Es ist Sommer. Wie wunderbar. Ich weiß das. Ich brauche für diese Erkenntnis noch nicht einmal einen Blick aus dem Fenster. Keinen Wetterbericht, keine wegen der Hitze stöhnenden Menschen. Ich brauche nur einen Blick in mein Fernsehprogramm. Das sagt mir: Geh raus: Hab Spaß an allem, nur nicht an mir.

Es ist, als ob Moses einst auch eine bis heute geheim gebliebene Tafel mit vom Berg Sinai gebracht hätte. Auf der steht als elftes Gebot: Du sollst im Sommer kein frisches Fernsehen genießen. Frisches Fernsehen verträgt sich nicht mit schönem Wetter, verträgt sich nicht mit volatilem Zuschauerverhalten, mit Abenden, an denen es so lange hell ist, dass das bisschen Dunkelheit bis zum Morgengrauen gar nicht mehr auffällt.

Jan Böhmermann hat als erster die Segel gestrichen. Sommerpause für sein Neo Magazin Royale. Dann ist ihm die Heute Show gefolgt. Im Mai. Jawoll, im Mai. Draußen hat es geschifft, aber die sauberen Herren machten sich vom Acker, entschwanden in die Sommerfrische. Mit meinen Gebührengeldern!!!!!

Nein, das habe ich jetzt nicht wirklich so gemeint. Erst recht nicht die fünf Ausrufezeichen hinter Gebührengeldern. Solche Empörung ist etwas für Dumpfbacken. Ich wollte das nur mal parodieren. Sorry, da sind die Gäule mit mir durchgegangen.

Ich weiß natürlich, dass die Sommerpause hilft, Gebührengelder zu sparen. Wer nicht sendet, muss nicht bezahlt werden, kostet also auch nichts. So sind die Verträge in der freien Wirtschaft gestrickt.

Allerdings ist mir aufgefallen, dass die GEZ auch im Sommer den kompletten Beitrag abbucht. Für weniger Programm? Nein, die Menge bleibt dieselbe. Es kommt halt nur mehr Angeschimmeltes auf den Tisch. „Tatort“-Folgen aus vergangenen Zeiten bevölkern den Sonntagabend im Juli und August. Es wird wiederholt bis zum Gehtnichtmehr.

Nein, so ganz richtig ist das auch nicht. Im Sommer wird viel experimentiert, heißt es aus den Sendern. Da laufen dann in der ARD Dokumentationen anstatt der unsäglichen Talkshows, und der WDR will mit etlichen Produktionen beweisen, dass er in Sachen Innovation gerade richtig weit vorne liegt.

Das mag alles sein. Ich stelle mir allerdings die Frage, warum die Wichtigkeit von Dokumentationen nur im Sommer so sehr betont wird. Warum probieren die beim Fernsehen nur dann etwas aus, wenn nach gängiger Logik eh niemand hinschaut, wenn also große Teile der fernsehaktiven Bevölkerung durch ihr geübtes Freizeitverhalten vom Fernsehgenuss ausgeschlossen sind?

Müsste nicht das ganze Jahr Innovation sein? Sind Dokus nicht auch im Februar oder Oktober wichtig? Wäre es nicht besser, genau dann etwas zu probieren, wenn möglichst viele hinschauen, also im November oder im Januar?

Ein bisschen erinnert mich das Verhalten der Sender an die ganz frühen „Wetten, dass...?“-Zeiten, also an jene Samstage, als noch nicht DSDS gegen Gottschalk programmiert wurde. Da verfielen alle Sender gemeinsam in eine Art Schockstarre und programmierten nur bereits Gesendetes gegen Europas große Show. Wenn man eh keinen erreicht, weil alle „Wetten, dass...?“ gucken, was soll da die Mühe?

Das ist vorbei. Inzwischen gibt es, abgesehen von Fußball und „Tatort“ keinen Platzhirschen mehr, der so mächtig wäre, dass Gegenwehr nicht lohnt. Der Kampfesmut der Sender, allen voran RTL, hat sich gelohnt. „Wetten, dass...?“ ist auch gescheitert, weil es plötzlich Alternativen gab. Nicht nur am Lanzschen Quotenfieber.

Gerade dieses Beispiel zeigt doch, dass keine Tradition zu irgendeinem Verhalten zwingt. Nichts ist in Stein gemeißelt. Alles kann geändert werden. Auch die Tatsache, dass fast alle in die Sommerpause gehen.

Ach ja, nur so nebenbei. Auch diese Kolumne wird dieses Jahr wieder pausieren. Im Juli und August. Was Böhmermann und Welke können, kann ich schon lange.