Gestern, am Samstag, fühlte ich mich sehr allein. Er war nicht da, wo er sonst immer ist. Ich zappte durch die Kanäle und fand ihn nicht. Nirgendwo. Das war sehr ungewöhnlich, weil es normalerweise nur zwei, drei Klicks braucht, und dann ist er da. Ich überlegte kurz, ob ich irgendwen anrufen könnte, um mich zu beschweren, wusste aber nicht, wer sich meine Klagen hätte anhören mögen. Ich grub dann tief in meinem Schreibtisch und fand einen Möbelhaus-Prospekt. Da war er wieder, der Mann, ohne den das deutsche Fernsehen quasi ungültig wäre: Auf der Titelseite des Prospekts, auf der Rückseite und innendrin auch: Guido Cantz.

Ich habe ihn schon mal den blondierten Schunkel-Troll aus Köln-Porz und den nicht anerkannten Sohn von Heino genannt. Das war gemein. Damals wusste ich noch nicht, wie wertvoll er fürs deutsche Fernsehen ist. Ohne ihn kämen ja etliche Rateshows gar nicht mehr auf Sendung, weil sie gar nicht wüssten, wie sie ihr Panel besetzen könnten. Ohne ihn hätte der deutsche Bierzelthumor ja überhaupt kein Forum in den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Ohne ihn als Kontrastmittel würde Bernd Stelter nur halb so intelligent wirken.

Nein, ich sage es ganz offen: Das deutsche Fernsehen braucht einen wie Guido Cantz. Er ist der Kitt, der die TV-Nation zusammenhält, quasi die Orientierungsmarke, die einem immer wieder zeigt, wo man ist: Ah ja, deutsches Fernsehen, das Erste oder irgendein drittes Programm. Muss. Guido Cantz ist ja auch schon da.

Ich habe schon mal versucht, einem wie Gudio Cantz auszuweichen. Das war ein netter Versuch, aber letztlich erfolglos. Nach fünf, sechs Klicks auf meiner Fernbedienung saß er wieder da. Am Donnerstag im Ersten und am Freitag im Ersten und im SWR. Ich kam mir ein bisschen vor wie der Hase, der sich ständig abhetzt und dem Igel doch immer unterliegt, weil der Igel einfach die entscheidenden Tricks draufhat.

Guido Cantz hat die entscheidenden Tricks drauf. Das Fernsehen, die Bühne, das alles ist quasi sein natürliches Habitat. Da kennt er sich aus, da weiß er, wo das Rotlicht glimmt, und er kennt die Richtung, in die er seinen Humor absondern muss.

Nun war sein Humor nicht immer meine Sache. Ich dachte früher, dass man seine Gags nur ertragen könne, wenn man vorher ganz viele Eierliköre zu sich genommen hat. Ich machte also einen entsprechenden Selbstversuch und besuchte eine meiner zahlreichen Tanten. „Noch’n Likörchen“, hat die Tante dann immer gefragt und ohne die Antwort abzuwarten nachgeschenkt. Nicht nur einmal. Viele Male. Irgendwann lag ich dann quer auf dem Sofa, und meine Tante hat das Fernsehen eingeschaltet. Es erschien? Natürlich: Guido Cantz. Ich fand ihn mörderlustig. Der Mann hat es drauf. Der Mann appellierte an meine mit Likörchen getunten Instinkte. Verstehen Sie Spaß? Aber ja. Noch’n Likörchen, bitte.

Und dann seine Wortspiele. Große Klasse. „Cantz schön cool“ sagt er im Möbelhausprospekt und „Cantz schön praktisch“ und „Cantz schön riesig“ und „Cantz schön variabel“. Vor elf Jahren hat er mal ein Buch geschrieben, das hieß „Cantz nah am Ball“. Kann man bei Amazon bestellen. Gebraucht ab 0,01 Euro. Ein anderes Buch heißt „Cantz schön clever“. Genau wie sein altes Bühnenprogramm.

Das zeigt doch, wie dieser Mann mit Sprache zu spielen weiß, er kennt sich aus in den Tiefen der Wortspielhölle. Sein neues Programm heißt in Anspielung an sein Haupthaar „Blondiläum“. Muss man erst einmal drauf kommen. Guido Cantz ist drauf gekommen, er ist quasi der Dieter Nuhr der Kegelklubs.

Und er weckt Gefühle. Am vergangenen Montag gab es auf einer Comedyseite der ARD mit einem Cantz-Bild einen herzzerreißenden Brief von einem Mädchen. Nicole heißt sie und bekennt öffentlich, dass sie sich in Guido Cantz verliebt hat. Ja, Dinge geschehen. „Wenn ich ihn im TV eine Weile ansehe, fühle ich so dermaßen mein Herz das sich so wahnsinnig freut ihn zu sehen, dass es fast richtig weh tut“, schreibt sie so anrührend, dass ich mir sicher bin, dass bestimmt schon wer in der ARD eine schöne Degeto-Schnulze für den Freitagabend plant. Inhalt ungefähr folgender: Nach Jahren des tosenden Erfolgs und einiger Rückschlage im englischsprachigen Ausland, wo man ihn partout immer missverstehen will, kehrt der Comedian Guido Cantz zurück nach Köln-Porz und trifft dort auf seine von Christine Neubauer gespielte Jugendliebe, die aber inzwischen Fan von Serdar Somuncu ist. Es dauert fast 90 spannende Minuten, bis Guido das Herz von Christine zurückerobert hat und sie abschwört vom bösen Köln-Türken. Cantz schön rührend.

Ja, ich empfinde mit Nicole. Wenn ich Guido Cantz sehe, geht es meinem Herzen auch so, dass es fast richtig weh tut. Cantz bestimmt. Cantz doll. Cantz ehrlich.