Aus einer kargen Kellergarage steigt er in die Lüfte – beide Fäuste sind entschlossen nach vorne gestreckt. Zuerst passiert er einen voll besetzten Parkplatz, dann zündet er den Turbo, durchfliegt in Windeseile zwei Brücken, bevor er sich langsam dem Stadtkern von Los Angeles nähert. Zwischen den Häuserschluchten entdeckt er eine Verbrecherbande. Sicher landen, Schüsse abwehren, Waffen zerbrechen – und weiter geht´s. Was passiert denn da hinten? Die oberen Etagen eines roten Hochhauses brennen lichterloh, eine Frau steht auf dem Dach – ihr Gesichtsausdruck: völlig verzweifelt. Kein Problem für Superman. Er schnappt sich die verdutzte Rockträgerin und landet mit ihr auf festem Grund.

Der Clou ist: Der Zuschauer erlebt all diese wagemutigen Aktionen aus Sicht des Helden. Denn der Film, der auf YouTube rund 20 Millionen User begeisterte, wurde mit Hilfe einer Action-Cam gedreht. Befestigt wurde die GoPro-Kamera auf einer Drohne. Mit Hilfe einer Fernsteuerung und einer zusätzlichen Kamera, die die Aufnahmen der Action-Cam übertrug, konnten die Jungs von Corridor Digital, einer amerikanischen Webvideo-Agentur, die Flugroute der Drohne verfolgen und koordinieren.

Auch in der Film- und Fernsehbranche ist der Einsatz von Action-Cams, Spezialkameras, die in eine Westentasche passen und aus nahezu jeder Lage Aufnahmen liefern, nichts Ungewöhnliches mehr. Um das Unterhaltungsbedürfnis einer jungen Zielgruppe, die lebendigen, abwechslungsreichen Content fordert, zu befriedigen, werden sie flächendeckend genutzt. Matthias Plass, Geschäftsführer von Mediafields Film- & Fernsehproduktion, unterstreicht: "GoPro-Kameras sind nicht mehr nur auf dem ‚Vormarsch‘, sie sind schon seit Jahren fester Bestandteil fast jeglicher TV-Produktion und haben den Markt erobert." Berühmte Beispiele für die Verwendung von Action-Cams sind etwa die Skydiving-Szenen in "Captain Phillips" oder die ungewöhnlichen Einstellungen aus der Ich-Perspektive in "Breaking Bad".

Auch Thomas Miller, der Drehteams für Formate wie "Sing meinen Song", "Extra" oder "Explosiv" zusammenstellt, setzt auf Action-Kameras: "Die GoPro eignet sich im Fernsehbereich als Zusatzkamera. Wir setzen sie in Fahrzeugen für die Passagiere ein, bei Fahrten außen und innen, als subjektive Kamera und als versteckte Kamera. Auch bei Sportberichten ist sie oft unumgänglich, um ein interessantes Bild zu erhalten." Klar – man kennt diese Aufnahmen wagemutiger Extremsportler, die einen gefährlichen Waldhang hinunterjagen, den Ozean erkunden oder durch den Gebirgsschnee cruisen.

GoPro© Ville Hyvönen/Flickr (CC BY-SA 2.0)

Der größte Vorteil der winzigen Action-Cam – viele Modelle wiegen nicht einmal 200 Gramm – ist deren Handlichkeit. Damit hebt sie sich deutlich von der Digitalkamera ab. An jedem nur erdenklichen Objekt oder Gerät kann sie per Saugnapf oder Halterung angebracht werden: Helm? Kein Problem. Helikopter? Auch das geht. Surfbrett? Na klar. Plass nennt weitere Vorzüge: "Action-Cams sind wetterunabhängig einsetzbar, da sie durch ein wasserdichtes Gehäuse geschützt sind. Sie zeigen Blickwinkel und Perspektiven, die größere Kameras nicht zulassen. Außerdem zeichnen sie Full-HD Daten auf, die in ihrer Qualität nicht mehr als ‚minderwertig‘ auffallen." Ein weiterer Punkt ist der Preis. Die meisten Modelle sind relativ günstig, eine Rollei 5S HD gibt es für 229 Euro, eine GoPro Hero 3 Black Edition kostet 380 Euro.

Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die Action-Cam keine Alternative zur professionellen Kamera darstellt. Plass bestätigt: "Die Bilder sind sehr weitwinklig und besitzen eine große Tiefenschärfe, insgesamt reicht die Qualität nicht aus, um die klassischen Kameramodelle zu ersetzen." Zudem induziert der Einsatz von Action-Cams verschiedene Risiken – einerseits kann das Gefühl, "on-air" zu sein, besonders waghalsige Manöver begünstigen. Der Nutzer passt möglicherweise seine Kopfhaltung der Kameraführung an, statt in Fahrtrichtung zu schauen. Die Beratungsstelle zur Unfallverhütung in der Schweiz warnt: "Eine Kamera auf dem Helm kann die Verletzungsgefahr auch insofern erhöhen, als dass sie bei einem Sturz auf den Kopf als Hebelarm wirkt und damit die auf den Kopf einwirkenden Kräfte erhöht."

Vielleicht ist die Berichterstattung verheerender Unfälle einer der Gründe dafür, dass die Erlöse des Marktführers GoPro im vergangenen Weihnachtsgeschäft im Jahresvergleich um 31 Prozent auf 436,6 Millionen Dollar zurückgegangen sind. Unter dem Strich ergab sich ein Verlust in Höhe von 34,5 Millionen Dollar. Das Unternehmen reagiert, indem es ab April nur noch drei Kameras zu Preisen zwischen 200 und 500 Dollar anbietet, drei andere, zum Teil günstigere Varianten werden eingestellt. Denn gegen aufkommende Konkurrenten, Optik- und Elektronik-Unternehmen wie Sony, Panasonic oder Ricoh, möchte sich der Pionier weiterhin behaupten.

Trotz der erwähnten Kritikpunkte scheint die Zukunft der Action-Kamera gesichert. In einer Gesellschaft, in der es darauf ankommt, spektakuläre Erlebnisse zu teilen, um sich selbst als Marke zu positionieren, stellt sie ein nützliches Hilfsmittel zur Selbstdarstellung und -vergewisserung dar. Auch in der Fernsehbranche wird sich ihr Einsatz etablieren oder erhöhen, denn ein Gros der TV-Stationen sendet für eine Zuseherschaft, die das Außergewöhnliche erwartet – das Höhere, Schnellere und Weitere. Wie Thomas Miller bestätigt, ist der Markt neugierig auf Innovationen: "Die Weiterentwicklung dieser Technologie wird von uns und sämtlichen Kollegen intensiv beobachtet."