Ich habe eben meinen Kühlschrank aufgemacht und mich sehr gewundert. Ich habe die Milch beiseite geschoben, die Joghurts neu gestapelt und die Möhren nach Größe geordnet, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass da was fehlt. Ich habe das Gefrierfach geöffnet, aber auch dort fand ich nicht, was ich erwartet hatte – nichts, nada, niente. Also jetzt nicht nichts im Sinne von gar nichts. Es war schon was da, nur eben nicht das, was ich dieser Tage erwarte. Um es kurz zu machen: Ich wähne inzwischen meine Welt unvollständig, wenn ich drei Minuten lang nicht auf den Mann stoße, der wirklich überall präsent ist. Ich kann mir eine Welt ohne Steffen Henssler nicht mehr vorstellen.

Ich frage mich, ob Sendungen im Fernsehen noch gültig sind, wenn in ihnen nicht Steffen Henssler auftritt. Ich will jetzt hier nicht auf den eklatanten Mangel an Kochsendungen im deutschen Fernsehen hinweisen. Das sollen andere tun. Ich muss allerdings anzeigen, dass es immer noch Shows gibt, die ohne Steffen Henssler auskommen.

Dabei ist der Mann offiziell gar nicht überall, er wirkt nur so. Man sieht ihn vor allem bei Vox, wo er um die Wette kocht, und dann ist er mal Gast hier und dann wieder Gast dort. Er hat schon YouTube durchwirbelt, und wenn Ina einen guten Gast für ihre Nacht braucht, dann ist Henssler ebenso selbstverständlich da wie er sich gerne hinters Panel einer Quizshow quetscht. Der Mann macht alles. In Buchstaben: A-L-L-E-S.

Hensslers Omnipräsenz speist sich indes nicht aus seinem tatsächlichen Auftreten, sondern eher aus seiner Wirkung. Henssler ist der Rock’n’Roller unter den Köchen. Er wirbelt durch die Kulisse, dass man um die Integrität der Ausstattung fürchten muss. Er lässt keine Zweifel an der Annahme, dass dieser Kerl schon so einiges durchgemacht hat. Einer wie Henssler könnte Lafer und Lichter verschlucken und kein Gramm zunehmen. Er würde danach nicht einmal rülpsen.

Vielleicht hat er ja auch schon den einen oder anderen Kollegen intus, man weiß das nicht. Auf jeden Fall hat er die Kraft der 13 Herzen. So wie er zwischen Spüle und Spaghetti herumwirbelt, entfaltet er die Kraft, die man ansonsten höchstens Wirbelstürmen attestiert.

Ich weiß nicht, wie Henssler kocht, ich habe noch nie von seinen Taten kosten dürfen, war noch in einem seiner Restaurants, habe noch nie die von ihm kreierte Soße probiert, noch nie etwas aus seinen Kochbüchern nachgekocht. Ich weiß halt nur, dass er ein sehr guter Performer ist. Er ist ein so guter Performer, dass es auf seine Kochkünste gar nicht mehr ankommt. Form vor Inhalt. Im Prinzip ist Steffen Henssler der Mario Barth der deutschen Fernsehküche. Nicht ohne Grund füllt er mit seinen Liveevents (Heute in Rostock) ja inzwischen ähnliche Hallen wie Mr. Kennste-Kennste. Henssler ist ein echter Medientsunami. Er überrollt alles, und wenn er da war, dann sind die Standards neu geordnet.

Und gerade als ich dachte, nun sei aber der Henssler-Overspill erreicht, rückt er mit einer CD an. „Henssler Mucke“ heißt die und beinhaltet angeblich seine Lieblingshits. Von Marteria bis Sido alles dabei. Natürlich auch Lindenberg und Jan Delay. Soll wohl sagen, dass dieser Mann sich auch akustisch am Puls der Zeit wähnt.

Auf die Idee, dass es irgendwann auch mal zu viel werden könnte mit der Henssler-Präsenz, ist in Hensslers kulinarischer Eventwelt noch niemand gekommen. Ausgekocht hat er noch lange nicht, ausgekocht ist er ganz offenbar.

Ich lege mir die CD jetzt in den Kühlschrank, und wenn ich jemals Entzugserscheinungen kriegen sollte, dann hole ich sie mir aus dem Gefrierfach und taue sie auf. Dann schiebe ich sie in den CD-Spieler in meinem Opel-Henssler und düse durch Steffens Welt. Immer der Nase nach. Da wo es gut riecht, brutzelt der Henssler. Was er brutzelt, ist wurscht. Hauptsache er ist da.