Ich war mal ein großer Fan von „Mord mit Aussicht“. Ich mochte das, wenn Caroline Peters als frustrierte Großstadtpolizistin Sophie Haas in einer abgelegenen Eifelgemeinde ermitteln musste, wenn sie unterstützt wurde vom Polizeioberkommissar Schäffer, den Bjarne Mädel so wunderbar stoffelig anlegte. Und dann war da noch seine Kollegin Bärbel, die von Meike Droste mit herrlicher Naivität ausgestattet wurde. Wenn das Unbedarfte der Landeier auf die Hybris der Großstadttusse traf, sorgte das für genau jene Reibung, die es braucht, um angenehm komische Momente zu kreieren. Das klappte in den ersten der insgesamt 39 Folgen ganz wunderbar, uferte allerdings gegen Ende der dritten Staffel ein bisschen ins Klamottige aus. Trotz der Schwäche am Schluss war „Mord mit Aussicht“ ein Juwel im deutschen Fernsehen.

Ein Juwel, das heute leider nicht mehr als solches zu erkennen ist, denn „Mord mit Aussicht“ ist zur Nudelware verkommen. Immer wenn ich durch meinen Fernseher zappe, lande ich früher oder später in einer Folge von „Mord mit Aussicht“, zum Beispiel sonntags im WDR, wo die Serie im Abstand von knapp vier Stunden gleich zweimal programmiert ist. Aber eben nicht nur dort. Gefühlt ist überall „Mord mit Aussicht“. Seit Wochen schon geht das so, was ich angesichts der Tatsache, dass lediglich 39 Folgen gefertigt wurden, für ein ziemliches Kunststück halte.

Ich frage mich dann jedes Mal, was wohl die Schauspieler empfinden, wenn sie durch die Kanäle zappen und immer wieder auf das stoßen, was sie einst als Unikat fertigten, was heute aber fast nur noch über die Resterampe verschleudert wird. Muss ich Mitleid haben mit den Mimen, deren Werk so penetrant verhökert wird, dass selbst ich als großer Fan von einst nicht mehr hinsehen mag und schon Augenplaque kriege, wenn ich Caroline Peters als Sophie Haas entdecke?

Die Resterampe heißt in diesem Fall übrigens „One“, ein Sender, der so gesichtslos ist wie sein Titel. Bei „One“ gibt es in der Durchschnittswoche zusätzlich zu den WDR-Wiederholungen sieben Sendeplätze für „Mord mit Aussicht“. Damit nimmt meine einstige Lieblingsserie bei „One“ nicht einmal einen Spitzenplatz in Sachen Wiederholungsfrequenz ein. „Lindenstraße“, „Hart aber herzlich“ oder „Bezaubernde Jeannie“ kommen auf bedeutend mehr Einsätze, aber da schmerzt es halt nicht so wie beim früher geliebten Eifelkrimi.

Schaut man sich das Programm von „One“ mal über die Woche an, stellt man fest, dass man die wenigen Momente mit der Lupe suchen, in denen der Digitalableger einen Hauch von Exklusivität verströmt, weil die gezeigten Serien sonst nirgends zu sehen sind. Meist ist nur more oft he same zu bestaunen.

Schnell verdichtet sich der Eindruck, dass hier niemand Programm macht, dass vielmehr regelmäßig irgendein Praktikant ins Archiv geschickt wird mit dem Auftrag, alles mitzubringen, was ohne große Kosten in die Endlosschleife zu packen ist. Kommt der Praktikant dann zurück, werden seine Mitbringsel einfach auf den Wochenplan geworfen und dann weggenudelt. Dass solch eine Wahllospraktik natürlich einem kargen Etat geschuldet ist, weiß ich wohl, sehe aber trotzdem nicht ein, dass man einstige Programmpretiosen durch wahlloses Wiederholen auf Jahre beschädigt. Die Marke „Mord mit Aussicht“ ist auf jeden Fall schon schwer demoliert. Es dürfte Jahrzehnte dauern, bis ich mir wieder eine Folge schmerzfrei ansehen und die Leistung der Mitwirkenden würdigen kann.

Oder, um es mal andersherum zu formulieren. Gegen „One“ ist selbst ZDFneo ein hochprofilierter Sender. Da läuft gefühlt zwar auch jede dritte Stunde eine „Bares für Rares“-Wiederholung oder irgendeine „Wilsberg“-Folge, aber immerhin gibt es mit Böhmermanns wöchentlichem Magazin so etwas wie die Anmutung von bewusster Programmentscheidung. Um es mal zuzuspitzen: Gegen das Wochenschema von „One“ wirkt der Sendeplan von ZDFneo wie eine fein durchkomponierte Symphonie. Hilfreich wäre es daher auch, würde man den Namen „One“ in „None“ ändern. Dann stünde wenigstens drauf, was drin ist.

Das bringt mich zu der finalen Frage, was wohl geschähe, würde irgendwer „One“ in die Eifel verschleppen und auf irgendeiner Waldlichtung vergraben. Erst einmal geschähe sicherlich lange nichts, weil außer einigen ARD-Granden niemand diesen Abnudelkanal wirklich vermissen würde. Irgendwann träte dann möglicherweise Sophie Haas auf den Plan und hätte Schäffer und Bärbel im Schlepptau. Diese Folge von „Mord mit Aussicht“ würde ich mir dann gerne wieder anschauen. Kann die bitte bald jemand drehen?