Darf ich noch jemanden grüßen? Nein, dürfen sie nicht. Macht aber nichts, sie grüßen trotzdem. Nicht nur in der jüngsten „Wetten, dass...?“-Ausgabe zeigte sich, wie hemmungslos Menschen, die nicht alle Tage auf dem Bildschirm erscheinen, von dem Wunsch geplagt werden, ihre kurze Zeit der Berühmtheit durch eine Botschaft an die Liebsten zu zementieren. Es wirkt ein bisschen, als reiche diesen Menschen die pure Präsenz in der medialen Öffentlichkeit nicht. Oder als vertrauten sie dem Medium selbst nicht mehr. Sie brauchen mehr, und deshalb müssen sie grüßen. 

Für viele mag das eine Bestätigung ihres Tuns sein. Sie können nicht glauben, dass sie nun wirklich vor einem Millionenpublikum stehen. Wie sollen sie das auch glauben, schließlich übermittelt selbst der Auftritt auf einer „Wetten, dass...?“-Bühne selten den Eindruck von Millionen. Man sieht die Menschen in der Halle, man sieht einen überforderten Moderator, man sieht viele Kameras, aber Millionen? Also muss gegrüßt werden. Als säßen nicht ohnehin alle, die davon wissen können, vor der Glotze. Aber sicherheitshalber muss gegrüßt werden, auf dass auch die Freunde da draußen etwas abbekommen von den berühmten 15 Minuten Berühmtheit.

 

Je schaler, je profaner, je alltäglicher das Fernsehen wird, desto mehr fällt die Absurdität dieses Vorgangs auf. Man grüßt jemanden, damit der einem später erzählen kann, dass er ja gegrüßt wurde. Hat ein bisschen was von Old-School-Social-Media- Dahinter steckt wohl vor allem die Hoffnung, den angeblich großen Moment zu perpetuieren. Wer grüßt, ist auf immer berühmt. Meinen zumindest manche.

Dabei ist grüßen die völlig falsche Wahl. Warum jene grüßen, die eh wissen, dass ich sie schätze? Wo liegt da die Überraschung? Besser doch, man täte etwas Unerwartetes. Ich hätte da eine Alternative parat. Stünde ich bei Markus Lanz und hätte meine Wette erfolgreich absolviert, würde ich auch eine entsprechende Frage stellen und ungeachtet der Lanzschen Antwort mein Vorhaben durchziehen. Darf ich noch jemanden beleidigen?

Wenn man schon ein Millionenpublikum hat, dann wäre das doch die beste Möglichkeit mal etwas wirklich Knackiges an den Zuschauer zu bringen. Ich würde mir was richtig Derbes ausdenken, so etwas, das sitzt, das die da draußen aufrüttelt. Ich würde Sachen sagen...

Bei Friedrich Küppersbusch täte ich mir eine hübsche Schmähung ausleihen. „Joachim Gauck ist ein geföhnter Dompfaff und der schlechteste Bundespräsident, den wir je hatten“, würde ich sagen. Und wenn ich dann schon dran wäre, entfleuchte mir auch noch, was ich von jenen Politikern halte, die gerade wieder auskungeln, wer wie stark in den ZDF-Räten vertreten sein soll und wie man am besten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aushebelt. Dann bekäme noch der Drohnenmörder Obama sein Fett weg. Schließlich würde ich ganz hart werden, was richtig Schmutziges raushauen. So etwas, das sitzt, das die Fernsehnation nicht vergisst. So was wie: „Sigmar Gabriel ist in der SPD.“

Danach wäre ich berühmt. Schon vor der Halle würden mich Jubelchöre begrüßen. In den Feuilletons würde ich als Begründer der neuen Offenheit gefeiert, und das Nobelpreiskomitee beriete rasch, ob es mir nicht außerordentlich jene Friedensnobelpreise überreicht, die es Obama und der EU wegen nachgewiesener Unwürdigkeit und schändlicher Tätigkeit zulasten Unschuldiger entzöge. Man was wäre da los.

Keiner würde mehr fragen, was sonst so vorgefallen ist bei „Wetten, dass...?“ Nun gut, das fragt eh kein vernunftbegabter Mensch unter 50, und im Dezember ist das ja auch Geschichte. Ich muss mich also ranhalten, wenn ich noch in die Sendung will. Am besten ich träume schon mal davon. „Darf ich noch jemanden beleidigen“, sage ich, und dann lege ich los. „Dominik Graf wird als Regisseur überschätzt“, würde ich sagen und dann noch einen echten Erkenntnishammer dalassen: „Til Schweiger nuschelt.“