Sagen Sie jetzt bitte „Hmmm, lecker.“ Sagen Sie bitte nochmal „Hmmm, lecker.“ Prima. Schon ganz nett. Jetzt folgt die Variation: „Hmmm, köstlich.“ Gut, Sie machen das gut. Jetzt plaudern Sie bitte noch einen Satz aus Ihrem kulinarischen Erfahrungsschatz aus, der unbedingt in ihrer ganz persönlichen Familientradition gründeln muss. So was wie: „Meine Mutter hat die Eier ja immer abgeschreckt, aber das macht meine heute nicht mehr so, oder?“

Wunderbar, Sie haben den Job. Sie können morgen anfangen als Moderator in der Nachmittagsküche eines dritten Programms. Suchen Sie sich aus, ob es „Daheim und unterwegs“ oder „Wir in Bayern“ oder „MDR um 4“ oder „Kaffee oder Tee“ oder „Mein Nachmittag“ sein soll. Gekocht wird überall, und überall steht ein Moderator bereit, der total interessiert tut. Der sind bald Sie.

Man muss sich diese Nachmittagsmagazine in den Dritten ein bisschen vorstellen wie die Hölle, durch die man muss, wenn man in den Himmel will. Oder man ist dort in der Hölle gelandet, weil man mal im Himmel war und diesen wegen mangelhafter Quotenbilanz wieder verlassen musste. Dann bekommt man sein Gnadenbrot im regionalen Dritten gereicht und muss sich um die Seniorenbetreuung kümmern. Nein, man muss keine Windeln wechseln und auch nicht beim Anziehen der Stützstrümpfe helfen. Man muss einfach nur dastehen und Dinge erfragen, die der Zuschauer eh schon weiß

Am besten geht das beim Kochen. Gekocht wird überall. Von Köchen, die zwar gut kochen können, aber ein bisschen zu mundfaul sind, um in der ersten, der Kerner-Garde des deutschen Fernsehens, mit zu kochen. Oder sie sind zu ungelenk oder sehen nicht ganz so dolle aus. Alles möglich. Man muss sich das Kochen im Dritten vorstellen wie Fußball im Abseits, in der kulinarischen Regionalliga quasi.

Wichtig ist bei diesen Sendungen, dass die Köche nie allein am Herd stehen dürfen. Nicht jeder ist ein Steffen Henssler oder ein Tim Mälzer. Deshalb haben die Regionalligaköche immer einen Betreuer zur Hand. Die Betreuer nennen sich Moderatoren, haben oft schicke Karteikärtchen in der Hand, von denen sie Sätze ablesen wie „Linsen sind ja sehr gesund.“ Ob auch „Hmmm, lecker“ auf den Karteikärtchen steht, war durch monatelange Recherche nicht zu ermitteln, aber wenn man ein paar dieser Nachmittagszauseln anschaut, kommt man leicht auf den Gedanken, dass es so sein könnte.

Schaut man dem Treiben der Topfgucker eine Weile zu, merkt man schnell, wo sich die Macher von Zombie-Serien ihre Ideen holen. Schaut man noch eine Weile länger zu, keimt die Frage, was eigentlich mit diesen Gestalten geschieht, wenn die Kameras ausgestellt werden. Kommt dann jemand aus der Kulisse und betätigt am Rücken der „Hmmm, lecker“-Sager einen Schalter? Werden die dann über Nacht in eine Kühlkammer gesperrt, wo ihr „Hmmm, lecker“ immer leiser klingt und irgendwann völlig erstirbt? Ich weiß es nicht, aber das sind halt Gedanken, die ein Gehirn entern, das man nachmittags zu lange diesen Sendungen aussetzt.

Ich weiß, die Schäden sind selbstverschuldet. Wer sich diesem geriatrischen Gutelaunezirkus aussetzt, sollte vorher lange bei Gutelaunesendungen im Privatradio oder im ZDF-Fernsehgarten trainieren. Er muss schließlich wissen, was er sich einhandelt. Spricht man mit Fernsehverantwortlichen und sichert ihnen Verschwiegenheit zu oder wenigstens, dass man ihren Namen nicht nennen wird, dann berichten sie stolz, dass nirgends sonst so billig Fernsehen gemacht wird. „Ein Testbild wäre teurer“, sagte mal jemand. Das war natürlich als Scherz gedacht, ist aber trotzdem so haarscharf neben der Realität platziert, dass einem das Lachen vergehen möchte.

„Basilikum ist ja auch sehr gesund“, sagt ein Moderator, und der werkelnde Koch echoet dazu: „Ja, sehr gesund.“ Genau so geht komplett automatisiertes Fernsehen. Ich bin mir sicher: Da wird nicht gekocht, da wird bereits mit künstlicher Intelligenz experimentiert. Die Gestalten da im Fernsehen sind längst keine humanen Wesen mehr, das sind Roboter, die im Auftrag sparfuchsiger Intendanten programmiert werden, und wenn sie „Hmmm, lecker“, sagen können, werden sie auf den Bildschirm entlassen.

Neulich habe ich nach so einer Sendung schlecht geträumt. Ich wähnte mich in einem Seniorenheim eingeschlossen. Ich irrte durch die Gänge. Auf einmal hatte ich sie hinter mir. Gestalten mit Töpfen und Kochlöffeln und Moderationskärtchen. „Hmmm, lecker“, sagten sie. Immer wieder. „Hmmm, lecker.“ Ich begann zu laufen, aber je schneller ich lief, desto lauter wurden die Stimmen. „Hmmm, lecker.“

Ich bin danach aufgewacht. Schweißgebadet. Ich habe irgendein TV-Morgenmagazin eingeschaltet und fand es plötzlich sehr anspruchsvoll. Beinahe Bildungsfernsehen ist das, dachte ich. Und das Beste: Niemand sagt „Hmmm, lecker.“