„Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt“, sagt Ernst Reuter im Vorspann, und dann kommen noch Kennedy und Reagan zu Wort. Kleiner haben sie es nicht in der Miniserie „Die Stadt und die Macht“, in der sie zeigen wollen, wie alles zusammenhängt in der Hauptstadt. Es geht um Korruption im Amt, um windige Wirtschaftsbosse, um Neuanfänge, um Traumata, um Gewalt und Liebe. Wie gesagt, kleiner haben sie es nicht.

Sechs Teile umfasst diese Serie, und die ARD zeigt sie ab Dienstag 20,15 Uhr in Doppelfolgen an drei Tagen hintereinander. Es ist ein großes Projekt, das da zu stemmen ist. Man spürt förmlich die Ambition, etwas zu erschaffen, das nicht nur spannend ist, sondern auch über den Sendetermin hinaus von grundsätzlicher Bedeutung sein könnte. Leider geht dieses Anliegen in die sprichwörtliche Hose.

Das liegt zum einen an der Regie von Friedemann Fromm, der es nicht schafft, aus den Büchern seines Autorenteams die Kraft für ein großes Sittengemälde zu saugen. Viel zu oft verzettelt er sich in Nebensträngen und vergisst dabei, eine klare Linie vorzugeben, den Zuschauer an die Hauptfiguren zu binden.

Ein bisschen liegt sein Dilemma indes auch darin, dass er zu viele Hauptfiguren hat. Das wiederum liegt vor allem daran, dass die eigentlich als dramaturgische Mitte ausersehende Figur die Last dieses Films nicht trägt.

Anna Loos spielt diese Hauptfigur. Sie soll Susanne Kröhmer sein, die Tochter eines mächtigen Politikers. Ihr fallen plötzlich Chancen auf eine eigene politische Karriere zu. Sie muss sich durchbeißen durch das enge Geflecht des politischen Dschungels, muss Freund und Feind unterscheiden lernen und kapieren, dass selbst das eigene Fleisch und Blut keine gute Basis für Vertrauen abgibt. Zudem lebt sie in einer zerrütteten Beziehung, erwartet ein Kind, und irgendwas läuft da mit einem Reporter, der den ganz großen Skandalen auf der Spur ist. Dazu gehört auch der in den Anfang geschnittene Tod eines guten Freundes, dessen letzten Hilferuf Susanne Kröhmer wegdrückt.

Fromm hält sich nicht lange auf mit Gewöhnung der Zuschauer an eine bestimmte Konstellation. Er gibt dem Publikum nicht einmal genügend Zeit, mit der Hauptfigur warm zu werden. Dieser Möchtegernpolitikerin fehlt die klare Zeichnung ihres Charakters, fehlt die Motivation, die sie durch die sechs Folgen trägt. Sie tut einfach, aber man weiß nie wirklich warum.

Das liegt vor allem am Casting. Anna Loos ist ein mimischer Totalausfall. Sie ist ein One Trick Pony. Sie hat nur ein Gesicht drauf, das der belämmert Dreinschauenden. Dieses Gesicht trägt sie durch den ganzen Film, und dann muss sie noch am laufenden Band jammern und Sätze sagen wie „Warum müssen mir immer alle in den Rücken fallen?“

Gegen Anna Loos geht Veronica Ferres als Charakterdarstellerin durch. Ob dieser Komplettausfall dem Projekt schaden kann, muss sich zeigen. Das Publikum liebt bekanntlich diese Loos. So wie es Heike Makatsch liebt und die Ferres und die Berben. Bei all denen reicht es, wenn sie da sind. Was sie tun, ist von untergeordneter Bedeutung.

Man kann indes auch ein paar positive Dinge über diesen Film sagen. Man könnte anführen, dass es reihenweise Schauspieler gibt, die La Loos mühelos an die Wand spielen. Allen voran agiert da ein ganz wunderbar changierender Martin Brambach als überdrehter Wahlkampfmanager und gibt dem Film wenigstens einen Hauch von Farbe. Das Auftreten in zu engen Sakkos und mit kurios geföhntem Haar sähe bei jedem anderen albern aus, bei Brambach entfaltet es die anziehende Kraft einer knallroten Blume auf einer Frühlingswiese.

Man könnte auch sagen, dass die Serie Fahrt aufnimmt, wenn man einmal die erste Folge überstanden und sich mühsam wenigstens ein paar Figuren anvertraut hat. Es wird tatsächlich kontinuierlich besser. Allein, es wird nie wirklich gut.

Zu keiner Sekunde fesselt „Die Stadt und die Macht“. Die Serie plätschert vor sich hin, ohne Relevanz, ohne die Kraft einer großen Geschichte, ohne wirklichen Bezug der handelnden Personen. Warum die meisten handeln wie sie handeln, bleibt im Diffusen. Sie handeln sehr offensichtlich so, weil es so im Drehbuch steht. Etliche sagen auch ihre Sätze so, als hinge vor der Kamera ein Teleprompter. Die Bezeichnung gestelzt für solches Tun wäre noch gestrotzt.

Da helfen auch zwischendurch die schnellen Schnitte auf den Spielort Berlin wenig. Sie schaffen es nicht, den Staub vom Rest zu pusten und wirken ein bisschen wie bei „Berlin – Tag & Nacht“ abgekupfert, quasi „Berlin – Stadt & Macht“.

So strandet „Die Stadt und die Macht“ als zutiefst deutsche Serie im Ungefähren, aber vielleicht ist ja gerade das der Erfolgsgarant. Möglicherweise zieht man so die Menschen an, die den Ausfall von „In aller Freundschaft“ verkraften müssen oder meinen, die neuen Folgen von „Um Himmels Willen“ kämen schon diese Woche. Sie werden sich wundern. Fritz Wepper ist nicht dabei. Obwohl er prima gepasst hätte.