Es gibt ja diesen weitverbreiteten Irrtum, dass Tagesschau-Sprecherinnen nicht unterhaltsam sind. Sobald sie in einer bunten Show vor die Kamera treten, sagt irgendwer, dass dieses Engagement aber doch der Seriosität der Tagesschau abträglich sei. Einerseits ganz ernst Nachrichten aus aller Welt verbreiten und andererseits das Leichte, das Spielerische beherrschen, das passt in den Köpfen vieler nicht zusammen. Jens Riewa kann ein Lied davon singen.

Nun gibt es aber eine wackere Streiterin, die den Zement aus den Köpfen pusten will, die sich auf die Fahne geschrieben hat, die Diskrepanz nicht länger als Diskrepanz erscheinen zu lassen. Sie liest die Nachrichten wie keine andere, und wie keine andere tritt sie auch überall auf, wo die bunten Scheinwerfer ihr gleißendes Licht werfen. Sie ist eine Kämpferin für die gute Sache, also für sich selbst.

Judith Rakers ist ihrem Element, wenn es gilt, zu beweisen, dass man the best of both worlds durchaus leben kann. Sie ist Tagesschau, aber sie ist notfalls auch eine Fritte. So wurde sie jedenfalls kürzlich gesehen bei Feierlichkeiten von McDonald’s. Da trat sie in einem pommesgelben Dress kurz in den Moderationsdienst für den Schnellimbisskonzern. Sehr professionell soll sie das gemacht haben, heißt es. Na klar. Könnte etwas besser zusammenpassen als ein Fast-Food-Unternehmen und eine als Fritte gewandete Nachrichtensprecherin?

La Rakers kann sowas wie keine zweite. Sie wirft sich als Altruistin, die sie ist, ins brutale Scheinwerferlicht. Wo immer jemand ein Licht anknipst, das heller glimmt als eine Zwölfwattenergiesparlampe, wo immer jemand eine Kamera auf Aufnahme stellt, erwacht sie. Wenn dann noch der Teppich unter ihr rot ist, umso besser.

Aber sie kann auch ohne gefärbte Auslegeware. Gerade erst hat sie ihren 59 336 (Stand Mitte der Woche) Facebook-Fans gezeigt, wie sie Anfang des Monats dem Flusspferd Ernie ins Maul geschaut und den Rachen dann auch noch mit einem Schlauch ausgespritzt hat. Ja, auch das kann die Rakers. Zu sehen ist das demnächst in der „Show der Naturwunder“, wobei sie den Titel der Show natürlich nicht für sich reklamiert, was durchaus verständlich wäre, sondern ihn Ernie und seinen Kumpels überlässt.

Ja, die Rakers kann Pommes, sie kann Flusspferd, und sie hat Mut. Im vergangenen Jahr hat sie bei der Eiswasserchallenge sogar Jan Hofer nominiert. „Weil er mein Chef ist“, hat sie zur Begründung gesagt. Mann, die traut sich was.

Das soll natürlich zeigen, dass die bei der Tagesschau auch nur Menschen sind und dass sie als solche Humor haben. Wenn es gilt, sich zu konzentrieren, sind sie natürlich voll bei der Sache. Dann schreiben sie sich auch auf, wie ihre Ansagen beginnen sollen. „Guten Abend, meine Damen und Herren“, steht dann auf dem Zettel. Doch, das steht da. Das hat Frau Rakers letztens selbst gepostet. Man will ja keinen Versprecher provozieren. Nachher sagt noch irgendwer. „Gute Damen, meine Abend und Herren.“ Aber nicht mit der Rakers.

Die kann auch plaudern. Bei „3 nach 9“. Dort hat sie stets „tolle Gäste“, zu betalken, auf die sie sich immer ganz doll freut, selbst wenn sie Frauke Ludowig heißen. Und wie sie das macht, also das Talken, das hat einen besonderen, einen fast schon geheimen Reiz. Der Reiz ist so geheim, dass er in der breiten Öffentlichkeit noch kaum jemandem aufgefallen ist. Böse Spötter sagen auch, dass ihre Art zu talken, sehr nah an der Belanglosigkeit vorbei schrammt. Was für Kleingeister!

Hätte man ihr sonst eine eigene Show angeboten? Eine mit dem Titel „Top Flops“? Irgendwas mit Pleiten, Pech und Pannen? Hätte man sie sonst 2011 beim Düsseldorfer ESC als bewegten Resonanzboden neben Anke Engelke und Stefan Raab aufs Moderationspodest gehoben? Ich meine, die Showexperten beim NDR sind doch nicht blöd. Die haben Pflaume und Pilawa. Die wissen doch, wie Show geht. Wer, wenn nicht die?

Man dürfte nicht falsch liegen, wenn man Judith Rakers als das größte unterbewertete Talent im deutschen Fernsehen bezeichnet. Aus unerfindlichen Gründen verweigert ihr das große Publikum noch die breite Anerkennung, und manchmal wirkt es so, als werde sie für Gala-Moderationen immer erst dann gebucht, wenn Barbara Schöneberger und Jörg Thadeusz schon abgesagt haben oder zu teuer sind oder sich zu gut wähnen.

Ja, ja, den Herrn Thadeusz sähe man niemals als Fritte bei einem McDonald’s-Empfang. Dafür ist sich der Herr zu fein. Sich mal so richtig ins gelbe Zeugs zu schmeißen. Nix für Jörgs Mutter ihren Sohn. Wer muss also die Drecksarbeit wieder mal im Alleingang erledigen? La Rakers.

Man kann indes sicher sein, dass sie nicht ruhen wird in ihrem Streben, den Ruf der Tagesschau weiter zu verbessern. Sie wird unermüdlich überall moderieren, wo das Aufnahmerotlicht erglüht. Kürzlich erst sah man sie vor einer Ampel, und als die auf Rot sprang, redete sie ungefragt los. Nein, das hat sie natürlich nicht getan. Kleiner Scherz am Rande nur. Aber mal im Ernst. Mit der Rakers ist zu rechnen. Sie wird erst ruhen, wenn alle wissen, dass sie mehr kann als nur „Guten Abend, meine Damen und Herren“ aufsagen. Ihr Kampf ist erst zu Ende, wenn alle roten Teppiche abgelatscht und alle Fritten gegessen sind.