Einem in dieser Woche veröffentlichten Bericht der britischen Medienaufsicht Ofcom zufolge sind die Programmausgaben von BBC, ITV, Channel 4 und Channel 5, also der großen Free-TV-Sender, 2011 auf ein 13-Jahres-Tief gefallen. Bei den eigenproduzierten Sendeinhalten gingen die Investitionen um sechs Prozent auf 2,4 Milliarden Pfund zurück. Bei den allgemeinen Programmkosten war ein Rückgang um acht Prozent zu beobachten. Und der Trend wird sich wohl auf absehbare Zeit fortsetzen.

 

Die BBC hatte sich bei den letzten Gebührenverhandlungen im Jahr 2010 dem Druck der damals neu gewählten konservativ-liberalen Regierung gebeugt und einem Einfrieren der Rundfunkgebühren bis 2017 zugestimmt. Real werden die Einnahmen damit in den kommenden Jahren um etwa 16 Prozent fallen. Unter dem etwas euphemistischen Titel Delivering Quality First hat der scheidende BBC-Generaldirektor Mark Thompson im vergangenen Jahr eine Initiative vorgestellt, welche Einsparungen in Höhe von 700 Millionen Pfund gewährleisten soll. Erste Auswirkungen sind vor allem im Programm der beiden Digitalkanäle BBC Three und BBC Four bereits festzustellen: Die preisgekrönte und auch vom Publikum gut angenommene Horrorserie „The Fades“ (ab 13. Juli auf ZDFneo) wurde entgegen ursprünglich anders lautender Pläne nach nur einer Staffel eingestellt. Ebenso erging es dem holistischen Detektiv „Dirk Gently“ (der in Deutschland auf RTL Crime laufen soll).

Und auch bei der privaten Konkurrenz sieht es nur wenig anders aus: Zwar hat ITV im vergangenen Jahr einen Gewinn von 327 Millionen Pfund vor Steuern ausgewiesen, ein Plus von immerhin 14 Prozent. Trotzdem hat der Sender in dieser Woche weitere Maßnahmen zur Kosteneinsparung bekannt gegeben. So soll das Budget sämtlicher bei ITV Studios produzierter Sendungen, einschließlich Klassikern wie der „Coronation Street“, um 1,5 Prozent zurückgeschraubt werden. Bei den Personalkosten im Sender selbst soll um vier Prozent gespart werden. 2008 war ITV durch die globale Wirtschaftskrise und das Wegbrechen von Werbeeinnahmen hart getroffen worden. Damit sich dies, angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Unsicherheiten, nicht wiederholt, begibt sich der Sender wohl schon vorsorglich an eine Kürzung der Ausgaben.

Die Gründe, aus denen BBC und ITV unter Druck stehen, mögen sich zwar unterscheiden. Und doch zeigen sie eine gemeinsame Tendenz: Während sich die großen Free-TV-Sender auf dem britischen Fernsehmarkt finanziell einschränken müssen, floriert das Geschäft der Digitalkanäle und des Pay-TV, was sich auch in den Programminvestitionen widerspiegelt. Pay-TV-Primus BSkyB hat angekündigt, bis 2014 die Ausgaben für britische Eigenproduktionen um 50 Prozent auf insgesamt 600 Millionen Pfund anzuheben. Nachdem sich der Sender zuvor hauptsächlich auf Sport und Spielfilme kaprizierte, nehmen seit etwa zwei Jahren auch eigenproduzierte Serien, wie zum Beispiel „Strike Back“, „Mad Dogs“ oder die gerade mit einem BAFTA ausgezeichnete Comedy „Spy“, einen größer werdenden Anteil am Programmvolumen ein. Erst in der vergangenen Woche hat das Unternehmen für den Kanal Sky One ein neues, aufwendig produziertes Feuerwehr-Drama namens „The Smoke“ in Auftrag gegeben.

Mit inzwischen knapp 10,3 Millionen Abonnenten im Rücken kann sich BSkyB einen großzügigen Ausbau der eigenen Fiction-Schiene erlauben – und macht damit vor allem Channel 4 nervös. Der öffentlich-rechtliche, gleichzeitig allerdings komplett werbefinanzierte Sender gründet seinen Ruf und Erfolg auf qualitativ herausstechenden Serien abseits des Mainstreams (u.a. „Shameless“), also genau die Nische, in welche das Pay-TV in aller Regel stößt, sobald es mit Eigenproduktionen beginnt. Gleichzeitig ist Channel 4 allerdings auch selbst ein gutes Beispiel, an dem man die Veränderungen der britischen Senderlandschaft studieren kann. Während der Hauptkanal im vergangenen Jahr mit 6,8 Prozent Marktanteil nur sein Minimalziel in den Einschaltquoten erreicht hat und einen Verlust von 42,3 Millionen Pfund in den Büchern stehen hatte, waren es die mit Eigenproduktionen wie „Skins“ und „Misfits“ inzwischen sehr erfolgreichen Digitalkanäle des Senders, welche die Bilanz mit einem Gewinn von 60,6 Millionen Pfund ausgeglichen haben.

Die nicht zuletzt durch die Digitalisierung beschleunigte Ausdifferenzierung des Fernsehmarkts in Hunderte von Kanälen hat, wie kaum anders zu erwarten war, eine zunehmende Zersplitterung des Publikums den jeweiligen special interests gemäß nach sich gezogen. Die Player der analogen Fernsehwelt reagieren darauf mit sehr unterschiedlichen Strategien: Während die BBC ihre zusammengestrichenen Ressourcen stärker auf den Hauptkanal BBC One fokussiert, um dort ein attraktives Programm für ein möglichst breites Publikum anbieten zu können, ist Channel 4 sehr gut damit gefahren, auf seinen Digitalkanälen, allen voran E4, ein sehr spitz auf eine spezielle Zielgruppe zugeschnittenes Programm zu senden.

So viel ist klar: Der Umbruch auf dem britischen TV-Markt ist noch lange nicht abgeschlossen. Wie er für die einzelnen Sender ausgeht, wird nicht zuletzt davon abhängen, was sie bereit oder in der Lage sind, an Investitionen für qualitativ hochwertige Inhalte aufzuwenden.