Ich habe jetzt herausgefunden, wie man schlechtes Radio von ganz schlechtem Radio unterscheidet. Ich sitze da, höre zu, und wenn dann jemand „Der beste Mix“ sagt, dann ist sofort Sense. Im günstigsten Falle drücke ich auf den Umschaltknopf. Bin ich härter drauf, mache ich ganz aus, und wenn ich meine Tage habe, dann nehme ich einen Stein und pfeffere ihn in mein Radio. „Da, du dumme Sau“, sage ich dann und hasse mich schon im selben Moment dafür.

Aber was soll ich machen? Ich bin enttäuscht von einem Medium, das mich beim Aufwachsen begleitet hat, das mir Entdeckungen ermöglichte, das mir Welten eröffnete, von denen ich nicht mal wusste, dass es sie überhaupt gibt. Wo Radio war, war vorne. Im Radio wurden Trends geboren, gemacht, zelebriert.

Im Radio gab es Persönlichkeiten, von denen man nicht wusste, wie sie aussahen. Man machte sich halt ein Bild nach der Stimme. Ob das mit der Realität übereinstimmte, blieb meist unklar, was okay war, denn kriegte man irgendwann ein Bild zur Stimme, passte das in seiner Banalität selten zur Größe, die man sich zurechtphantasiert hatte. Ein bisschen war das, als hätte man das Buch verschlungen und müsste nun den Film sehen. Geht selten gut sowas.

Heute ist Radio gaga. Endgültig. Es ist vorbei, das Medium liegt im Sterben. Und das beste Zeichen fürs Siechtum ist, wenn jemand „Der beste Mix“ sagt. Dann kann man sehr sicher davon ausgehen, dass jene, die da am Mikrofon stehen, ihre Hörer für dümmer als Brot halten.

Ich weiß nicht, wie das kommt, dass sie alle immer „Der beste Mix“ sagen müssen. Ich laufe ja auch nicht rum und schreibe alle paar Zeilen „Der beste Text“. So etwas kann man doch nur tun, wenn man den Ehrgeiz, etwas in dieser Welt besser zu machen, lange schon hat fahren lassen. Man hat dann sogar aufgehört, diesem Ambitionspups noch nach zu lauschen. Gone, gone, the damage done.

Wer hat das deutsche Radio eigentlich so kaputt gemacht? Wer hat den Menschen eingeredet, dass dieses Medium nur taugt, wenn es nicht weiter stört? Wer sind diese Volksverderber, die ihr Leben nur dann für gelungen halten, wenn sie möglichst viele Gewinnspiele und Senderkennungen in eine Stunde packen. Und natürlich „Der beste Mix“.

Jedem Menschen mit einem Abstraktionsvermögen knapp über dem von halbschimmeligem Kartoffelsalat muss doch klar sein, dass eine Behauptung nur funktionieren kann, wenn sie halbwegs mit Wahrheit unterfüttert wird. Wer aber immer wieder „Der beste Mix“ sagen muss, der weiß doch innerlich, dass er weit davon entfernt ist, den Superlativ zu erfüllen. Genauso gut könnte der Moderator dann sagen „Die dümmste Welle“. Käme auch hin, würde in etwa das Gleiche bedeuten wie „Der beste Mix“.

Ja, ich weiß, es gibt die Wortwellen, es gibt hier und da noch die Wahl, sich intelligent zu informieren. Aber sobald Musik ins Spiel kommt, läuft ein Sender Gefahr von „Der beste Mix“ infiziert zu werden. Ausnahmen bestätigen die Regel. „Der beste Mix“ greift um sich. Immer mehr.

Ich spare mir übrigens ganz bewusst die schlechten Wortsiele, die mir bei „Der beste Mix“ alle einfallen und für die ich mich, sollte ich sie gerade beim Leser provoziert haben, ausdrücklich entschuldige. Aber irgendwohin muss ich hin mit meinem Unmut. Vielleicht ist das mit „Der beste Mix“ aber auch nur so etwas wie der Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Diese Radioleute sind verzweifelt und wissen, dass sie ihre Hörer demnächst ans weite Netz verlieren werden. Da beschleunigen sie das Ableben halt noch ein bisschen. Benzin ins Feuer. „Der beste Mix“.

An diesem Sonntag präsentieren Olli Schulz und Jan Böhmermann erstmals ihre Nachfolgesendung zu „Sanft & Sorgfältig“. Bei Spotify. So weit ist es schon gekommen. Nach all dem, was man so hört, haben es die öffentlich-rechtlichen Hörfunkmacher den beiden nicht wirklich schwer gemacht, zu desertieren. Nein, sie haben sie nicht vertrieben, aber sie waren auch nicht in der Lage und wohl auch nicht willens, sich mal den Arsch aufzureißen, um solch ein feines Programm in den eigenen Reihen zu halten. Gehen die halt weg, die beiden. Auch egal.

Nun sind die Stationen, die bisher „Sanft & Sorgfältig“ im Angebot hatten, nicht die schlechtesten in der Republik. Die haben noch durchaus Anspruchsvolles im Angebot, und sie sind meilenweit von den „Der beste Mix“-Sagern weg.

Trotzdem wirkt es wie ein Menetekel für das Medium. Das Radio zerfranst, weil da zu viele dabei sind, die sich einen Dreck für ihr Medium interessieren, weil sie nur noch Zielgruppen nachhecheln und bescheuerte Ansagen der überkumpeligen Art beherrschen.

„Der beste Text“ hier auf DWDL.de. Klicken Sie auch nächste Woche wieder rein. „Der beste Text“ exklusiv nur bei „Das Hoff am Sonntag“. „Der beste Text“. Klingt das bescheuert? Ja, ganz sicher, und es ist auch bescheuert. Liebe Radioleute, die ihr noch über ein Hirn verfügt, das mehr als nur eure Körpersäfte zu regulieren weiß: Lest das mal laut vor, hört euch selbst dabei zu, schüttelt mit dem Kopf, und dann steht ihr auf und verweigert ab Montag in allen Stationen den Standardspruch. Ein Montag ohne „Der beste Mix“. Das wäre was.