Ich habe jetzt auch eine Fake-News-Einheit. Die ARD will eine, die Bundesregierung hat wohl schon eine, und sogar Facebook hat angekündigt, sich verstärkt um Fake-News zu kümmern. Wie könnte ich da hintenan stehen?

Erste Zusammenkünfte meiner Fake-News-Guards zur Definition ihres Aufgabengebietes haben ergeben, dass wir unter Fake-News Nachrichten einordnen, die komplett falsch oder komplett irrelevant sind, die fahrlässig in ein erkenntnistheoretisches Nirwana führen. Dementsprechend haben die Mädels und Jungs von der Einheit schon mal Filter eingebaut, die ähnlich funktionieren wie ein Ad-Blocker.

Seitdem wimmeln über meinen Bildschirm jede Menge Sperrhinweise. Gefühlte 90 Prozent der Angebote, die ich morgens gewohnheitsmäßig durchklicke, sind nicht mehr zugänglich. Ich klicke auf bild.de, und Wumms erscheint der von meinem Fake-Squad angefertigte Stempelabdruck „FAKE NEWS!!!“. Natürlich in Versalien mit drei Til-Schweiger-Zeichen am Schluss. Darunter ein Hinweis, dass ich den Fake-Blocker umgehen kann, wenn ich mag. Unterlegt ist der Hinweis mit einer Warnung „Kann Spuren von Wahrheit enthalten“. Hmmm. Was tun?

Auch bei Focus Online das gleiche Bild „FAKE NEWS!!!“ Eigentlich bei fast allen Burda-Digitalprodukten. Immer wieder „FAKE NEWS!!!“ Die Durchklickerei am Morgen ist plötzlich zu einer sehr mühseligen Angelegenheit geworden. Immer wieder „FAKE NEWS!!!“ Sogar bei Spiegel Online „FAKE NEWS!!!“

Eine Nachfrage in meinem F-Team ergibt, dass Spiegel Online den Stempel verdient hat, weil man dort die Berichterstattung größtenteils von Billigkräften erledigen lässt, was sich in der vergangenen Woche sehr fein belegen ließ, als just diese Billigkräfte nicht in der Lage waren, zwischen dem Antrag auf ein Verbot der NPD und dem daraufhin ergangenen Urteil zu unterscheiden. Blitzschnell war die Meldung, die NPD werde verboten, in der Welt, weil die Billigkräfte dachten, der Antrag sei das Urteil. Natürlich hat Spiegel Online versprochen, dass so etwas nicht mehr vorkommen werde. Ich möchte dem nur ein Wort entgegensetzen: Doch. Mit drei Til-Schweiger-Zeichen dahinter.

Ich glaube nämlich nicht, dass die Aushöhlung der traditionellen Strukturen, in denen sich ein Berichterstatter mit dem, wovon er berichten soll, ein bisschen auskennen sollte, aufhört. Kenntnis verhindert Schnelligkeit, und Schnelligkeit ist nun mal ein Wert an sich in der Welt der digitalen Dienste, wo notfalls einer vom anderen abschreibt.

Das behauptet jedenfalls die Bild, die nicht länger hinnehmen möchte, dass Focus hinter der Bezahlschranke spioniert und das Ausspionierte dann als eigene Meldung bringt. Bild klagt also. Ich wüsste da eine viel bessere Methode als die Klage bei Gericht. Ich würde jede Menge Falschmeldungen und komplett irrelevante Inhalte produzieren, das ganze hinter einer Bezahlschranke verstecken und dann zusehen, wie die Konkurrenz dort plündert. Wie bitte? Echt jetzt? Das tun die schon längst? Mann, Mann, Mann, man lernt nie aus.

Um es mal kurz zu sagen. Das, was ich aufgrund der Filterei meiner Fake-News-Einheit noch im Netz gefunden habe, was vom Tage übrig blieb, passte letztlich auf einen Bildschirm. Seitdem weiß ich nichts mehr von Trump, nichts mehr vom Dschungel und nichts mehr von Bernd Höcke oder wie diese falsche AfD-Schlagzeilenschleuder richtig heißt.

Die Frage an mein F-Team, ob ich in der Zeit irgendetwas von Relevanz verpasst habe, beantworten die Spezialistinnen mit einem Achselzucken. Wissen wir doch nicht, soll das wohl bedeuten.

Ein wenig erinnert mich das an Urlaube, nach denen ich daheim einen dicken Stapel Tageszeitungen vorfand. Drei Wochen ungelesene News. Was ich sonst am Morgen dringender brauche als meinen Kaffee, türmte sich auf einmal auf wie ein monströses Gebirge. Ich musste mich da regelrecht durcharbeiten, und hätte mich mittendrin jemand gefragt, was mir denn nun Relevantes in den Schädel gefahren wäre, hätte ich wahrscheinlich das gleiche Achselzucken bemüht wie meine Spezialisten vom F-Team. Unglaublich viele Dinge hatten sich nach ein paar Wochen von selbst erledigt, Gesetzesinitiativen waren kurz nach ihrer öffentlichen Forderung schon wieder versandet, und diverse Bedrohungen hatten sich als laue Lüftchen erwiesen. Wäre ich nach heutigen Maßstäben streng gewesen, hätte ich den Großteil des Gelesenen mit einem Stempel versehen müssen: „FAKE NEWS!!!“

Es ist wohl so, dass man sich als Nachrichtenjunkie auch berauscht am Vergänglichen, dass ich das Adrenalin, das manche Meldung morgens in meinen Körper pumpt, ebenso brauche wie das Koffein. Ob das am nächsten Tag noch von Belang ist? Mir doch egal.

So stellt sich rasch die Frage, ob Fake-News nicht viel zu oft auch ein Problem auf der Nachfragerseite sind. Würde jeder meine Fake-Blocker einsetzen, wären Bild und Focus und Spiegel Online wohl morgen schon pleite. Aber dann würde auch was fehlen. Die tägliche Erregung frei Haus gib uns heute. Und sei es nur, damit ich meinen Geist trainiere beim Aussortieren der falschen Nachrichten. Besser als Sudoku ist das allemal.

Ich werde also meine Fake-News-Einheit gleich wieder abschaffen. Sorry, Mädels und Jungs, war nur ein Versuch. Ich brauche offensichtlich diese Fake-News selber, ich bin an sie gewöhnt und halte damit meinen mentalen Einordnungsbetrieb auf Trab. Wie sangen Fleetwood Mac einst so süß wie schön? „Tell me Lies, tell me sweet little Lies. Tell me Lies.“