Die Polizei hat derzeit nicht den besten Stand in der Republik. Nach den Vorfällen der Silvesternacht, nach der Stürmung eines besetzten Hauses in Berlin, bleibt alten Vorwürfe kaum Zeit zum Verhallen, denn schon stehen neue parat. Zu lasch, zu hart, die Anklagen stehen wahlweise im Raum. Im Mittelpunkt einer zuweilen hysterisch anmutenden Erregungsspirale werden Polizisten immer wieder als Deppen vom Dienst behandelt. Gestern noch die Helden in Jan Böhmermanns „Ich hab Polizei“-Video, heute schon die Trottel der Nation.

Und dann kommt RTL mit seinem täglichen „Blaulichtreport“ und setzt noch einen oben drauf. Dort sind Polizisten vor allem Angriffsfläche für hyperaktive Verhaltensauffällige. Sie werden beschimpft, angegriffen und bedroht. Zwar gehen sie am Ende stets offiziell als Sieger vom Platz. In Wahrheit sind die Ordnungshüter aber lediglich die Spielfläche, auf der RTL seine Quotensucht auslebt.

„Scripted Doku-Soap“ steht als Etikett auf den Folgen, die offiziell „aufregende Geschichten aus dem Berufsalltag von Polizisten, Sanitätern und Notärzten“ bieten sollen, in Wahrheit aber durchaus das Klima im Lande mitprägen.

Natürlich weiß man, dass solche Pseudorealitäten hemmungslos auf Spannung gebürstet werden, dass kein Polizist im Jahr so oft die Waffe zieht wie bei RTL in einer Stunde. Es ist eine Ballung von dramatischen Momenten, die verdichtet werden zu comichaftem Handeln von Laiendarstellern, die vor allem schauspielerische Laien darstellen. Alles Fake, alles ausgedacht.

Trotzdem glaube ich, dass diese Sendungen in diesen Zeiten auch Auswirkungen haben, die bei der Produktion so sicher noch nicht absehbar waren. Die Welt hat sich nun mal geändert in den vergangenen Monaten, der Wind weht rauer. Wer da im Nachmittagsprogramm permanent eine Tonlage präsentiert, die verdächtig der aufgeheizten in den asozialen Netzwerken ähnelt, befeuert eine Stimmung, die mit unangenehm noch euphemistisch verbrämt wird.

Kleine Kostprobe gefällig: „Ey, was ist denn hier los?“ „Du hast se nicht mehr alle.“ „Du Hohlkopf.“ „Du bist die Allerletzte.“ Man muss nur mal 30 Minuten wahllos reinzappen, dann hat man sowas rasch beieinander.

Das ist aber noch die harmlose Variante dieser Kakophonie in Brüll-Dur, die Furien und Hitzköpfe als Rolemodels präsentiert, die Impulskontrollstörung als Programm verkauft. Hauptsache Aufregung, und Aufregung heißt brüllen, schimpfen, beleidigen, pöbeln, schlagen, Zeugen bedrohen

„Du bist so ein Schwein, du.“ „Scheiß Bullen, Mann.“ „Pack mich nicht an.“ Der liebste Satz aus dem Off lautet: „Als die Beamten am Tatort eintreffen, eskaliert die Situation.“

Hier wird die elektrifizierte Erregungsspirale gerne mal ins Eskalationsbecken getaucht, wo nicht abschwellende Hysterie den Blutdruck der Fokusgruppe dauerhaft im roten Bereich hält. Kriminelle Inländer ohne Ende.

Wer das eine Woche lang anschaut, dem verschwimmen leicht die Sinne. Ich glaube nicht, dass so etwas auf die Dauer schadlos an jenen vorbeigeht, die das schauen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie Neuankömmlinge in Deutschland das sehen. Sie glauben hinterher möglicherweise, zu wissen, wie Polizisten ticken und vor allem, dass man relativ risikofrei mit ihnen straflos umgehen kann. Man kann sie beleidigen, anrempeln, anpöbeln. Wie bei Facebook, so auch bei RTL. „Bisschen freundlich, Madame“, sagt da vielleicht ein Beamter, und das ist dann neben „Gehen se einfach mal ne Runde ummen Block“, schon das höchste der Interventionsgefühle.

Mit diesen Polizisten kann man alles machen. Sie sind Weicheier, Hampelmänner, Rückgratlose. Wenn sie sagen: „Es passiert ihnen jetzt nichts mehr. Die Polizei ist hier“, dann ist höchste Alarmstufe angesagt.

Die schlimmste Vorstellung dabei ist indes, dass dieses Polizistenbild eventuell sogar der Wirklichkeit näher kommen könnte als man noch vor einem Jahr ahnen wollte. Insofern ist Programmgestaltung auch ein Stück Gesellschaftsgestaltung. RTL wäre gut beraten, die vom Sender ausgesandten Blaulichtretter im Auge zu behalten.