"I'm not the kind of person who has best friends". Welcher Präsident im Serienuniversum hat's gesagt? Wer fünf Euro auf Frank Underwood wettet, kann diese ebenso gut in Stücke reißen und anschließend zum Puzzeln verwenden. Von Alphatier Underwood ausgehend, muss man in eine Zeit zurückreisen, in der Netflix noch DVDs und Blu-rays an seine Abonnenten verschickte und keine Konkurrenz für die Networks und anderen Sender darstellte. Wir befinden uns kurz vor dem Millenium bei NBC. Gesagt hat es der erste Mann im Staate, Josiah Bartlet. Kurz zur Erinnerung: Erschaffen wurde dieser Serien-Präsident von Aaraon Sorkin ("The Newsroom") für die sieben Staffeln umfassende Drama-Serie mit Fokus auf die Gebaren des Politzirkus' "The West Wing". Verkörpert wurde er von Martin Sheen.

Wenn Frank Underwood charakterlich Nordkorea ist, könnte man Josiah Bartlet die Schweiz zuordnen. In gewisser Weise neutral und weniger Angst einflößend. Er wird für seinen respektvollen Umgang von seinem Stabschef gelobt und scheut sich nicht, Fehler einzugestehen und Mitgefühl zu zeigen. Frank Underwood hingegen blickt in "House of Cards" immer scharf in Richtung Spitze der Macht und ordnet dieser knallhart alles unter: Intrigen sind ein probates Mittel, Mord ist eine Option und die eigene Ehefrau fungiert als weiterer Ball im Strategie-Spiel für den 46. Präsidenten. Das obige Zitat passt insofern eigentlich viel besser zum von Kevin Spacey verkörperten Staatsoberhaupt, als zum Gutmensch-Präsidenten Bartlet. Und doch eint beide präsidialen Serienfiguren eines, das sich an der Schnittstelle zur Realität befindet.

 

Martin Sheen gelang es in sieben Jahren nicht einmal, einen Emmy für seinen Präsidenten abräumen zu können. Nominiert war er mit Ausnahme des Jahres 2005 immer in der Kategorie der besten Hauptdarsteller in einer Drama-Serie. Tragisch ist diese Emmy-Geschichte für Sheen vor dem Hintergrund, dass "The West Wing" äußerst erfolgreich als Serie an sich war. Sie schaffte ebenso wie "Mad Men" das Kunststück, vier Mal in Folge die Kategorie "Beste Drama-Serie" für sich zu entscheiden. Von 2000 bis 2003 konnte der NBC-Serie niemand das Wasser reichen - noch nicht mal die "Sopranos". Doch zurück zu Nordkorea: Frank Underwood konnte zwar das politisch wichtigste Amt erklimmen, was Kevin Spacey jedoch bislang ebenso verwehrt blieb, ist ein Sieg in der Kategorie für die beste schauspielerische Leistung im Drama-Segment für seine Rolle.

Dabei hatte er bereits drei Mal die Möglichkeit dazu: von 2013 bis 2015 war er immer einer der Auserwählten und trat an, um als Sieger hervor zu gehen. Doch Jeff Daniels, Bryan Cranston, der für seinen Walter White ganze vier Mal erfolgreich war, und zuletzt Jon Hamm hatten etwas dagegen. Und auch mit Jon Hamm verbindet Kevin Spacey in gewisser Hinsicht etwas: für seine Verkörperung des Alphatiers und Anzugträgers Don Draper war dieser ganze acht Mal nominiert und erst im vorigen Jahr und damit im letztmöglichen Anlauf hat es geklappt. Dass sich langes Warten auszahlen kann, dürfte also der Fall Hamm zeigen. Auch wenn das Feld in diesem Jahr nicht einfacher sein dürfte, so können zumindest die Gewinner der letzten drei Jahre mangels Ruhestands der Serienfiguren nicht mehr antreten. Bei der Gala am 18. September wird der Preis in jedem Fall an einen Herren ausgehändigt, der bislang noch nicht für seinen seriellen Charakter ausgezeichnet wurde.

Passenderweise teilt das gleiche Schicksal Robin Wright, Frau Underwood. Auch sie kann sich bislang noch keine Gedanken darüber machen, wo sie den Emmy für diese Rolle hinstellt, weil sie bislang immer leer ausging. Ihrem Serien-Ehemann steht sie in Sachen Machtstreben in wenig nach. Der weibliche Teil des nach den letzten 13 Folgen den Titel "Ehepaars des Terrors" verdient habenden Duos gesellt sich zum Abschluss der vierten Staffel auch in formaler Hinsicht zu ihrem Mann, indem sie ebenfalls die vierte Wand durchbricht und zwar noch nicht zum Zuschauer spricht, ihn aber direkt anblickt. In der Serie auf einer Stufe angekommen, stellt sich für die Emmys nun die Frage, ob Robin Wright für ihre Verkörperung der Claire Underwood bei der 68. Emmy-Verleihung Kevin Spacey davon ziehen kann, oder es sogar einen Doppelsieg geben könnte. Dass beide erneut leer ausgehen, wäre aus dem strategisch geschulten Blick der Charaktere die denkbar schlechteste Option. Dagegen hat in der Frauenkategorie unter anderem aber nicht nur Vorjahressiegerin Viola Davis etwas, sondern auch Claire Danes, die Robin Wright die Trophäe 2013 wegschnappte.

Anders sah dies in der Vergangenheit übrigens bei der Preisverleihung aus, die die Mitglieder der Hollywood Foreign Press zu verantworten haben. Vor drei Jahren machte Robin Wright den Anfang und durfte den entsprechenden Golden Globe in Empfang nehmen. Im Folgejahr konnte Kevin Spacey in der Kategorie "Bester Serien-Darsteller - Drama" jubeln. Enttäuschung war jedoch sowohl bei den Golden Globes als auch bei den Emmys bislang in der Königsdisziplin "Beste Drama-Serie" angesagt. Noch nie konnte sich die Serie "House of Cards" auf diesem Feld durchsetzen. Dabei schrieb die Netflix-Serie im ersten Jahr der Teilnahme Geschichte, weil sie die erste nominierte Serie war, die nicht im Fernsehen lief, sondern nur via Streamingdienst zum Abruf bereits stand. Ein Meilenstein in der Emmy-Historie. Ob die Underwoods weiterhin sieglos bleiben, oder ob der Bann gebrochen wird, bleibt noch abzuwarten. Mit leeren Händen steht die Netflix-Produktion zumindest schon mal nach den Creative Arts Emmys da. Was helfen könnte, wäre vermutlich eine kleine Intrige. "We don't submit to terror. We make the terror". Wer hat's gesagt? Genau! Fünf Euro auf Frank Underwood.