Puh, gerade nochmal davongekommen. "Dance Dance Dance" ist vorüber, und niemand hat mich aufgefordert, mitzutanzen. Ich musste mir lediglich anschauen, wie ein paar Gestalten sich in kreativer Körperverbiegung geübt haben. Die einen elegant, die anderen nicht so, dass man danach ein Körperbild zeichnen möchte.

Mich macht diese ganze Tanzerei wahnsinnig. Überall wird jetzt gehoppelt und gehüpft, verrenken sich Gestalten, die von den Veranstaltern als prominent verkauft werden. Gefühlt läuft jeden zweiten Tag "Dirty Dancing". Das stresst mich.

Ich habe ein Tanztrauma. Gebe ich gerne zu. Ich musste mal zwecks Beziehungshygiene einen Tangokurs absolvieren, und das war so ziemlich das mit der heftigsten Entwürdigung einhergehende Erlebnis meines Lebens. Dauernd musste ich führen und zeigen, wo es lang geht. Ich konnte das nicht, und genau deshalb war es für mich eine permanente Wiederholung meiner Unfähigkeit, eine dauerhafte Demütigung. Dauerschleife Deppentum.

Ich will das nicht mehr, aber jedes Mal, wenn im Fernsehen getanzt wird, kommt wieder dieses Trauma hoch. Dann verkrieche ich mich in die finsterste Ecke meines Anwesens und bitte den lieben Gott inständig, nicht aufgefordert zu werden.

Das ist besonders witzig, weil natürlich kein Mensch mit klarem Verstand auf die Idee käme, einen alten Sack wie mich aufzufordern. Mental habe ich diese Erkenntnis zur Verfügung, nur weiß mein Körper nichts davon und spielt jedes Mal verrückt, wenn im Fernsehen getanzt wird.

Wie froh war ich, als "Got To Dance" abgesetzt wurde, und immer wenn "Let’s Dance" das Staffelfinale hinter sich hat, mache ich eine Flasche Champagner auf. Geschafft! Überlebt!

Ich hoffe dann, dass dieser dusselige Tanztrend im Fernsehen vorbei sein möge. Ist er natürlich nicht. Immer kommt was nach. Immer findet noch irgendein Sender einen neuen Anlass, hüftschwingende Heroen zu küren.

Nun moderiert Lena Gercke demnächst "Deutschland tanzt", was mich extrem beunruhigt, weil der Titel ja eben mal die ganze Nation für sich einnimmt, und zu dieser Nation gehöre ich auch. In meinen Alpträumen sehe ich mich plötzlich aufgefordert, auf die Tanzfläche gezerrt, und irgendeine Stimme diktiert mir die Bewegungsfolge: Vorseitschritt, Rückseitschritt… Ich wache dann stets schweißgebadet auf und schaue nach, ob vor meinem Bett Tanzschuhe stehen. Könnte ja sein, dass irgendein Sender das mit dem Factual Entertainment übertreibt und die Trends kreuzen will. Dann müssen plötzlich dicke alte Männer zum Abnehmen tanzen. Ich sehe mich dann schon schwitzen zwischen den doppelten Olivers, also Welke und Kalkofe, wobei mir, das zumindest ein Trost, jeder Seitenblick verraten dürfte, dass ich wenigstens Leidensgenossen habe.

Aber wo viel Dunkel ist, kommt irgendwann auch wieder mal ein bisschen Licht in die Angelegenheit. Ich bin da zwar vorsichtig, weil sich schon zu oft das Licht am Ende des Tunnels als heranrasender Zug entpuppte. Aber trotzdem habe ich Hoffnung.

Das Indiz, das mich mit Optimismus impft, ist die Tatsache, dass sogar die WDR-Unterhaltung das Tanzen entdeckt hat. Eine Dokusoap namens "Tanzfieber" haben sie im Programm. Morgen läuft die letzte Folge.

Das stimmt mich froh, denn ich weiß, dass Trends im Fernsehen sich ziemlich ihrem Ende zuneigen, wenn sie von öffentlich-rechtlichen Programmmachern entdeckt werden.

Klare Sache. Der WDR hat es im Programm? Dann kann es nicht mehr lange dauern, bis es sich ausgetanzt hat. Das wäre doch was für Traumatisierte wie mich. Nicht dass ich mich zu wichtig nähme. Ich könnte ja auch einfach abschalten. Aber letztlich ist es doch auch mein Fernsehen, und da hilft letztlich nur das Fordern. Darf ich bitten?