Die Kategorie "Outstanding Variety Talk Series" (bzw. bis zur Aufsplittung 2014 "Outstanding Variety Series") war viele Jahre lang nicht unbedingt eine, auf die man Fingernägelkauend hingefiebert hätte. Seit 2003 haben die Late-Night-Formate von Comedy Central den Sieg stets unter sich ausgemacht. Von 2003 bis 2012 nahm ohne Unterbrechung Jon Stewart für seine "Daily Show" den Emmy mit nach Hause, 2013 und 2014 war dann mal der "Cobert Report" dran, ehe im vergangenen Jahr Jon Stewart angesichts seines Abschieds nochmal die goldene Trophäe verliehen bekam.

In diesem Jahr hingegen werden die Karten nun völlig neu gemischt. Jon Stewart hat seine "Daily Show" bekanntlich abgegeben, auch den "Colbert Report" gibt's nicht mehr, weil Stephen Colbert die Letterman-Nachfolge bei CBS angetreten hat. Jon Stewarts Nachfolger Trevor Noah müht sich zwar redlich und liefert durchaus sehenswerte Sendungen ab, doch die Show hat einen guten Teil ihrer Zuschauer eingebüßt - und mehr noch: Sie findet in den öffentlichen Medien auch kaum noch Aufmerksamkeit. Da scheint es nur folgerichtig, dass der Emmy-Dauergewinner "Daily Show" nach dem Moderatoren-Wechsel erstmals seit 2001 sogar auf dem Nominierungszettel fehlt. Auch Stephen Colbert hat es an neuem Wirkungsort bislang nicht so recht geschafft, außerhalb der Rolle, die er im "Colbert Report" gespielt hat, seinen Platz zu finden und ist daher ebenfalls nicht mit dabei.

Die Frage ist also: Wer kann das Erbe, insbesondere von Jon Stewart, antreten? Beste Chancen hat einer, dessen Heimat viele Jahre lang die "Daily Show" war. John Oliver war dort als "Auslandskorrespondent" im Einsatz und gehörte zum Autorenteam der Sendung - wofür er gemeinsam mit anderen auch schon drei Mal einen Emmy erhalten hat. Hätte Jon Stewart seinen Abschied früher bekannt gemacht, wäre er wohl auch einer der heißesten Kandidaten auf seine Nachfolge gewesen, zumal er ihn während Stewarts Auszeit auch schon vertreten hat. Doch John Oliver hatte schon zuvor ein Angebot von HBO für eine eigene Show angenommen: "Last Week Tonight".

Dort hat er den Vorteil, nicht täglich auf Sendung gehen zu müssen. Dafür kann er sich auch sperrigen und nicht so einfachen Themen ausführlich nähern - und so mit viel Wortgewalt und Witz Missstände aufzuzeigen und Aufsehen zu erregen. In bester Erinnerung ist etwa, wie er sich des irrwitzigen Handels mit Schuldtiteln annahm. Rechnen die Banken ohnehin nicht mit einer Rückzahlung, verkaufen sie diese für wenig Geld an Inkassofirmen weiter. So kaufte er für 60.000 Dollar das Recht, ausstehende Arztrechnungen im Wert von knapp 15 Millionen Dollar eintreiben zu dürfen, erließ sie kurzerhand den rund 9.000 Schuldnern und feierte das größte Geschenk in der Geschichte des Fernsehens. Doch auch die FIFA, Erdogan, Netzneutralität, Trump machte John Oliver schon zum Thema.

Blickt man auf die Historie zurück, dann ist es genau das, was den Academy-Mitgliedern in den letzten Jahren gefallen hat. Ein Schluss, zu dem auch Jimmy Kimmel gelangt ist, der mit seiner ABC-Late-Night ebenfalls nominiert ist, aber John Oliver für den Favorit hält: "I think he’s very funny, and I think he’s hitting on serious subjects and I think that’s the kind of thing that seems award-worthy", sagte er kürzlich in einem Interview. Den Emmy für die besten Autoren hat sein Team ohnehin bereits abgeräumt.

Um auch mit dem Format an sich zu gewinnen, muss er sich nicht nur gegen Jimmy Kimmel und den Late-Night-Marktführer Jimmy Fallon durchsetzen, sondern bekommt es auch noch mit einem Newcomer zu tun: James Corden. Der bis vor kurzem in den USA noch fast unbekannte Corden hat es insbesondere mit "Carpool Karaoke", aber auch mit anderen Reihen wie "Drop the Mic" geschafft, zum angesagtesten Late-Night-Talker auf YouTube zu werden. Dieses Momentum spricht für ihn - allerdings ist das Primetime-Special von "Carpool Karaoke" bereits mit einem Emmy ausgezeichnet worden. Das und die Frage, ob die Academy-Mitglieder nicht doch auf ein Format, das mehr gesellschaftliche Relevanz mitbringt setzt, machen ihn letztlich eher zu einem Außenseiter im Rennen um den Emmy als "Outstanding Variety Talk Series".

Die größte Überraschung wäre - neben "Real Time With Bill Maher" - aber wohl, wenn es "Comedians in Cars Getting Coffee" auf den Emmy-Thron schaffen würde. Die Reihe läuft seit 2012 bei Crackle", einem Streaming-Dienst von Sony und brachte es vor allem durch seinen Moderator zu größerer Aufmerksamkeit: Jerry Seinfeld. Trotzdem: Schon die Nominierung nach acht Staffeln kam unerwartet und darf als große Ehre gelten.