden sie letztlich alle nicht. Die Hoffnungen ruhten bis zuletzt auf dem Sport-Streamingdienst DAZN, der nun aber ebenfalls noch einmal klarstellt, aus dem Rennen um die Rechte zu sein. "Wir hätten die Handball WM sehr gerne den Fans auf DAZN präsentiert, können aber bestätigen, dass wir in dem Bieterverfahren nicht mehr involviert sind", sagte DAZN-Sprecher Matthias Folkmann am Donnerstag gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de.

WM-Sponsoren als letzte Rettung?

Besteht trotzdem noch Hoffnung für Fans, die WM-Spiele sehen zu können? Nach DWDL.de-Informationen wurde mehreren Interessierten inzwischen zu verstehen gegeben, dass die Rechte mittlerweile vergeben worden sind - ob dem tatsächlich so ist, ließ sich bislang jedoch nicht klären. Nicht ausgeschlossen, dass die WM-Sponsoren im Hintergrund Druck ausübten, schließlich kann es kaum in deren Sinne sein, wenn auf dem wichtigen deutschen Markt keine Live-Bilder zu sehen sind. "Natürlich haben wir ein Interesse daran, dass die Handball-Weltmeisterschaft einem möglichst großen Publikum zugänglich gemacht wird", sagt etwa Adidas-Sprecher Oliver Brüggen auf DWDL.de-Nachfrage.

Und weiter: "Als Sponsor des Titelverteidigers aus Frankreich versprechen wir uns ein spannendes Turnier. Zudem haben wir einige der besten deutschen Spieler unter Vertrag und freuen uns mit ihnen auf diese WM und die Bühne für sie und ihren Sport." Fraglich ist nur, wie groß die Bühne in Deutschland tatsächlich sein wird. Sollte sich also tatsächlich kein TV- oder Streaming-Partner mehr finden, wären die Online-Plattformen wichtiger Sponsoren wie Adidas zumindest in der Theorie ein möglicher letzter Rettungsanker für deutsche Fans. Für die Zukunft sollten sich die internationalen Handball-Vertreter jedoch vorsorglich schon mal Gedanken darüber machen, ob es sich ernsthaft lohnt, mit den windigen Geschäftemachern aus Katar zu dealen.