Am 31. Januar war es so weit. Eines der einstigen Flaggschiffe von NBC war in den Hafen eingelaufen, um dort für immer vor Anker zu gehen. Fast vier Monate später gesellte sich zum Platz, wo Ruhe, Frieden und Stillstand herrscht, zudem ein weiteres, welches den Sender sogar noch länger begleitete. Die Rede ist zum einen von "30 Rock", welches mit einer 13-teiligen siebten Staffel am Jahresbeginn zum Abschluss gebracht wurde und zum anderen von "The Office", jene neun Staffeln umfassende Mockumentary, die ausgehend vom Ideengeber Ricky Gervais den Weg von der europäischen Insel über den Atlantik nahm, um dort mit Steve Carell in der Hauptrolle - zumindest für sieben der neun Staffeln - als gleichnamiges amerikanisches Pendant über den Sender zu gehen. Nicht vergessen werden darf natürlich die deutsche Adaption "Stromberg", für den das britische Original "The Office" auch Pate stand und Christoph Maria Herbst eine Paraderolle für bislang fünf Staffeln verschaffte. Die amerikanische Adaption von "The Office" und "30 Rock" einte nicht nur der austrahlende Sender NBC, sondern auch die Rolle, die sie bei der Prägung des Comedygenres in den letzten Jahren spielten. Eine Ära endet damit endgültig - die Frage ist nur wie?

Blickt man auf die Vorbedingungen, also die diesjährige allgemeine Nominierungsliste der 65. Primetime Emmy-Awards, so fällt auf, dass immerhin beide NBC-Serien vertreten sind und sich "The Office" im letzten Jahr der Teilnahme um den begehrtesten Fernsehpreis der Welt im Gegensatz zum Vorjahr immerhin von null auf drei Nominierungen steigern konnte. Interessant ist dabei, dass einen rein quantitativ die Zahl an Nominierungen nicht vom Hocker reißen dürfte, dies aber auch nicht qualitativ durch die Auswahl an Kategorien kompensiert werden kann. "The Office" bleibt es gar verwehrt, sich mit einem Sieg in der wichtigsten Kategorie aus Sicht des Comedygenres, "Beste Comedy-Serie", verabschieden zu können. Besser steht es in dieser Hinsicht um "30 Rock" mit Alec Baldwin, der schon lange vor dem besiegelten Ende der Serie immer wieder mit seinem Ausstieg kokettierte und Tina Fey, die durch ihr humoristisches Talent oftmals als witzigste Frau der Welt gehandelt wird. Wie bereits in den letzten zwei Jahren, geht die mediensatirsche Serie über die fiktive NBC-Show "TGS with Tracy Jordan" wieder mit 13 Nominierungen ins Rennen und ist wie in jedem Jahr seit 2007 im Pool um die Auszeichnung für die beste Comedyserie. Zudem fällt auf, dass "30 Rock" sogar mit der besagten zweistelligen Nominierungszahl die Liste der Comedyserien anführt.

Auch wenn die Voraussetzungen nicht allzu schlecht scheinen, gilt es zu beachten, dass die Erfolge "30 Rocks", die sinnbildlich in der Trophäe zum Ausdruck kommen, schon länger zurückliegen. So konnte sie seit 2010 nicht mal mehr einen Emmy mit nach Hause nehmen und demnach auch nicht die Kategorie "Beste Comedy-Serie" für sich entscheiden. Passenderweise wird "30 Rock" dicht verfolgt von der Comedy-Serie "Modern Family", die es dieses Jahr insgesamt nur auf 12 Nominierungen bringen kann. Dies ist zugleich die geringste Zahl an Nominierungen in der serieneigenen Geschichte der Emmy-Teilnahme, wobei nicht oder weniger Nominierte diesen Umstand vermutlich in den Bereich "Luxusproblem" einordnen würden. Gleichzeitig könnte der Vorabsieg auf dem Papier "30 Rocks" aber auch ein Vorgeschmack sein und als letztes Aufbäumen des Comedy-Veterans gedeutet werden. Andererseits könnte "Modern Family" bei einem weiteren Sieg den Eindruck des Anbruchs einer neuen Zeit bekräftigen. Besagtes Jahr 2010 wäre dann rückblickend vielleicht umso mehr das Jahr der Trendwende, denn damals stahl "Modern Family" den Arrivierten zum ersten Mal die Show und schubste sie fortan Jahr für Jahr vom Thron: drei Jahre in Folge konnte die ABC-Mockumentary, die diverse Beziehungs- und Lebensmodelle einer Familie vorführt, als Sieger von der Bühne gehen und eine Duftmarke neben den bekannten Comedyserien setzen.

Abseits dieses vermeintlichen Zweikampfs, der sich daher fast auf die Dichotomie "alt"gegen "(mittlerweile) weniger alt" herunterbrechen lässt, könnte auch ein ganz anderer als Sieger hervorgehen. Komplettiert wird die Liste neben "30 Rock" und "Modern Family" nämlich durch "The Big Bang Theory" (CBS), "Girls" (HBO), "Veep" (ebenfalls HBO) und "Louie" (FX Networks). Betrachtet man die in dieser Kategorie Nominierten fällt zudem auf, dass sich dies sogar fast wie im Vorjahr liest. Lediglich "Curb Your Enthusiasm" von und mit Neurotiker Larry David wurde durch "Louie" von und mit Neurotiker Louis C.K. ersetzt - und das vor allem deshalb, weil die HBO-Serie von "Seinfeld"-Macher David, der wie C.K. eine Affinität zum Stand-Up hat, derzeit pausiert. Dies soll die Leistung von Allroundtalent Louis C.K. keineswegs schmälern, der sich im dritten Jahr der Emmy-Teilnahme mit seiner Show, die bei FX Networks beheimatet ist, zum ersten Mal in dieser Kategorie wiederfinden kann. Entwickelt wurde die Sitcom von ihm selbst, gleichzeitig fungiert er auch als Autor, Produzent und Hauptdarsteller, weswegen auch eine mehr oder weniger fiktionalisierte Version seiner selbst im Zentrum steht: ein Stand-Up-Comedian auf den Bühnen New Yorker Clubs und der Bühne des Lebens als frisch Geschiedener und Vater zweier Kinder.

Eine vergleichbare Alleinherrschaft hinsichtlich der Serienidee mit autobiographischen Zügen und des Agierens vor und hinter der Kamera nimmt Lena Dunham bei der HBO-Serie "Girls" ein. Darin mimt sie die New Yorker Mittzwanzigerin Hannah Horvath, die mit Schriftsteller-Ambitionen ausgestattet, unabhängig von der elterlichen Unterstützung durchs Leben gehen muss. Inspiriert von "Sex And The City" wird ihr weiblicher Freundeskreis porträtiert, allerdings unterscheidet sich die Serie durch den Kampf um die Existenzsicherung in einem bohèmischen Umfeld stark von ihr. Wo in der Welt Carrie Bradshaws Hedonismus und Dekadenz herrscht, stolpern die Frauen mit akademischem Hintergrund um Hannah Horvath eher von einer Niederlage zur nächsten, immer umgeben von zur Auswahl stehenden, vielfältigen Optionen. "Girls" ist daher Second-Hand statt Manolo Blahnik, oder Brooklyn statt Manhattan. Bereits letztes Jahr war die Serie mit der Premieren-Staffel in dieser Kategorie vertreten. Ebenfalls erst seit letztem Jahr dabei ist die Serie "Veep", die wie "Girls" bei HBO zu sehen ist. Julia Louis-Dreyfus, die letztes Jahr den Preis in der Kategorie "Beste weibliche Hauptdarstellerin in einer Comedy-Serie" ergattern konnte, schlüpft dabei in die Rolle der US-Vizepräsidentin Selina Meyer (daher auch der Titel "Veep" für die Initialen von Vice President) und zeigt, wie man den Alltag mit wenig politischem Handlungsspielraum mal besser mal schlechter meistern kann.

Und dann wäre da neben den letzten beiden verhältnismäßigen Frischlingen noch ein weiterer alter Hase, bei dem vor allem ProSieben-Zuschauer zusammen mit "Scrubs" und "How I Met Your Mother" mittlerweile die Dialoge auswendig kennen dürften. Gemeint ist nicht die Serie Chuck Lorres "Two And A Half Men", sondern "The Big Bang Theory", die in den letzten beiden Jahren auch schon dort starten durfte, aber den Preis immer "Modern Family" überlassen musste. Generell ist die Ausbeute der Serie nicht die beste, auch wenn die Serie dieses Jahr mit acht Nominierungen bedacht wurde. Jedoch ist auch da eine Steigerung feststellbar, in den Jahren zuvor kam sie nur auf 5. Sollten die CBS-Serie "The Big Bang Theory" und die eingestellte NBC-Serie "30 Rock" leer ausgehen, können sie sich immerhin noch über die Honorierung im Vorfeld freuen. Wer weiß, vielleicht ist das ja sogar die Taktik der Jury, um diese alten Hasen zu besänftigen.