Die Kunst der Parodie ist keine leichte. Es geht darum, der Wirklichkeit jene Momente zu entlocken, die das zuvor Erlebte besonders machen. Die Parodie hat nach dieser Entdeckungsphase zwei Möglichkeiten. Sie setzt auf den Wahnsinn noch etwas drauf oder sie begnügt sich mit der punktgenauen Darstellung des Erlebten oder Gesehenen und macht gerade durch die Präzision überdeutlich, was wirklich geschah.

Leider entscheiden sich im deutschen Fernsehen die meisten Möchtegernparodisten fürs Draufsatteln. Gib dem Affen Zucker, sagen sie, und dann geben sie dem Affen Zucker. Nur sehr wenige schaffen es, dem Primaten mit der bitteren Medizin namens Realität Kunststückchen zu entlocken.

Es steht schlecht um die Parodie in Deutschland. Man merkt das vor allem, wenn sie dann doch mal gelingt. Als Carolin Kebekus bei der Verleihung des Comedypreises als Helene Fischer von der Hallendecke schwebte und danach sang und tanzte, da war das ein großer Moment der Erkenntnis. Da zeigte die Kölner Vorstadtprolline der Schlagertante, wie maschinell und kalkuliert deren Tun wirkt. Kebekus zeigte das, indem sie für ein paar Minuten Helene Fischer wurde. Sie strengte sich an, Helene Fischer zu sein. Sie warf sich ins Zeug, sie tanzte wie Helene Fischer, sie sang wie Helene Fischer, nur die Worte waren andere. Die Worte waren der leise Twist, der Unterschied, der die Parodie knapp übers Original hob und gerade deshalb Erkenntnis erlaubte. Nie wieder wird man nach dieser Nummer Helene Fischer mit unschuldigen Augen sehen können. Immer wird da ein Stück Kebekus mitschwingen, ein Stück Erkenntnis. Das war große Kunst wie sie seit dem Ende von „Switch reloaded“ sehr selten geworden ist.

Meist misslingt Parodie nämlich. Das ließ sich sehr schön belegen, als sich der Regisseur Lars Becker Anfang der vergangenen Woche an einem lustigen Film versuchte. Im ZDF lief „Wir machen durch bis morgen früh“ und sollte zeigen, was drei Männer heimlich so Verbotenes machen, wenn ihre drei Frauen heimlich auch was Verbotenes machen. Es ging durch die Hamburger Nacht, und es hätte eine vergnügliche Reise gewesen, hätte sich Becker ein bisschen darum bemüht, seinen Hauptdarstellern ein wenig Wahrhaftigkeit abzuverlangen, die Ödnis ihres Lebens durch nur hauchzarte Übertreibung zu entlarven. Was aber machte Becker? Er schickte Heike Makatsch und Fahri Yardim als voneinander übersättigtes Paar durch die Nacht, und keiner von beiden machte auch nur ansatzweise Anstalten, etwas anderes zu sein als Heike Makatsch und Fahri Yardim. Natürlich war das nicht als direkte Parodie geplant, aber wenn man Komödie ernst nimmt, dann ist sie im besten Fall eine Parodie des echten Lebens und gerade deshalb lustig.

Ernst ist nun mal der Vater jeder Parodie. Wer nur Quatsch machen will, schafft keine Parodie. Niemals und nimmer. Man kann das sehr schön sehen bei „Diese Kaminskis – Wir legen Sie tiefer!“. In sechs Teilen will ZDFneo ab Mittwoch (21.45 Uhr) zeigen, was so passiert, wenn man den Scripted-Reality-Irrsinn auf die Spitze treibt. Also müssen „Diese Kaminskis“ ran, drei Halbbrüder, die meinen, sie könnten ein Beerdigungsinstitut aufmachen, die aber schon zu doof sind, ihren Laden richtig zu beschriften. „Besatter Kaminski“ steht über dem Sargladen, und die drei Brüder sehen schon auf drei Kilometer Entfernung so aus wie sie ganz offensichtlich wirken sollen.

Der eine ist zu dumm, einen Eimer Wasser umzukippen und vögelt alles, was ihm in die Quere kommt, der andere leidet unter seiner von ihm getrennt lebenden Frau, die ihm immer wieder die Kinder zu entziehen droht, und der dritte ist so kriminell wie er aussieht. Also passieren all die Dinge, von denen man früh ahnt, dass sie passieren werden. Einer der drei wird ohnmächtig, als er eine Leiche sieht, der andere verwechselt das Filmchen, das auf einer Trauerfeier gezeigt werden soll mit dem Videoclip, der zeigt, wie das Opfer von einem Zug zerfetzt wurde, und am Schluss landet die Asche des Verstorbenen im Stadion des 1. FC Köln. Nein, doch nicht, denn das ist den Machern noch nicht Wahnsinn genug. Sie setzen da noch einen drauf.

Nun ist es ein löbliches Unterfangen, das Treiben in den Scripted-Reality-Pseudodokus parodieren zu wollen. Das Problem ist aber, dass diese Pseudodokus selbst schon ihre eigene Parodie sind, wenn man sie denn nur aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet. Man muss da nicht noch etwas draufsetzen und die Handlung weiter in den Wahnsinn treiben. Das muss man nur tun, wenn man die handelsüblichen Dumpfbackenbetrachter von Scripted-Reality-Dokus vor dem Bildschirm wähnt. Die aber wünscht sich ZDFneo wohl kaum als Stammpublikum.

„Diese Kaminskis“ sind derart überzogen, dass es schon weh tut. Sie sind aber auch nicht so weit überzogen, dass es schon wieder an große Kunst heranreichen könnte. Die Geschichten kämen alle ohne Splatter-Effekte oder unmotivierte Schauwerte aus, sagen die Macher und landen genau deshalb zwischen allen Stühlen. „Diese Kaminskis“ sind keine vernünftige Parodie, weil sie nicht den Mut haben, nah genug am Original zu bleiben. Sie sind aber auch keine Kunst, weil sie ihre Übertreibung nicht weit genug dehnen. Bei der Frage „ent oder weder“ haben sich die Macher sehr deutlich für das oder entschieden und landen genau deshalb auf der Nase.

Wenn man so etwas anschauen muss, stellt sich rasch das Gefühl von vergeudeter Lebenszeit ein. Da greift man zur Erholung doch schnell ins Regal und holt sich etwas entfernt Verwandtes heraus. Eine Folge „Stromberg“ hilft da schon weiter. Da sieht man fein, wie gut das tun kann, wenn eine Doku nur so tut als sei sie eine und dabei die Abgründe eines ultraöden Alltags tiefer ausleuchtet als es manchem lieb ist. „Diese Kaminskis“ sind dagegen triste Finsternis.

Trost bietet da nur eine Verschwörungstheorie. Die besagt, dass es „Diese Kaminskis“ nur deshalb ins ZDFneo-Programm schaffen konnten, damit Jan Böhmermanns Magazin noch ein bisschen heller leuchtet als es ohnehin schon strahlt. Was man sich halt so erzählt, wenn die Verzweiflung das vorherrschende Gefühl ist.