Es ist in diesen Tagen ja ein bisschen Zeit für Besinnung. Hoffentlich. Es soll ja die Zeit der Mitmenschlichkeit sein, die Zeit, in der man sich auch jener erinnert, denen es nicht so Gold geht, die auf der Straße ihr Innerstes nach außen kehren müssen.

Ich traf so jemanden vor Weihnachten in der Kölner Innenstadt. Er hatte goldene Locken und ein ebensolches Wams. Beim ersten Blick dachte ich kurz, ich hätte einen Engel gesehen. Aber dann war es doch nur Thomas Gottschalk. In Wahrheit war es noch nicht einmal Thomas Gottschalk. Es war nur sein Bild. Auf einer Werbetafel für ein riesiges Möbelhaus. Nun also auch noch Gottschalk, dachte ich und spürte Mitleid in mir aufsteigen.

Nun hat es diesen einst großen Unterhalter also auch erwischt. Er ist da angekommen, wo es tiefer nicht mehr zu gehen scheint. Er spielt jetzt in einer Liga mit Guido Cantz. Oder eigentlich ist es noch schlimmer. Gottschalk warb für eine Möbelhauseröffnung in der Kölner Vorstadt Pulheim. In Pulheim! What a name! Was für ein Schicksal?

Zur Erinnerung. Thomas Gottschalk, das war mal MC Samstagabend, der ultimative Kick für die ganze Sippe, der Babo vom ZDF. Was der am Samstag trug, war am Montag danach Gesprächsthema. Und jetzt? Möbelhauseröffnung!

Da stellt sich doch die Frage: How Low can you go? Wie geht es weiter: Next Stop QVC? Eine eigene Pudelkollektion präsentieren? Oder: Parkhaus-Eröffnung in Castrop-Rauxel mit Gage pro angefangene Stunde?

Ich frage: Was ist mit Würde? Okay, ich korrigiere: Was ist mit Restwürde? Muss man für Geld alles machen? Wird aus Gottschalk ein ewiger Wiedergänger auf der Suche nach einem kleinen Zipfelchen Aufmerksamkeit, das man irgendwie monetarisieren kann? The walking Oliver Pocher quasi?

Das Geschäft ist grausam. Ganz oben und ganz unten. Günther Jauch rettet Kirchen in Potsdam, und sein einst bester TV-Kumpel wirbt für Möbelhauseröffnungen in Pulheim. Ich meine, viele machen Werbung. Aber es schmerzt natürlich umso mehr, je tiefer der Fall.

Wie weit ist es noch von Pulheim ins TV-Prekariat? Ist ein Gottschalk im Dschungelcamp weiterhin unvorstellbar? Wie teuer kann die Ausbildung seiner Kinder noch werden, dass er dafür so tief in den Schlamm muss?

Vielleicht wäre es ihm eine Warnung, zeigte man ihm, wie RTL kürzlich der einstigen Bohlen-Gespielin Naddel den einst berühmten Gesichtsverzieher Peter Zwegat auf den Hals schickte und beide zeigen mussten, dass es mehrere Arten gibt, sehr schlecht auszusehen. Dann wurde noch Zwegats Diagnose von Naddels Gesundheitszustandes herumgetrötet, alles in der Hoffnung, dadurch noch hier und da einen Roter-Teppich-Job abzubekommen. Dabei wird es weder für Zwegat noch für Naddel je wieder für eine Möbelhauseröffnung langen. Vielmehr werden sie nach ganz unten durchgereicht, weil von oben die Gottschalks dieser TV-Republik nachdrängen.

Aber wahrscheinlich ist dieses „ganz unten“ nur eine RTL-Simulation, die demnächst aufgelöst wird in einer Ausgabe von „Team Wallraff“. Dann wird sich Peter Zwegat live die Maske herunterreißen, und darunter wird Günter Wallraff hervorschauen und aufzeigen, mit welchen Mitteln RTL Menschen vorführt.

Es ist nur die Hoffnung, dass das alles nicht wirklich wahr sein möge. Es ist der Versuch, die bittere Wahrheit mit dem Hauch einer Möglichkeit zu verschleiern, ein wenig Illusion übrig zu lassen. Das Christkind haben mir meine Eltern viel zu früh durch unnötige Aufklärung genommen und nicht daran gedacht, dass diese Urmutter aller Fake-News meine Kindheit erst so richtig schön kuschelig ausgeschmückt hat. Was danach kam, war nur die grausame Kälte des Realen, die ich durch verstärkten Fernsehgenuss zu mildern versucht habe. Daher meine Bitte: Lasst mir jetzt doch bitte wenigstens den Gottschalk. Ist doch Weihnachten.