Man muss mir ja öfter mal Dinge erklären, weil mein mentales Betriebssystem in digitaler Steinzeit installiert wurde und ich selten sicher bin, dass ich alle notwendigen Updates am Start habe. Mich strengt das leider sehr an mit dem dauernden Aktualisieren. Zudem habe ich gelernt, dass es ohnehin nicht immer zu meinem Besten ist. Gerade hat mir etwa ein Techniker erklärt, dass es völlig normal sei, dass mein Macbook Air neuerdings nicht mehr nach sieben, sondern schon nach drei Stunden leer ist. Da hätte ich mir halt ein neues Betriebssystem eingefangen, und das beinhalte jede Menge neue Funktionen. Die wollte ich zwar nie und brauche sie schon gar nicht, aber die sind es auf jeden Fall, die jede Menge Strom fressen. Das alles verriet mir der Experte, der aber gleichzeitig andeutete, dass das irgendwann mal besser werde, wenn erst die nächsten Updates durch seien. Ich fragte ihn, ob ich wieder zurückkönne auf mein altes Betriebssystem. Er lächelte nur, und ich meinte, Mitleid in seinen Gesichtszügen zu entdecken.

Ich fragte ihn dann sicherheitshalber noch, ob er den Hype um Sarah und Pietro Lombardi verstehe, ob er sich erklären könne, was immer noch so lustig an denen sei, dass kein Komödiant mehr ohne die Erwähnung der beiden auskommt. Prompt wurde aus dem Mitleid im Gesicht des Technikers Besorgnis. Er legte eine Hand auf meine Stirn und riet mir, rasch ein mentales Update aufzuspielen, auf dass ich weiter mitmachen könne im lustigen Zirkus Lombardi. Will ich aber nicht.

Ganz im Ernst, ich verstehe das alles nicht mehr. Ich kenne Sarah und Pietro seit ihren öffentlichen Anfangstagen und habe im Augenwinkel stets verfolgt, was sie so tun, was sie lassen und was sie davon wo posten. Ich habe gesehen, wie sie ihr Leben komplett in die sozialen Netzwerke verlagert, wie sie all ihre Liebe und all ihren Streit vor der Kamera ausgetragen haben. Ich habe gesehen, wie RTL II sich genüsslich über sie hergemacht hat, wie der Sender unter Vorspiegelung von Besorgtheit in ihrem Seelenleben wütete, wie sich „Bild“ und „Express“ über die restlichen Innereien hermachten und jede herausgerissene Darmschlinge wie eine Trophäe durch die Lüfte trugen. Das alles hielt ich für das normale Geschäft von publizistischen Aasgeiern, und anfangs habe ich auch hier und da geschmunzelt, wenn sich die beiden öffentlich zum Vollhorst gemacht haben, wenn zu beobachten war, wie ihnen das Geschäft mit der eigenen Prominenz zunehmend entglitt.

Ich bin Dschungelcamp-erprobt. Ich weiß, dass jene, die dort mitwirken, dies in vollem Bewusstsein des Risikos tun, in breiter Öffentlichkeit zum Trottel abgestempelt zu werden. Aber die Zurschaustellung ist in der Regel zu Ende, wenn das Camp seine Pforten schließt und RTL die Nachbereitung abgeschlossen hat. Dann können diese Gestalten alle in ihr Leben zurückkehren, können sich entscheiden, etwas anderes zu tun.

Im Fall von Sarah und Pietro liegt der Fall meines Erachtens anders. Mein süffisantes Lächeln schwand nämlich, als ich sah, wie das Paar, das nun keines mehr ist und doch weiter sein muss, ins Tragische abdriftete, wie die beiden immer mehr jenen Zauberlehrlingen glichen, die die Geister, die sie riefen, nicht mehr zu beherrschen wussten.

Ich verspürte das Bedürfnis, beide einzupacken und mit ihnen an einen Ort zu fahren, wo man kein Netz hat, wo es keine Öffentlichkeit gibt. Ich würde die beiden dort für ein halbes Jahr versorgen, sie abschirmen, sie schützen vor dem eigenen Tun. Ich glaube, dass sie schon lange nicht mehr Täter sind, sondern nur noch Opfer.

Genau hier kommt dann der Punkt zur Sprache, den ich nicht verstehe. Wieso ist es so lustig, immer noch Witze über Sarah und Pietro zu machen? Wieso nimmt Jan Böhmermann sie immer dann hoch, wenn ihm sonst nichts mehr einzufallen scheint? Ist das nicht genau der Jan Böhmermann, der sich kürzlich erst darüber echauffierte, dass RTL bei „Schwiegertochter gesucht“ Menschen zur Schau stellt und schamlos ihr Wollen ausbeutet? Wie passt das zusammen?

Man kann doch nicht ernsthaft das eine verurteilen und dann in einem ähnlich gelagerten Fall Witz saugen aus der offensichtlichen Unfähigkeit von Personen, die Tragweite ihres Tuns zu überblicken. Witze über Sarah und Pietro sind nicht mehr lustig. Vor allem nicht, wenn sie gehäuft vorkommen. Sie funktionieren nur noch als billige Selbstvergewisserung der eigenen Überheblichkeit.

Ich weiß, dass nun der Vorwurf kommt, dass ich mich mit meinen moralischen Bedenken selbst über jene erhebe, um die ich mich angeblich sorge. Dem halte ich entgegen, dass es nicht meine Absicht ist, mich zu erheben. Ich sorge mich wirklich, und ich finde, dass Menschen mit einem IQ über Kartoffelsalat in der Lage sein sollten, genau hinzuschauen, über wen sie sich lustig machen.

Selbst wenn Böhmermann demnächst innehält und keine Witze über Sarah und Pietro mehr einstreut, werden die Witze über sie noch lange genug nachhallen. Es dauert halt eine Weile, bis ein Trend auch im letzten Hunsrück- oder Eifeltal angekommen ist. Es dauert genau so lange, bis er dort verhallt.

Suchen wir uns doch lieber öffentliche Gestalten, die unseren Spott wirklich verdienen. Aktualisiert eure Gag-App. Von mir aus macht Witze über mich. Ich halte das aus. Aber lasst Sarah und Pietro in Ruhe. Und wenn sie sich wieder melden, weil sie nicht anders können, dann ignoriert sie einfach. Ist besser für sie. Ist besser für alle.