Über mir schwebt eine Kamera. Sie filmt mich von oben. Sie zählt mein vorhandenes Resthaar. Sie hat nicht viel zu tun. Aber sie ist da. Warum? Weil sie es kann. Da sein, fliegen, filmen. Kaum noch eine Produktion kommt ohne Draufsicht aus. Unten ist das Leben, und oben dröhnt ein Fluggerät mit Kamera. Oft komplett sinnlos, aber ohne „von oben“ kommt kaum noch eine Produktion aus.

Nun sind Establishing Shots aus der Luft nicht das ganz neue Ding. Gab es schon früher häufig. Da flog zum Start ein Hubschrauber über eine Stadt, während per Insert die Besetzung angekündigt wurde, die Musik dräute und die Menschen draußen wussten: Aha, die oder die Stadt. Dann ging es runter, und nur gelegentlich erhob sich der Hubschrauber noch einmal zum Finale. Draufsicht, dräuende Musik. Fertig.

Das war nicht immer sinnvoll, aber effektiv im Sinne von Effekt. Man sah sich halt selten von oben. Aber dann kamen die Drohnen. Erprobt im Krieg und in der Landwirtschaft sind Drohnen inzwischen brauchbares Werkzeug geworden. Vor allem sind sie billiger als ein Heli. Mit etwas Geschick und Ausdauer lassen sich da beeindruckende Aufnahmen fertigen. Aufnahmen, mit denen man all jene beeindrucken kann, die sonst nur unten sein dürfen und glauben, per Draufsicht so etwas wie einen Überblick zu gewinnen.

Es gibt nun aber inzwischen so etwas wie die Schwemme der „von oben“-Filme. Alles scheint mittlerweile erfasst. Deutschland von oben, Europa von oben, die großen Städte von oben, oben von oben. Bei Tag und bei Nacht. Alles gebannt.

Die Kamera ist dabei immer in Bewegung. Die Menschen mögen das, wenn sich etwas bewegt. Sie haben dann das Gefühl, nah dran zu sein, einen exklusiven Standpunkt einnehmen zu dürfen, vielleicht mehr zu sehen als andere. Dazu kommt dann oft eine sonore Erzählstimme, die Nichtigkeiten verkündet. Viel zu oft ist das pures Effektfernsehen, das vom großen, vom neu wirkenden Panorama lebt. 

Wie nichtig das oft ist, kann man ermessen, wenn man sich nur mal vorstellt, die Offstimme würde dasselbe erzählen zu Aufnahmen aus einem fahrenden Auto. Ganz plötzlich würde dann die Inhaltsleere deutlich, würde klar, dass viele dieser „von oben“-Produktionen nicht viel mehr sind als eine in der Perspektive erweiterte Version der schönsten Bahnstrecken aus dem Nachtprogramm.

Die „von oben“-Macher müssen aufpassen, dass sie nicht verkommen zu Schöpfern bewegter Touristikwerbekataloge. Sie sollten schon ein Thema haben, bei dem die Luftaufnahmen wirklich einen Sinn ergeben. Wenn man beispielsweise aufzeigen will, wie Städte oder Landschaften früher angelegt waren oder wie ihre Strukturen funktionieren, kann die Draufsicht eine Bereicherung sein. Wenn man nur fliegen will, weil man fliegen kann, wird es rasch langweilig.

Vom Effekt verführt werden auch immer häufiger Filmemacher. Für die kommen Hubschrauberflüge aufgrund arg geschrumpfter Etats ohnehin nicht mehr in Frage, weshalb sie ihren Produktionen jetzt jetzt gerne mal die Drohne aufsetzen. Immer häufiger sind da Szenen zu sehen, bei denen das, was eben noch am Boden passierte, aus der Luft ergänzt wird.

Nein, es wird nicht ergänzt. Da würde ich dagegen halten. Ich behaupte einfach mal, dass 90 Prozent aller Drohneneinsätze im deutschen Fernsehen eher Notlösungen und nicht zwingend sind. Zwingend wäre die luftige Aussicht, wenn sie beitrüge zum Gesamtbild, wenn sie nicht nur einfach das Draufpacken einer anderen Sicht wäre, mit der kaschiert werden soll, dass einem am Boden nicht allzuviel eingefallen ist, dass man dort beengt war oder sonstwie nicht mehr weiter wusste.

Ich plädiere daher für eine gemäßigte Abrüstung. Wenn sich alle nochmal Gedanken machen, ob die jeweilige Luftnummer wirklich mehr Klarheit in die Geschichte bringt, dann könnte man sich die Düserei oft sparen, dann könnte wieder das zählen, was auf Augenhöhe passiert. Gute Stories spielen im Zwischenmenschlichen, und das maßgebliche Bild ist normalerweise das, was meine Augen erfassen. Alles andere will mit Maß eingesetzt werden, sonst wird es zu leicht zur Luftnummer.