Es läuft etwas grundlegend falsch bei RTL, wenn man eingeschaltet hat, um die ultimative Chart Show rund ums Thema Abba zu schauen und dann in jeder Werbepause beim Johannes-B.-Kerner-Quiz im ZDF landet und gar nicht mehr zurück will. Noch schlimmer wird es, wenn man beim nächsten Wegzappen sogar im Ersten landet und das Aufeinandertreffen von Florian Silbereisen und der wieder singenden Möhre Mirja Boes viel sehenswerter findet als das ursprünglich geplante Programm. Ein guter Medienarzt muss her. Seine Diagnose: Schadshow-Allergie im fortgeschrittenen Stadium.

Der Auslöser dieser Schadshow-Allergie ist schnell ausgemacht. Es ist ein Moderatorikum mit dem Namen Oliver Geissen. Man erkennt es sehr leicht an den Bandwurmsätzen, bei denen Leerstellen zwischen den Worten kurzerhand wegfallen. „Meinedamenundherrenhierdienächstenplatzierungenplatzdreiundzwanzig bis einundzwanzig“, sagt Geissen. Nein, er sagt das nicht. Er nuschelt das weg auf eine Art, die nur er beherrscht. Er schleimt die Bestandteile eines Satzes solange zusammen, bis nicht mehr klar ist, wo der Anfang und wo das Ende ist. Ich habe Geissen deshalb früher mal gleitcremig genannt. Nach Ansicht der Abba-Show bin ich der Meinung: Ich habe untertrieben.

Wollte man ihm gut, würde man seine laxe Art lässig nennen und bewundern, wie er sich da auf der Couch fläzt und einem spät reingeschneiten Partygast nicht unähnlich „Was geht ab, Mann“ fragt. Auf Partys fällt es schwer, so etwas zu ignorieren, im Fernsehen fällt das etwas leichter.

Das liegt daran, dass Oliver Geissen auf den ersten Blick wirkt wie die ideale Fernsehdiät. Man sieht ihn, versucht das, was er sagt, zu behalten, aber es gelingt nicht. Kaum ist er weg, weiß man nicht mehr, was er gesagt hat. Wäre er ein Lebensmittel, könnte man beliebig viel von ihm essen, aber auf der Waage zeigte sich hinterher keinerlei Auswirkung.

Oliver Geissen ist ideal fürs RTL-Programm, wo das Programm in der Regel wichtiger ist als der Moderator, wo es gerne gesehen wird, dass niemand sich zu sehr in den Vordergrund spielt, weil dann der Sender in die Abhängigkeit von seinen Präsentatoren geriete und man diese nicht mehr einfach so ersetzen könnte. Einen wie Oliver Geissen könnte man auf seiner Couch jederzeit ersetzen. Durch Daniel Hartwich vielleicht. Oder durch Marco Schreyl. Oder durch Siri im Til-Schweiger-Nuschelmodus. Der Effekt wäre immer derselbe und ließe sich gut als Frage formulieren: War da was? Nein, da war nichts.

„Siehabenschoneinigefaktengehörthiersindweitere.“ Natürlich funktioniert diese aktuelle Schadshow rund um das Thema Abba wie all die hundert Millionen Ausgaben vorher schon. Da laufen die größten Hits, und irgendwer sagt, dass das die größten Hits waren. Dann wird irgendein Fakt ausgebreitet, und danach erscheint ein Verhaltensauffälliger, der es nötig hat, im Bild und sagt nochmal, was gerade schon gesagt wurde. Natürlich ist ein Dschungelkönig dabei, und auch diese Oliver-Kahn-Gespielin aus dem ZDF-Sportstudio sondert dünnen Senf ab. Dann tauchen auch die Geissens auf, die Millionärsproleten, die nicht mit Oliver Geissen verwandt sind, ihm aber in Sachen Überflüssigkeit durchaus das Wasser reichen können.

Gerne werden auch Informationen geliefert, die es eine Stunde später noch einmal gibt. Macht ja nichts. Wer so doof ist und RTL einschaltet, wird schon nicht in der Lage sein, nachzuhalten, was vorher war. Was vorher war, ist halt weg, weshalb so eine Schadshow im Prinzip auch mit drei, vier Geissen-Sätzen auskäme. Den Unterschied würde kaum jemand zur Kenntnis nehmen.

Schon gar nicht die Couch-Besetzer. Da werden allen Ernstes Jens Riewa, Jorge Gonzalez und Rebecca Mir als Abba-Experten aufgefahren. „Die sind wirklich gut“, darf Jorge sagen, und Jens Riewa erzählt was von Komplexität von Kompositionen. Ich bin mir nicht sicher, ob er das, was er da von sich gibt, wirklich überblickt.

„Dieplatzierungsiebzehnbissechszehnbitteschön.“ Natürlich wird ganz oft Kult gesagt, es stehen Partyspielchen auf dem Programm, die man höchstens bekifft aushält, und das sehr zu bedauernde Studiopublikum muss andauernd aufstehen und klatschen, was die Patschehändchen hergeben. Am Ende ist dann „Fernando“ die erfolgreichste Abba-Single aller Zeiten. Irgendwer hat das zusammengerechnet. Ob es stimmt? Wurscht. So wurscht wie Oliver Geissen die ganze Show zu sein scheint.

Eigentlich sollte ja Thomas Gottschalk eine große zweiteilige Abba-Show zum „Waterloo“-Jubiläum, also zu 40 Jahre danach, moderieren. Das Projekt wurde von RTL auf die lange Bank geschoben, weil keines der ehemaligen Abba-Mitglieder Zeit oder Lust hatte, in einem RTL-Studio aufzulaufen. Ich fürchte, wenn die Vier oder irgendein Verantwortlicher aus dem Abba-Kosmos diese Show zu sehen bekommen, wird sich daran so schnell nichts ändern.