Im September tauchte im Netz ein Artikel auf, in dem ein besonders dummer Radiohörer vorgestellt wurde. Der sei so dumm, hieß es, dass er alle 3 Minuten daran erinnert werden müsse, welchen Sender er gerade hört. Natürlich wurde schnell deutlich, dass das ein Scherz war aus dem Hause Postillon. Es klang zumindest wie ein Scherz, weil man ja auf 20 Nennungen des Senders käme, wenn man jemanden alle drei Minuten daran erinnerte, was er gerade hört. So schlimm ist es nicht. Es ist schlimmer.

Ich habe anfangs auch darüber gelacht, weil ich fand, dass die Lustigmacher vom Postillon ihren Gag sehr nah an der Realität platziert hatten. Es war mir schließlich auch schon aufgefallen, dass die vom Radio alle paar Minuten meinen, sagen zu müssen, wer sie sind. Ganz offensichtlich unterstellen sie ihren Hörern eine Art Demenz und die Unfähigkeit, im Display nachlesen zu können, was sie da eingeschaltet haben. Wie groß das Ausmaß dieser Unsitte indes wirklich ist, wurde mir erst deutlich, als ich mich todesmutig in einen Selbstversuch stürzte.

Die Versuchsanordnung ist denkbar einfach. Ich schalte einfach morgens um 8.30 Uhr den für meinen Wohnort zuständigen jungen Sender ein. 1Live wähle ich also an, was mir durch Aufsagen des Namens auch direkt bestätigt wird. Nicht nur einmal. Im Laufe des gerade anfallenden Nachrichtenblocks wird mir innerhalb von vier Minuten sechsmal mitgeteilt, dass ich bei 1Live gelandet bin oder irgendetwas höre, dass mit dem akustischen 1Live-Stempel versehen ist.

Das weckt mein Interesse. Ich ziehe mir einen weißen Wissenschaftlerkittel über und fertige eine Strichliste an, auf der ich auch vermerke, wie oft das gerade aktive Moderatorenpärchen sagt, wie es heißt. Ich wäre der letzte, der eine gewisse Wiederholungsfrequenz nicht gutheißen würde. Man kennt das doch. Jemand stellt sich vor, gibt brav Händchen, und die letzte Silbe des Namens ist noch nicht ganz verklungen, da setzt schon das Vergessen ein. Wie hieß der nochmal?

Also nichts gegen Wiederholungen. Allerdings nur dann, wenn sie sich in überschaubarem Rahmen halten. Ich halte es für unnötig, wenn im Verlauf einer Stunde, in der netto vielleicht zehn Minuten Wortbeiträge zu gestalten sind, ganze acht Mal gesagt wird, wie die Moderatoren heißen. Acht Mal!

Alles nichts gegen die Anzahl der Sendernennungen. Als ich nach einer Stunde um 9:29 wegschalte, stehen 25 Striche auf meiner Liste. 25 Mal haben sie 1Live gesagt. Ich sage es hier noch einmal: 1Live – der Sender, der fürchtet, vergessen zu werden.

Aber die sind nicht allein bei 1Live. Kurz mal umgeschaltet zu SWR 3 nach Baden-Baden. Die setzen da noch einen drauf. Drei Minuten nach dem Umschalten ist die Senderkennung schon sieben Mal zu hören gewesen, und auch auf der Stundenstrecke lassen sie die Kollegen aus Köln rasch hinter sich. Als ich nach 60 Minuten SWR3 verlasse, habe ich satte 29 Mal gehört, dass ich gerade SWR 3 gehört habe.

Im Norden ist es nicht viel besser. Um Punkt zwölf Uhr schalte ich mich bei NDR 2 rein und bin zwölf Minuten später wieder raus. Bis dahin habe ich 15 Mal gehört, dass ich bei NDR 2 bin. Nix mit alle drei Minuten. 15 Mal in zwölf Minuten. Den Rest der Stunde habe ich mir geschenkt.

Ich weiß ja ohnehin, woher dieser unerträgliche Manierismus kommt, so oft den eigenen Namen zu sagen. Mehrfach im Jahr gibt es halt Umfragen, bei denen die Menschen sagen sollen, welchen Sender sie gestern gehört haben. Aufgrund solcher Umfragen und einiger anderer Faktoren wird dann die Radioquote ermittelt. Die halten nicht alle für sehr zuverlässig, aber man hat es über die Jahre geschafft, den Werbekunden einen Lehrsatz aufzuschwatzen. Wer häufig genannt wird, hat offenbar viele Hörer.

Häufig genannt werden nach Auffassung der Radiomacher aber offenbar nicht die Stationen mit dem besten Programm, sondern jene Sender, die ganz oft ihren Namen sagen und dann noch hinzufügen, dass sie das beste Programm anzubieten haben. Klingelt am Folgetag dann der Umfrager, sagt man schnell den Namen des Senders mit der besten Infiltrationsmasche. Etwa: Ich höre Radio Fuzzlibutz, weil die so oft ihren Namen sagen und weil die so tolle Gewinnspiele machen, bei denen ich etwas gewinnen kann, wenn ich ihren Namen sage.

Inzwischen gibt es sogar Sender ohne Werbung, die nicht von diesem Konzept lassen können und immer nur ihren Namen sagen. Ganz oft. Immer wieder. Haben Sie Angst vor Alexa, oder hat sich da eine Masche verselbstständigt, gelöst von ihrem eigentlichen Sinn und existiert nur noch um ihrer selbst willen?

Ich denke nur: Hilfe, mein Radio ist kaputt. Wo soll das hinführen? Was wenn so etwas übergriffe auf andere Bereiche, etwa auf diesen Text?

DWDL.de. Hier schreibt Hans Hoff. Willkommen bei DWDL.de, und ich präsentiere nun die DWDL.de-Nachrichten und sage natürlich dazu, dass das die DWDL.de-Nachrichten sind. Ich sage dann sowas wie DWDL.de-aktuell, und danach sage ich, dass das jetzt DWDL.de-aktuell war. Zwischendrin rufe ich noch einen DWDL.de-aktuell-Korrespondenten an und sage am Schluss, dass das der DWDL.de-aktuell-Korrespondent für DWDL.de-aktuell war. Danach sage ich nochmal, dass ich Hans Hoff heiße und für DWDL.de arbeite.

Wirkt bescheuert und unnormal? Stimmt. Ist ja nicht Radio.