Im Prinzip ist es ja so, dass der Normalmensch keine Ahnung hat von dem, was da draußen wirklich abgeht. Also nicht in der Spießer-Vorstadt, sondern im Real-Life bei den Typen, die es einfach drauf haben oder, wenn sie es ausnahmsweise mal nicht drauf haben, wissen, wie man es wieder draufkriegt. Es geht um Typen, denen das Testosteron aus jeder Pore perlt, die an nichts anderes denken können als an Sex und ewige Liebe oder wie man dumme Sachen anstellt, alles gerne auch in umgekehrter Wagenreihung. Willkommen in der Welt von „Köln 50667“, der schönsten televisionären Betriebsstörung des deutschen Fernsehens.

Hier stimmt nichts, und genau das ist offenbar beabsichtigt. Gelingen geht anders, aber das mit dem Gelingen sollen die anderen machen. Bei „Köln 50667“ müssen die Dinge schief gehen, weshalb die Menschen alle furchtbar viel reden, sich aber möglichst nie das sagen, was sie meinen, weshalb es im Nachgang natürlich die geilsten Probleme gibt.

Beispiel gefällig: Chico konnte lange nicht mit Charlie schlafen, weil die von ihm schwanger war und er Angst hatte, dass das erste, was sein Kind auf dieser Welt erblicken könnte, sein Geschlechtsteil ist. Andere Menschen sagen Sätze wie „Ich habe ihr dieses Herz geschenkt, mein Herz.“ Oder noch besser: „Horst, ich kann dich nicht heiraten. Ich hab was mit Andy.“ Währenddessen laufen Frauen herum, die unterwürfig Männer fragen, woher deren Muskeln kommen, und die Antwort kommentieren sie mit Augenaufschlag und einem gehauchten „mega“.

Es ist eine wilde Welt da bei „Köln 50667“. Natürlich weiß man das, weil es ja schon über 1770 Folgen lang läuft. Aber es ist doch immer wieder faszinierend, wie konsequent hier seit Jahren die Konzepte funktionieren.

Männerkörper sind hier vorzugsweise bemalt oder gepumpt, Frauenkörper stecken in möglichst knappen Outfits. Die klassische Rollenverteilung entspricht ungefähr dem Standard der 50er Jahre, als Frauen noch ihre Männer fragen mussten, ob sie arbeiten dürfen. Der Standard jeder Handlung ist die maximale Komplikation, Eskalation dient zudem als Grundeinstellung, und hysterisches Verhalten ist oberste Bürgerpflicht.

Die zugehörigen Castings dürften sehr spannend sein. Da müssen wahrscheinlich alle zeigen, dass sie was drauf haben, dass sie schauspielern können, dass sie mit Mimik und Gestik etwas auszudrücken wissen, und genau diese Typen werden dann nach Hause geschickt. Der Rest wird genommen, also jene Menschen, die IQ nur als Ekelerklärung gegenüber Hornvieh kennen und sich gegenseitig Wellness-Gutscheine schenken.

Hier ist kein Klischee zu abgegriffen. Man spürt förmlich, wie die Autoren, wenn es denn welche geben sollte, unter den Tischen jener Kollegen nächtigen, die sonst für Pilcher-Quark und „Traumschiff“ schreiben. Sie sammeln auf, was da alles abfällt. Das sortieren sie dann nach „gerade noch sagbar“ und „unsagbar“ und schmeißen dann alles weg, was gerade noch sagbar ist. Großartig.

Da fallen Sätze, die man aus dem richtigen Leben nicht kennen kann, die niemals Menschen wirklich zueinander sagen, die wahrscheinlich augenblicklich zu Staub zerbröseln, wenn sie den RTLzwei-Kosmos verlassen. „Die haben noch zehn wilde Freundinnen, die alle Lust haben“, hört man da. Doch, ehrlich, so was sagen Männer bei „Köln 50667“ zueinander. Oder „Prösterchen“.

Leonie sagte einst: „Mick ist ein toller Mann, und ich bin bald seine Frau.“ Dabei wusste jeder, dass dieser Mick ein übergriffiger Schläger war. Aber wahrscheinlich meinte der das gar nicht so. Man muss ja auch Verständnis haben für dumpfe Backen, die zu dumm sind, einen Eimer Wasser umzukippen.

„Der Mord an Mick hat mein ganzes Leben ruiniert“, heißt es dann später, woraufhin die handelsüblichen Anwürfe kommen. „Du liegst hier und suhlst dich in deinem Elend“, wird diagnostiziert und auch ein Geständnis verabreicht: „Ich hab ‘ne ganze Bucketlist voll mit Scheiße.“ Dazu ein scharfes Versprechen: „Shots gehen heute auf mich.“

Solch tolle Dialoge von beinahe shakespearschem Ausmaß bahnen sich in jeder Folge an und nehmen dann ihren Lauf. „Meine betrügerische Ex ist Vergangenheit“, sagt einer, und ein anderer ergänzt: „Jo, Mann, weg mit der Scheiße.“ Oder so ähnlich.

Der Grundton ist verzweifelt, Party-geil oder schwillt regelmäßig zu Brüll-moll-Kaskaden an. Hier bleibt nicht ungesagt, nur das, was besser gesagt würde, bleibt im Dunkel. Missverständnis ist die gängige Währung, und ein zerstörter Traum die Startrampe für große Dramen.

Hat man auch nur eine Folge von „Köln 50667“ gesehen, kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus und hat nur noch einen Wunsch. Bitte, lieber Gott. Sollte es dich geben, dann mach, dass es die hier gezeigte Welt nicht wirklich gibt oder dass sie auf Köln beschränkt bleibt.