Wenn am Abend des 25. August alle Nominierten den Gang über den roten Teppich bewältigt haben und die Frage, welche Roben für diesen besonderen Anlass ausgewählt wurden, vielfach geklärt ist, wird eine Sache fast ebenso wenig hinterfragt, wie die ungünstige Wirkung von zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken auf den Body-Mass-Index, oder der immense kulturelle Einfluss der NBC-Serie „Seinfeld“ durch den Bruch von Genrekonventionen in den 90er Jahren. Und zwar der Umstand, dass Preisverleihungen immer auch auf eine Reduktion der TV-Komplexität in Form von Kategorisierung setzen, woraus beispielsweise die drei wichtigen Riegen "Beste Drama-Serie", "Beste Comedy-Serie" - und durch den Boom von erzählerisch abgeschlossenen Serien - "Beste Mini-Serie" hervor gehen. Auf dem Papier erscheint also alles ziemlich einfach und nachvollziehbar. Jedoch wusste angeblich schon Mark Twain, dass Komik das Ergebnis von Tragik plus Zeit ist und auch James Thurber sah in der Komik die Kehrseite der Tragik. Wenn also Komik lediglich Tragik in Spiegelschrift ist, ist eine eindeutige Klassifizierung dann überhaupt möglich?

Die Antwort muss wohl lauten: nein, ist sie nicht. Aber hinterherschieben könnte man zugleich: zum Glück! Sichtbar wie lange nicht mehr, wird dies vor allem dieses Jahr, bei den 66. Primetime Emmy Awards, beim Blick auf die Nominierten im Bereich Comedy. Dort findet sich nämlich ein Neueinsteiger wieder, der aus dem Hause Netflix stammt und deren Hauptdarstellerin, beziehungsweise ihre schauspielerische Leistung, noch bei den diesjährigen Golden Globes in der Drama-Kategorie bewertet wurde. Nun findet sich die Serie "Orange Is the New Black" über die zu einer Haftstrafe in einem Frauenknast verurteilte Piper Chapman in der Kategorie "Beste Comedy-Serie" wieder, was jedoch auf die alleinige Entscheidung der Produzenten zurückgeht. Denn bei den Emmys entscheiden die Köpfe hinter der Leinwand darüber, in welcher Kategorie sie antreten wollen.

An den Start geht die Netflix-Serie nun also nicht in der etwas härter umkämpften und gerne als Königskategorie bezeichneten Klasse "Beste Drama-Serie", sondern sie geht in diesem ersten Jahr direkt mit beachtlichen 12 Nominierungen in der Schwesterkategorie "Beste Comedy-Serie" ins Rennen. Zum Vergleich: "House of Cards", das den Beginn der Emmy-Teilnahme des Streamingportals markierte, wurde im Vorjahr mit neun Nominierungen bedacht - ein Anlass, bei dem sich ein Serien-Ehepaar wie die ambitionierten und unterkühlten Underwoods sicherlich ausnahmsweise auch mal zu einem Freudenlächeln im Keller hinreißen lassen würde. Für die Comedy-Serie gab es nun direkt drei Nominierungen mehr – wenn auch in einem anderen Fach. Und auch im Bereich der besten weiblichen schauspielerischen Leistung ist die Protagonistin von „Orange Is the New Black“ vertreten. Taylor Schilling wird unter anderem gegen die ebenfalls nominierte Vorjahressiegerin Julia Louis-Dreyfus ("Veep"), die Siegerin aus dem Jahr 2011, Melissa McCarthy ("Mike & Molly"), die Gewinnerin aus dem Jahr 2010, Edie Falco ("Nurs Jackie"), und die seit fünf Jahren für ihre Rolle als Leslie Knope nominierte, aber bisher immer leer ausgegangene Amy Poehler ("Parks And Recreation") um den Sieg wetteifern.

Ähnlich wie Amy Poehler, die durch das nahende Ende der NBC-Mockumentary "Parks And Recreation" nach sieben Staffeln das letzte Mal die Chance hat, für diese Rolle eine Trophäe ergattern zu können, aber bislang keine Dankesrede auf der Bühne halten durfte, ergeht es auch der sechsten im Bunde der Nominierten, Lena Dunham. Das Allroundtalent stand trotz der insgesamt acht Nominierungen in diversen Kategorien bislang immer mit leeren Händen da. Überhaupt wurde die HBO-Serie "Girls" ziemlich von den Mitgliedern der Akademie geschnitten, so dass sie es dieses Jahr noch nicht mal auf die Liste der sechs Nominierten geschafft hat. Den Schnitt von fünf Nominierungen der letzten beiden Jahre konnte die gerne als unglamouröse Version von "Sex and the City" bezeichnete Serie nicht halten - aber immerhin können sich die beiden verbliebenen Berücksichtigungen sehen lassen. Eine Nominierung in der Kategorie "Bester Nebendarsteller in einer Comedy-Serie" erhielt nämlich auch Adam Driver, womit das On-Off-Paar aus "Girls", Hannah Horvath und Adam Sackler, zumindest bei den Emmys gemeinsam vertreten ist.

Und auch eine weitere Überraschung hatten die Mitglieder der Akademie parat: der Triumphator der Golden Globes, "Brooklyn Nine-Nine", fand ebenfalls keine Erwähnung in dieser Kategorie - lediglich Andre Braugher kann auf eine Auszeichnung für seine Leistung als bester Nebendarsteller hoffen. Doch für wen haben sich die Abstimmungsberechtigten dann sonst noch neben "Orange Is the New Black" entschieden? Die Liste liest sich dabei fast wie die aus dem Vorjahr. "Modern Family" geht erneut ins Rennen im Kampf um die goldene Dame und hat durch vier Siege in Folge damit die Möglichkeit, Geschichte zu schreiben. Bislang gelang es nur der NBC-Serie "Frasier" fünf Mal in Folge mit dieser Auszeichnung bedacht zu werden. Diesem Eintrag für die Geschichtsbücher steht jedoch folgender Abwärtstrend entgegen: in diesem Jahr befindet sich das Nominierungskonto mit insgesamt zehn möglichen Siegen auf dem Tiefststand. Zudem dominieren die Darsteller der Ensemble-Serie nicht mehr so sehr wie im Vorjahr die Kategorien der besten Nebendarsteller und Nebendarstellerinnen. “Nur“ noch Ty Burrell, Julie Bowen und Jesse Tyler Ferguson wurden bedacht - die Namen Ed O'Neil und Sofia Vergara sucht man in den jeweiligen Kategorien dieses Jahr vergeblich.

Auf dem aufsteigenden Ast befindet sich im Gegensatz dazu die HBO-Serie "Veep", die ihren Wert dieses Jahr im Vergleich zum ersten Jahr der Emmy-Teilnahme sogar verdreifachen konnte. Auf neun Nominierungen - und damit eine Nominierung weniger als "Modern Family" - bringt es die Serie mit Ex-"Seinfeld"-Darstellerin Julia Louis-Dreyfus, die als Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika meist an den eigenen Ansprüchen und gemeinsam mit ihrem Mitarbeiterstab scheitert. Louis-Dreyfus selbst könnte mit dem dritten Preis in Folge für ihre Rolle als Selena Meyer zudem ebenfalls die eigene Emmy-Bilanz auffrischen. Ein Jahr länger dabei als "Veep", das im Jahr 2012 seinen Einstand feierte, ist die autobiografisch angelehnte FX-Network-Serie "Louie" von und mit Stand-Up-Comedian Louis C.K. Nachdem sich der Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur und Produzent zwischen den letzten beiden Staffeln eine längere Pause auf dem Bildschirm, nicht aber bei den Emmys gönnte, zählt die in New York spielende Serie in diesem Jahr fünf Nominierungen. C.K. spielt darin seit mittlerweile vier Staffeln eine mehr oder weniger fiktionalisierte Verison seiner selbst, wobei sich die Serie immer stärker von einer vorhersagbaren Sitcom entfernt und vermehrt das Spiel der Vermischung von Komik und Momenten der Tiefe und Rührung eingeht. Natürlich befindet sich unter den fünf Nominierungen auch wieder eine als bester Hauptdarsteller für das Mastermind hinter "Louie".

Auch bei einer weiteren Personalie fällt diese Vermischung aus tragischer Komik ins Auge. In der Kategorie "Bester Hauptdarsteller in einer Comedy-Serie" findet sich der Name William H. Macy wieder, der in der Showtime-Serie "Shameless" den sechsfachen Vater Frank Gallagher mimt. Die Erziehung überlässt er lieber seiner ältesten Tochter Fiona, um sich stattdessen dem Alkohol und Versagen widmen zu können. In den drei Jahren zuvor wurde "Shameless" noch im Bereich der Drama-Serien eingereicht, allerdings entschied sich Produzent John Wells nun um, da er diese schon immer eher als Comedy klassifizierte. Antreten werden C.K. und Macy zudem gegen die letztes Jahr ebenfalls nominierten Don Cheadle ("House of Lies") und Matt LeBlanc ("Episodes"), oder auch Ricky Gervais ("Derek"), der es überraschenderweise für seine für Channel 4 produzierte Mockumentary geschafft hat, nominiert zu werden. Grund dafür ist jedoch die zusätzliche Ausstrahlung der zweiten Staffel bei Netflix im relevanten Zeitraum vom 01. Juni 2013 bis 31. Mai 2014. Und dann wäre da ja noch der Sieger aus dem Vorjahr Jim Parsons ("The Big Bang Theory"), der den Preis für diese Rolle bereits zum vierten Mal mit nach Hause nehmen könnte.

Apropos "The Big Bang Theory": Auch wenn "Orange Is The New Black" nicht so düster erzählt ist wie der ebenfalls mit 12 Nominierungen an den Start gehende Neueinsteiger im Bereich der Drama-Serien "True Detective", so ist sie doch inhaltlich und formal auch ziemlich weit entfernt vom in dieser Kategorie ebenfalls nominierten "The Big Bang Theory". Die beim Publikum sehr erfolgreiche CBS-Serie von Chuck Lorre über die relativ stereotyp gezeichneten Freunde mit akademischem Background und wenig sozialer Intelligenz ist dieses Jahr für sieben Emmys nominiert. Dagegen, dass es nach den vier Jahren Nominierung in Folge endlich mit dem Sieg in der Kategorie klappen wird, hat jedoch noch ein weiterer Kandidat etwas einzuwenden. Der zweite Neuling in diesem Feld, der mit fünf Nominierungen an den Start geht, ist die Serie „Silicon Valley“. Auch wenn die Konstellation der HBO-Serie auf den ersten Blick einige Parallelen zu "The Big Bang Theory" aufweist - fünf hochtalentierte Softwareentwickler mit mehr oder weniger sozialen Schwächen, die im Silicon Valley durchstarten möchten - kann man diese sicherlich nicht als Nachahmer der Network-Serie einstufen.

Es lässt sich also eine gewisse Konstanz bei den Nominierten im Comedy-Bereich feststellen, aber trotzdem gibt es hier und da Veränderungen, die auch auf einen Mangel an Trennschärfe verweisen und die Comedy neu würzen, ohne dass ein Format dabei so deplatziert in dieser Kategorie wirkt, wie Fernanda Brandao einst auf dem Expertenstuhl beim Sport1-Fußballstammtisch am Sonntagmorgen. Und damit wieder zurück zur wohl am besten als Dramedy zu bezeichnenden Serie „Orange Is the New Black“, von der momentan zwei Staffeln bei Netflix verfügbar sind. Ein Teil der Emmys wurde schon eine Woche vor dem Abend des 25. August bei den „Creative Arts Emmys“ überreicht. Gut abgeschnitten hat die Serie dort bereits – neben dem Preis für das beste Casting, das beste Picture-Editing, konnte auch Uzo Aduba den Preis für ihre Rolle der Suzanne „Crazy Eyes“ Warren als beste Gastdarstellerin entgegen nehmen. Eine Portion Drama kann demnach nicht schaden – bleibt abzuwarten, ob die rund 15.000 abstimmungsberechtigten Academy-Mitglieder die wunderbare Symbiose aus Tragik und Komik auch bei der großen Gala am Montag honorieren werden.