Es fühlt sich komisch an, wenn man jemandem wie Volker Herres zur Seite springen muss. Der ARD-Programmdirektor meinte sich in der vergangenen Woche rechtfertigen zu müssen für die Programmierung des „George“-Films am kommenden Mittwoch. Respektlosigkeit hatten irgendwelche unterbeschäftigten Schauspieler beklagt, weil das Erste den dollen Film über Heinrich George im Sommerloch versende. Wahrscheinlich sind es dieselben Berufsempörer, die maulen, dass im Juli und August so wenige Neuproduktionen auf Sendung gehen. Aber der große Götz George höchstpersönlich hatte die Vorlage geliefert, und wenn der etwas zu kritisieren hat, dann kann sich ein jeder anschließen, ohne ein großes Risiko einzugehen. George hätte den Film lieber im Oktober platziert gesehen und nicht im Juli. Als man nicht auf ihn hörte, hat er wieder mal gemosert. Keiner sehe nun seinen Film. Maul, klag, jammer. Er hat gemosert, wie er das eigentlich immer tut.

Das Mosern gehört bei George zum Programm. Es scheint, als lese er bewusst seine Verträge nicht, damit er hinterher an irgendetwas herum kritteln kann. Der große Götz weiß halt, dass man Aufmerksamkeit nicht mit wohl gewägten Erklärungen erreicht, sondern nur, wenn es kracht. In der Hinsicht spielt er, man denke nur mal an seinen legendären „Wetten, dass…?“-Auftritt, beinahe schon in der Bushido-Liga.

Aber wahrscheinlich denkt George vom Ergebnis her, und da stimmt ja auf den ersten Blick alles. Wer jetzt noch nicht weiß, dass an diesem Mittwoch der „George“-Film läuft, bekommt eh nichts mit. Es werden also schon einige einschalten. Indes werden auch etliche vor Ablauf der 113 Minuten wieder abschalten, denn „George“ ist zwar eine sehr ordentliche Produktion, die mit allerlei Erkenntnis aufwarten kann, leider ist sie fehlbesetzt. Die Fehlbesetzung heißt Götz George. Der arbeitet sich an der Rolle des Heinrich George ab. Er will sein Vater sein und bleibt doch in jeder Spielminute der unzulängliche Sohn. Ganz am Schluss sagt er als Zeitzeuge einen Satz von großer Weisheit. „Du warst halt immer besser, besessener.“ Der Satz geht an den 1946 im sowjetischen Lager Sachsenhausen gestorbenen Vater.

Um dessen Leben und Wirken geht es in diesem Dokudrama, in dem der Regisseur und Autor Joachim A. Lang sehr kunstvoll originale Filmszenen mit Spielsequenzen und Zeitzeugenstatements vermengt. Der große Heinrich George ist in Aktion zu sehen, und schon nach wenigen Sekunden seines Auftretens wird deutlich, wie groß er wirklich war. So groß, dass sein Sohn Götz daneben zur kläglichen Miniatur schrumpft. „Die Bestandsaufnahme wird schwer fallen vor dem Alten“, hatte der schon früh erkannt, sich aber trotzdem hineingestürzt in ein Abenteuer, bei dem er derart versagt, dass es tatsächlich am Sockel des großen Götz-George-Denkmals bröckeln könnte.

Man sieht Heinrich George, wie er ungeheuer wandlungsfähig agiert, wie er seine Stimme spielen lässt, mal weich, mal schroff. Man spürt rasch, warum er so viele Menschen für sich einzunehmen wusste. Und dann spielt Götz die Rolle des Heinrich, erst auf der großen Bühne und in den Büros der Nazigrößen, später im Verhör der sowjetischen Besatzer und im Lager. Er strauchelt. Allein die Stimme. Götz röchelt, heisert und nuschelt sich durch die Szenen. Ohne eine besondere Variation im Ausdruck bleibt er immer der Götz George, der sich bemüht, jemand anders zu sein. Es quillt das Pathos aus allen Poren, und man spürt, wie dieser Götz manchmal vor lauter Selbstbesoffenheit kaum noch laufen kann.

Jedem anderen hätte man irgendwann während der Dreharbeiten gesagt, dass sein Spiel unzulänglich ist, dass er zu klein ist für diese große Rolle. Vielleicht hätte man es ihm schmackhaft gemacht mit der Ansage, dass er nun mal ein anderer Typ Schauspieler sei. Einem Götz George kann man so etwas wohl nicht sagen. Hätte man es getan, das Getöse wäre wohl in die deutsche Film- und Fernsehgeschichte eingegangen. Man unterstellt einem Götz George kein Unvermögen. Wahrscheinlich hätte er in seiner Empörung wieder einmal von der Unredlichkeit seiner Kritiker gesprochen. Wer ihn kritisiert, der ist unredlich. So ist das im Kosmos George.

Das Versagen des Hauptdarstellers verstellt indes den Blick auf die eigentliche Absicht des Dokudramas. Es zeigt, wie Heinrich George in den 20er- und 30er Jahren zu einem ganz großen deutschen Schauspieler wird, wie er sich trotz anfänglichen Widerwillens ein bisschen zu eng an die Nazis bindet und die Sowjets ihn nach dem Krieg genau deswegen ins Lager stecken. Man erfährt so einiges, vor allem von den Zeitzeugen, zu denen auch Götz George und sein Bruder gehören. Als Zeitzeugen bereichern sie den Film, fügen sie ihm etwas hinzu. Als Spieler nimmt Götz es der Produktion wieder weg.

Wie schauspielerische Klasse geht, zeigt ein anderer. Martin Wuttke, der sonst als Leipziger „Tatort“-Kommissar Keppler mit seiner stets mürrischen Miene nervt, spielt Joseph Goebbels mit einer Perfidie, die ihresgleichen sucht. Er lässt das Hundsgemeine im Charakter nur durchschimmern, bleibt leise, aber gerade das erzeugt eine große Wirkung.

So ist „George“ am Ende ein leider nur halbgelungenes Lehrstück über die Verführbarkeit von Schauspielern. In Erinnerung bleiben wird es als jener Punkt, da die Hybris des einst großen Götz George in pures Unvermögen mündete. Götz George kann froh sein, wenn das nicht allzu viele Menschen mitbekommen.