Ich kündige. Mal wieder. Doch, es ist nötig, weil man dieser Tage nicht zu lange an einer Stelle verharren soll. Bewegliche Ziele sind schwerer zu treffen. Also auf und davon. Sie finden mich in einem neuen Berufsfeld. In einem, das sich geradezu aufdrängt. Ich werde Komödiant, Comedian oder Kabarettist. Auf jeden Fall beim Fernsehen. Am besten im Ersten.

Ich muss mich ein wenig eilen, denn ich werde das Gefühl nicht los, dass demnächst alle Plätze belegt sind. Insbesondere bei den öffentlich-rechtlichen Sendern wirkt es ein bisschen, als würden sie den Zug, den sie lange verpasst haben, nun überfüllen. Wohin man schaut, herrscht Unernst. Das ZDF hat es vorgemacht, und jetzt zieht die ARD nach. Vorerst vornehmlich am Donnerstagabend. Aber das scheint mir nur der Vorlauf.

Es ist nicht so schwer, Fernsehkomödiant zu werden. Man muss nur behänden Schrittes auf eine Bühne hüpfen und irgendetwas aus dem Leben erzählen. Am besten etwas, zu dem das anwesende Studiopublikum schon eine Meinung hat. Man könnte sich zum Beispiel lustig machen über Lehrerinnen, die einen Fahrradhelm tragen. Das geht immer. Menschen, die einen Fahrradhelm tragen, sehen immer ein bisschen aus wie Rudolf Scharping. Ich auch.

Man könnte nun sagen, dass es etwas billig ist, sich über solche Randgruppenvertreter wie Fahrradhelmträgerinnen lustig zu machen, aber für eine Sendung wie „Spätschicht – Die Comedybühne“ reicht es allemal. Habe ich am Donnerstag gesehen. Es wurde gelacht über Fahrradhelmträgerinnen.

Oder über Florian Schröders politisch gemeinte Witze. Die wirkten ziemlich aufgesagt, sehr verschlungen. Aber gelacht haben trotzdem alle im Studio. Das mag weniger an dem Witz gelegen haben als an der Schröder-Technik, hinter jeden Gag eine Pause zu platzieren. Er sagt also etwas auf, und dann ist: Schweigen. Schweigen. Schweigen. Wenn so eine Pause entsteht, erkennt der normale Zuschauer: „Ah, das war jetzt wohl lustig. Klatsche ich mal lieber, bevor ich wirke wie der einzige, der den Gag nicht kapiert hat.“

Die ARD hat für solche Sendungen eigens eine Art Homepage eingerichtet, auf der Sendungen wie die von Schröder beschrieben werden, aber auch das Nachwuchsprogramm von Dieter Nuhr oder die Kaffeetantenbelustigung „Ladies Night“.

Über der Seite steht „Comedy & Satire im Ersten“. Die Dopplung ist wichtig. Zwar weiß in diesen Tagen niemand so recht, was denn nun das eine vom anderen trennt, aber für den Satzrhythmus, ist solch eine Dopplung enorm wichtig. So was mögen kritische Geister, die von Aussagen ihrer Gegner gerne behaupten, sie seien nicht nur zynisch, sondern auch noch menschenverachtend.

Ich glaube, ich kann da mithalten. Ich verstehe, was den Witz ausmacht. Es geht weniger um den Inhalt als vielmehr um die Technik. Schweigen. Schweigen. Schweigen. Hmmm, an dieser Stelle hätte ich eigentlich einen Lacher erwartet. Ich habe schließlich die Schröder-Methode angewandt. Nicht lustig, aber ich habe eine Pause gesetzt nach der Pointe, die keine ist. Muss ich wohl noch ein bisschen lernen.

Auf jeden Fall habe ich schon einen Rapper engagiert. So was braucht man für eine lustige Sendung. Jan Böhmermann hat das mit Dendemann vorgemacht, und deshalb wollen jetzt die anderen auch so einen Sprechartisten. Dieter Nuhr hat einen, wenn er als cooler Oberonkel junges Comedygemüse feilbietet. Schwer hip.

In Sendungen wie „Nuhr ab 18“ soll die junge Comedygeneration zum Zuge kommen. Die wurde ja bislang von Sendungen wie „Nightwash“ und Ähnlichem völlig vernachlässigt. Endlich kriegen mal Talente wie Enissa Amani eine Chance. Die ist mit ihren kommunistischen Eltern als Kind aus dem Iran geflohen und erzählt nun von ihrem Leiden. Nein, nicht von der Flucht, sondern vom Alltag in einer kommunistischen Familie. Im Prinzip macht sich Enissa Amani über ihre kommunistische Familie auf die gleiche Weise lustig wie Mario Barth über seine Freundin. Nur dass sie an den Stellen, an denen Barth „Kennste, kennste?“ einschiebt immer ein Verständnis und Lacher einforderndes „Ja?“ anfügt. Amanis „Ja?“ ist im Prinzip dasselbe wie Schröders Schweigen nach der Pointe.

Ich kann das auch: Ja?

Nein, ich kann das natürlich nicht. So etwas muss man üben. Allerdings fragt man sich bei der Mehrzahl der im deutschen Fernsehen antretenden Unterhalter, warum sie das mit dem Üben auf die Bühne verlegen. Ja? Schweigen. Schweigen. Schweigen.

Ich weiß natürlich, dass wir es mit schweren Zeiten zu tun haben, dass man als öffentlich-rechtlicher Sender ums Publikum ringen muss, und in schweren Zeiten wollen die Menschen auch mal was zum Lachen haben. Nicht nur freitags, wenn die „Heute Show“ zum heiteren Witzeerklären für Dummies ansetzt für ein Publikum, dem man jedes Mal erklären muss, wer Angela Merkel ist. Ja?

Dabei ist Angela Merkel enorm wichtig für die witzeverarbeitende Industrie. Ohne Angela Merkel wäre die deutsche Comedy mausetot. Schließlich gilt es als Eintrittsvoraussetzung ins Comedylager, dass man die Merkel-Raute vormachen kann. Merkel-Raute ist enorm wichtig. Merkel Raute ist im Prinzip dasselbe wie Barths „Kennste, kennste?“, Schröders Schweigen und Amanis „Ja?“.

Ich will auch in dieses Lager. Ich stelle Antrag auf Asyl beim Ersten. Wenn ich dort aufgenommen werde, obwohl ich nachgewiesener Maßen überhaupt nicht lustig bin, verspreche ich auch, nicht zu verraten, dass 90 Prozent der Insassen sich 110 Prozent der fünf vorrätigen Witzemuster teilen. Freundin, Familie, Fahrradhelmträgerinnen, Merkel Raute. Ja?

Komme mir niemand mit dem Argument, dass kein Mensch diese Art von Witz braucht. Dem halte ich entgegen, dass die ARD das sendet, und die ARD würde niemals etwas senden, das kein Mensch braucht. Ja?