Ich bin ja nebenbei auch hobbymäßig als Psychotherapeut tätig, und da kommen mir ab und an Klienten unter, die über mangelnde Aufmerksamkeit in ihrem kleinen Leben klagen. Niemand beachtet sie, niemand hört ihnen zu, sie werden einfach übersehen. Sie können tun und lassen, was sie wollen, die Welt will nichts von ihnen wissen.

Lange habe ich solchen Menschen eine Karriere als Troll empfohlen und mit ihnen geübt, nichtsnutzige oder destruktive Kommentare bei Facebook abzusondern. Das funktionierte eine ziemliche Weile ziemlich gut, und meine Schäfchen freuten sich, dass man sie zur Kenntnis nahm, auch wenn sich die Begeisterung jener, die sie zur Kenntnis nahmen, regelmäßig in Grenzen hielt.

Nun ist es aber leider so, dass etliche Facebook-Nutzer genug haben von Trollen, von nichtsnutzig miesgelaunten Kommentaren, die niemals die Welt besser machen, die nur dafür sorgen, dass jene, die sie ausscheiden, sich ein bisschen wichtig vorkommen. Selbst Boulevardmedien, die dafür bekannt sind, inzwischen mehr als die Hälfte ihres Inhalts aus Netzinhalten zu saugen, wollen nicht länger jede unqualifizierte Meinungsäußerung im Netz zum Shitstorm adeln, nur weil sich eine Handvoll Trolle die Bälle zuspielt. Noch haben nicht alle verstanden, dass da wenige mit viel Getöse so tun, als wären sie viele. Aber es werden immer mehr Einsichtige. Von Monat zu Monat reift die Meinung, dass man die Trolle ungefähr so ernst nehmen muss wie einen Besoffenen, dem man auf dem nächtlichen Nachhauseweg begegnet. Man macht einen Bogen um den armen Menschen und nimmt sich das, was er in seinem Zustand absondert, nicht weiter zu Herzen.

Solch eine Änderung spüren meine Klienten natürlich als erste. Schon stehen sie wieder auf der Matte und beklagen erneut, dass sie keine Beachtung finden, dass ihnen niemand zuhört, dass sie einfach übersehen werden, dass sie nicht einmal mehr im Kölner „Express“ ihren Dreck verschleudert bekommen.

So etwas ist natürlich ein Problem in einer psychotherapeutischen Praxis, weshalb ich meinen Klienten inzwischen zu einer neuen Taktik rate. Sie sollen Klage erheben gegen den Rundfunkbeitrag. Der Grund ist unerheblich. Die Hauptsache ist, sie erheben Klage. Kaum ist nämlich ihr Schreiben bei Gericht eingegangen, erscheinen jede Menge Artikel über diese Klage in den einschlägigen Medien. Klagen gegen den Rundfunkbeitrag sind immer ein Medienthema und landen gerne auf Top-Positionen.

Einer meiner Klienten führt an, dass sein Dackel vom Ansehen des ZDF Magenkoliken bekommt, dass das Zweite somit die Unverletzlichkeit seiner Wohnung beeinträchtigt und gegen Tierschutzauflagen verstößt, wofür er natürlich keine 17,50 Euro monatlich hinlegen will.

Natürlich berate ich meinen Klienten bei der Erstellung der Klagen und achte darauf, dass die entsprechenden Buzzwords, auf die Medien immer anspringen, vorkommen. Zwangsgebühr und GEZ-Terror sind wichtige Ingredienzien, die für eine größtmögliche mediale Verbreitung vonnöten sind.

Ideal ist natürlich die Verquickung mit Religion. Religionsfreiheit, die durch die Zwangsgebühr beeinträchtigt wird, das geht immer. Darüber wollen alle berichten, das ist Futter für empörte Leser, das zieht.

Dass die Klagen allesamt abgewiesen werden, spielt für die von mir verordnete Therapie überhaupt keine Rolle. Schließlich haben wir bis zur Abweisung schon ordentlich Öffentlichkeit erreicht. Einmal erscheinen Artikel über uns, wenn wir die Klage einreichen und dies den geneigten Skandalisierungsmedien kundtun. Das zweite Mal kommen wir vor, wenn sich das Gericht anschickt, sich mit unserer Klage zu befassen. Und wenn die Klage abgelehnt ist, machen wir natürlich einen auf „Jetzt erst recht“ und schöpfen alle Rechtsmittel aus. Kostet manchmal ein bisschen was, aber meinen Klienten sind alle Mittel recht, die sie herausholen aus ihrer Schattenexistenz.

Selbst wenn wir den Rechtsweg ausgeschöpft haben, ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Dann denken wir uns was Neues aus, schreiben Zwangsgebühr und GEZ-Terror rein, und schon läuft die Medienmaschine wieder an.

Und wenn wir selbst damit durch sind, dann führen wir das Stück „Beitragsverweigerer“ auf und zahlen einfach nicht mehr. Dann kriegen wir viele Mahnbriefe, die wir mit dem Stempel „Unverschämtheit“ und „Zwangsgebühr“ an interessierte Medien, also an alle, weitergeben.

Spannend wird es, wenn der Gerichtsvollzieher anrückt. Dann organisieren wir eine Pressekonferenz und lassen Medienvertreter zuschauen, wie man uns ausbeutet. Müssen wir gar in Haft, um den Beitrag zu erzwingen, sind wir ganz schnell Aufmacher in etlichen Medien.

Ich habe kürzlich mal jemanden getroffen, der in Erzwingungshaft sollte, weil er aus Protest seinen IHK-Beitrag nicht bezahlen wollte. Hat sich keine Sau drum gekümmert. Da konnte er noch so oft Zwangsgebühr rufen, es interessierte niemanden, erst recht keine Zeitung. „Hättest du mal den Rundfunkbeitrag verweigert“, habe ich ihm ins Gefängnis geschrieben. Dann wäre jetzt medial richtig was los.

Ich bin sehr gespannt, wie lange das noch gut geht. Nicht dass hinterher noch irgendwer bei irgendeinem Blatt oder irgendeinem Onlinemedium darauf kommt, dass es sich bei den Klagenden letztlich nur um verirrte Gestalten handelt, die nach ihren15 Minuten Ruhm suchen.