Irgendwie ist ja 2015 doch noch zu Ende gegangen. Trotz der Schwemme der Jahresrückblicke, die gar nicht aufhören wollten mit der Aufzählung all dessen, was 2015 war. Es war dies, es war das, und dann kam ja auch noch jenes hinzu. Zugegeben, es war viel los, es ist viel passiert. In mancher Hinsicht ist aber durchaus auch interessant, was nicht war. Die Abwesenheit eines Events kann schließlich auch ein Ereignis sein. Kurzum: 2015 war das erste Jahr ohne „Wetten, dass…?“.

Ein ganzes Jahr ist vergangen, ohne dass das ZDF die ganz große Bühne aufgebaut und ganz viele Gäste eingeladen hat, ohne dass sich Zuschauer in einer Mehrzweckhalle die Finger blutig geklatscht haben, um dem Moderator aus unerfindlichen Gründen einen warmen Applaus zu kredenzen. Niemand musste sich auf der Couch halbgare Fragen stellen lassen, weshalb auch Antworten mit dem Informationswert von lauwarmem Wasser ausblieben. Will sagen: Es fehlte nichts.

Ich hatte ja Schlimmes befürchtet, als Markus Lanz am 13. Dezember 2014 die Abschiedsworte sprach. Ich befürchtete Phantomschmerzen an Samstagen in 2015. Beinahe 34 Jahre war ich immer dabei gewesen, wenn die Fanfare erklang, wenn die Kulisse erstrahlte und irgendein Hanswurst heraustrat und bejubelt wurde. Als die Sendung startete, trug ich mein Haar noch schulterlang, als sie endete herrschte auf meine Kopfhaut Wüstenstimmung. Nur noch hier und da ein bisschen Gestrüpp.

Ich war also vorbereitet, 2015 als ein hartes Jahr zu begreifen, als ein Jahr, in dem der Verlust mir das Leben schwer machen würde. Allein, es passierte – nichts. Gar nichts. Überhaupt nichts. Niente. Nullinger.

Ich weiß nicht, ob irgendwer irgendwen kennt, der an einem Samstag 2015 traurig in seinem Fernsehsessel saß und auf „Wetten, dass…?“ gewartet hat. Sollte es solche Personen geben, stelle ich sie mir vor wie enttäuschte Liebende, die vom Partner vor die Tür gesetzt werden, aber immer wieder mal anklopfen, um zu hören, ob sich die Stimmung eventuell geändert haben könnte. Hartnäckigkeit zahlt sich ja manchmal aus.

Nicht mal jene Gestalten, die sonst alles benörgeln, was samstags läuft, haben eine Petition gestartet. „Wir wollen ‚Wetten, dass…?‘ wiederhaben“ hätte drüberstehen können. Dabei wären da im Internet bestimmt ein paar zustimmende Klicks abzugreifen gewesen.

Dieses komplett ausbleibende Verlustgefühl werte ich mal als Beleg dafür, dass die Zeit für „Wetten, dass…?“ wirklich vorbei war, dass das ZDF Markus Lanz lediglich auf ein bereits totgerittenes Pferd gesetzt hatte.

Aber den richtigen Zeitpunkt für den Abgang zu schaffen, ist ohnehin nicht jedermanns Sache. Erst schien es, als habe Gottschalk es geschafft. Aber dann hat er sich selbst durch zielloses Handeln in die Krise gewirtschaftet und so lange gejammert, bis das auch niemand mehr sehen wollte. Kürzlich hat er nochmal gesagt, dass es mit ihm keine „Wetten, dass…?“-Resurrektion geben werde. Gut so.

Es sollte auch ohne ihn keine Wiederbelebung dieser Show geben. Sie ist Geschichte, und jeder, der sich an ihr versuchen wird, soll sich die Finger verbrennen. Er wird hinterher klüger sein.

Das Jahr 2015 markiert daher eine Art Wendepunkt. Es war nicht nur das schmerzfreie Jahr ohne etwas, es war vor allem der lebende Beweis, dass im Fernsehen alles seine Halbwertzeit hat und dass man am meisten jene achtet, die rechtzeitig den Absprung geschafft haben und dann Distanz zum eigenen Schaffen halten. 2015 war nicht nur das erste Jahr ohne „Wetten, dass…?“, es war auch das Jahr, in dem der Musikantenstadl das Zeitliche segnete, in dem Stefan Raab abtrat.

Damit darf man getrost sagen, dass die große Samstagabendunterhaltung spätestens seit 2015 der Vergangenheit angehört. Niemals mehr wird es eine Show geben, die erkleckliche Millionen bannt, die aus eigener Kraft eine Faszination schafft. Es wird hier und da ein Event geben, das noch mal durchstartet und richtig knallt, aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die schon lange verblichene Samstagsshow nun endlich auch offiziell für tot erklärt werden kann.

Im besten Fall geht sie ein in den Erinnerungsfundus, ins Weisst-du-noch-Repertoire. Mehr ist nicht drin. Zumindest nicht bei jenen, die es überzogen haben. Niemand weint einem Stadl oder „Wetten, dass…?“ eine Träne nach. Bei „Schlag den Raab“ wird das anders sein. Weil Raab in Würde abtrat, könnte die Wehmut stärker sein als der Drang das Gewesene durch Neues übertapezieren zu wollen.

Der Samstag gehört nun den Silbereisens, Fischers, Nebels, Pilawas und Hirschhausens. Viel besser kann man den Aggregatzustand tot nicht beschreiben.