Ich hatte letztens einen ziemlich erschreckenden Traum. Ich sah mich gefangen in einem grünen Raum. Um mich herum nur Grün, und vor mir nichts weiter als ein Monitor und eine Kamera. Und ein Redakteur, der mich zwang, mir Dinge auf dem Monitor anzuschauen und zu kommentieren. Ob ich verstand, was ich sah, war egal. Der Redakteur flüsterte mir in solchen Fällen zu, was ich zu sagen hatte und ich plapperte brav nach.

Ich sah also Bilder von Christiane Nüsslein-Volhard und wusste spontan nichts mit dieser Dame anzufangen. Ich guckte wohl sehr dumm, weshalb der Redakteur mit den Zähnen knirschte und mir „Hat den Nobelpreis für ihre Forschungen über die genetische Kontrolle der frühen Embryonalentwicklung gekriegt“ zuraunte. Ich wollte dann ein braver Junge sein und habe geguckt, als sagte mir das Bild etwas. „Die hat doch den Nobelpreis für ihre Forschungen über die genetische Kontrolle der frühen Embryonalverwicklung gekriegt“, habe ich dann nachgeplappert, und der Redakteur war zufrieden. Später im Traum sah ich dann, was man aus meiner Aussage gemacht hatte. Ich klebte in einer Ecke des Bildschirms, und immer wieder wurden meine Worte abgespult. Aber nicht alle, nur mein Versprecher. Immer wieder sah ich mich „Embryonalverwicklung“ sagen. Immer wieder „Embryonalverwicklung“. Es war gruselig.

Ich weiß also jetzt, wie sich jene Menschen fühlen müssen, die immer wieder in die Greenbox müssen. Ich glaube, ich beleidige niemanden wirklich, wenn ich behaupte, dass sich in den Greenboxen dieser Fernsehwelt vor allem das mediale Prekariat präsentiert, also jene, deren Karriere im besten Fall noch vor der Zündung steht oder aber, wie in den meisten Fällen, bereits seit Jahren im Verwelken begriffen ist. Wenn „Exclusiv“ oder „Brisant“ nichts mehr oder noch nichts von mir wissen wollen, dann muss ich in die Greenbox. Dann werden mir Ausschnitte vorgespielt, die ich zu kommentieren habe. Ob ich Ahnung von der Materie habe oder nicht, spielt keine Rolle. Hauptsache, ich sage was.

Das, was ich sage, wird dann so zurecht geschnitten, dass es in die Sendung passt. Dabei werden Aussagen verkürzt, zerschnibbelt, neu zusammengesetzt. Das könnte große Kunst sein, von wegen Collage und so. Aber am Ende ist es dann doch wieder nur Rankingshow. In der sitze ich dann in einer Bildecke und gucke dumm. Dann rede ich dumm. Und nach und vor mir sagt Joachim Llambi was. Oder Motsi Mabuse. Oder irgendwer aus irgendeiner Soap, die ich nicht kenne und auch nicht kennenlernen will.

Wie tief muss man sinken, um sich dahin zu stellen, sich aller Rechte an seinen Aussagen zu entäußern und auf einen Hauch von Prominenz zu hoffen? Klare Antwort: Man muss sehr tief sinken. Oder bei RTL arbeiten. Da muss man dann mitmachen. Steht bestimmt im Arbeitsvertrag, Paragraph drei, Absatz vier: RTL-Mitarbeiter sind verpflichtet, sich ab und an öffentlich zum Horst zu machen oder sich zu einem ebensolchen machen zu lassen.

Komme mir nun niemand mit der Aussage, dass ja auch Günther Jauch ab und an in der Bildecke auftaucht. Der tut das in der Regel nur, wenn seine Firma die Sendung produziert, wenn er also mit dem Mist richtiges Geld verdient. Vor allem wird Günther Jauch nie so beschnitten, dass er hinterher wie ein depperter Trottel aussieht. Den Redakteur möchte ich sehen, der es wagt, einen wie Jauch zu verstümmeln. Der ist hinterher selbst ein Fall für die Greenbox und das auch nur, wenn er großes Glück hat. 

Um es kurz zu sagen: Die Greenbox ist die Hölle, in die alle kommen, die sich fahrlässig mit Billigscheiß bekleckern lassen wollen. Die meisten trifft daher das Schicksal durchaus zurecht. Man kann also klar sagen: Wer in die Greenbox geht, ist durch. Karriere am Ende. Überleben nur bei RTL oder in den Dritten möglich. Intellektuelle Beatmung überflüssig, da zwecklos.