Ein Bäcker ist ein Bäcker ist ein Bäcker. Gemeint ist der Bäcker, der seine Brötchen noch selbst herstellt, der nicht nur Vorgebackenes aus Großfabriken aufwärmt. Er steht früh auf, er backt Brot und Kuchen. Die meisten Bäcker machen ihren Job sehr gut. Natürlich gibt es einige wenige, die sich keine Mühe geben, die ihre Kunden betrügen mit billigen Zutaten. In deren Backstuben laufen auch mal Mäuse durchs Mehl. Aber das ist eine verschwindend geringe Menge angesichts der riesigen Anzahl von Bäckern, die redlich und ordentlich ihren Job erledigen. Um es mal kurz zu sagen. Die Minderheit der schlechten Bäcker hat keinerlei Einfluss auf den formidablen Ruf der Mehrheit. Bäcker ist und bleibt ein sehr ehrenwerter Beruf.

Ganz anders verhält sich das im Journalismus. Dort gilt der einfache Schluss, dass die Minderheit keinerlei Einfluss auf den formidablen Ruf der Mehrheit hat, nicht mehr. Das hat vor allem damit zu tun, dass eine Minderheit sich anschickt, der Mehrheit den Rang abzulaufen.

Noch immer sind Journalisten in ihrer großen Masse sehr ehrenwerte Menschen, die eine sehr ehrenwerte Arbeit erledigen. Diese Arbeit ist in den vergangenen Jahren nicht einfacher geworden. Sie wurde verdichtet und vor allem von Verlegern und den von ihnen eingesetzten Controllern gering geschätzt und zur kalkulierbaren Masse herabgewürdigt. Die meisten Journalisten hat das gequält, aber sie haben sich nicht beirren lassen, sie haben einfach noch eine Schüppe drauf gelegt, weil sie das, was sie tun, mit Überzeugung und Leidenschaft tun.

Nun aber müssen sie sich zunehmend mit Menschen auseinandersetzen, die den Journalisten auf der Skala der achtbaren Berufe ganz unten einordnen. Nepper, Schlepper, Bauernfänger und Journalisten werden da gleichgesetzt, und jenen, die das so handhaben, kann man nicht einmal einen wirklichen Vorwurf machen, denn sie haben vielfach schlechte Erfahrungen gemacht mit Typen, die sich Journalisten nennen, deren Arbeit aber mit Journalismus als existentiell wichtigem Grundnahrungsmittel exakt null zu tun hat.

Die Bezeichnung Journalist beinhaltet keine Trennschärfe mehr. Sie sagt nichts mehr aus über den Menschen, der in Fragebögen Journalist als Berufsbezeichnung einträgt. Wenn ich sage, dass ich Journalist bin, dann gehöre ich automatisch zu einer Vereinigung, in der sich auch Hersteller von Regenbogenpostillen, so genannten Reichweitenportalen und boulevardesken Jauchegruben tummeln. Ja, sie tummeln sich dort nicht nur, sie geben zunehmend den Ton an, weil ihre Produkte angesichts von zurückgehenden Reichweiten traditioneller Medien ein immer stärkeres Gewicht erlangen.

Es gibt Mistschleudern wie "Der Westen", Dumpfportale wie "Express", Hetzblätter wie "Bild" und Lügenorgane wie "Die Aktuelle". Überall dort arbeiten Menschen, die sich als Journalisten bezeichnen. Sie zeichnen sich mehrheitlich dadurch aus, dass ihnen komplett egal ist, was sie transportieren, so lange sie mit ihrem Output genügend Deppen einfangen und am Ende die Zahlen stimmen. Sie optimieren ihre Produkte der Form nach und scheren sich einen Dreck um Inhalte.

Was sie da tun, ist in hohem Maße verwerflich, und das, was Max Goldt einst exklusiv für die "Bild" formulierte, müsste inzwischen eigentlich umgeschrieben werden auf alle jene, die vorgeben, Journalismus zu betreiben, aber mit eben diesem exakt nichts mehr zu tun haben. Nur noch mal zur Erinnerung sei das Max-Goldt-Zitat angeführt, das man eigentlich täglich neu veröffentlichen sollte, dass man sich immer dann zu Gemüte führen sollte, wenn man eine "Bild" zur Hand nimmt oder versehentlich auf ein entsprechendes Angebot klickt. "Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. Es wäre verfehlt, zu einem ihrer Redakteure freundlich oder auch nur höflich zu sein. Man muss so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz gerade noch zulässt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun."

Rezo hat sich in seiner jüngsten Zeit-Kolumne mit einem Vorfall befasst, bei dem ein Bild-Team den durch seltsamen Äußerungen aufgefallenen Rapper Sido heimsuchte und dieser ob der zweifelhaften Methoden der Reporter ausrastete und wohl auch ein Mikrofon des Teams zerstörte. Rezo betrachtet das Geschehen aus einer beinahe naiven Perspektive. „Ich bin leider nicht alt genug, um einschätzen zu können, ob das Image von zwielichtigen Informationsbeschaffern, die nicht gemocht und im Zweifel nur gefürchtet werden, irgendwann mal als erstrebenswertes Verständnis von Journalismus angesehen wurde“, fragt er und trifft dabei einen wunden Punkt, denn viel zu lange galt es ja im deutschen Journalismus als erstrebenswert, jenen hautnah auf die Pelle zu rücken, die es verdient, die etwas zu verheimlichen hatten. Ob das im Falle Sido die richtige Vorgehensweise war, ob unzulässig die Privatsphäre verletzt wurde, ob der Angesprochene richtig gehandelt hat, soll hier nicht entschieden werden.

Auffallend ist jedoch, dass sich reflexartig Frank Überall als "Bild"-Verteidiger zu Wort meldete. Überall ist der nie um eine vor allem ihn selbst profilierende Stellungnahme verlegene Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes. "Ein Nein zu einem Interview drückt man nicht mit Beleidigungen und körperlicher Gewalt aus", schrieb er, ohne abzuwarten, ob sich die Lage der Dinge möglicherweise aus Sidos Sicht anders darstellt. Natürlich gibt es für Gewalt keinerlei Rechtfertigung. Aber muss man sich so klar, so schnell auf eine Seite schlagen? Hätte es der Sache nicht mehr geholfen, mal nicht dem persönlichen Empörungsreflex zu folgen, einfach mal die Klappe zu halten? Rezo hat auf jeden Fall seine Zweifel, ob solch eine vorschnelle Verurteilung der Sache dient.

Das belegt recht deutlich, dass das Problem nicht allein bei jenen liegt, die mit ihrer Niedertracht das fluten, was einst als Journalismus hoch geachtet war. Es liegt auch bei jenen, die sich auf hohe Werte berufen, die Inhalte als Qualitätskriterium hernehmen, die, kurz gesagt, genau die Arbeit machen, die man von Journalisten erwarten sollte.

Sie nennen sich Journalisten, aber ihre Berufsbezeichnung wird mit jedem Tag, da die Verunstalter jeglicher Wahrhaftigkeit erfolgreich ihr Werk verrichten, wertloser. Der Satz "Ich bin Journalist" sagt nichts mehr über das aus, was der Träger des Titels tut. Weil der Begriff Journalist nicht geschützt ist, kann ihn jeder tragen. Auch der Bäcker könnte sich Journalist nennen und das mit der Tatsache belegen, dass er zum Brötchen auch den neuesten Klatsch über die Ladentheke reicht. Aber er müsste seine Behauptung nicht einmal belegen, er könnte den Titel einfach so führen. Weil er es kann.

Es ist somit an der Zeit, dass sich aufrichtige Journalisten, die ihre Profession nicht als skrupellose Verbreitung des größtmöglichen Mülls begreifen, eine neue Berufsbezeichnung suchen, eine, die präzise sagt, was der Mensch leistet, der sie trägt.

Rezo bringt das auf den Punkt. „Die zentrale Frage lautet jetzt: Wie schaffe ich es, dass mir mehr vertraut wird als anderen Leuten, die Informationen verbreiten, seien diese nun richtig oder falsch?“, schreibt er, woran man weitere Fragen knüpfen kann. Wie gebe ich einem Berufsstand wieder das zurück, was ihn einst ausmachte? Wie verhindere ich, dass eine Berufsbezeichnung weiter inflationär gebraucht und von Schmutzfinken missbraucht wird? Geht das? Die Antwort ist klar: Nein.

Ein neuer Name muss her. Der Begriff Journalist ist nicht mehr zu gebrauchen. Wie man sich stattdessen nennt? Keine Ahnung. Aber es wäre doch schön, wenn sich Herr Überall mal ein paar Gedanken über die erforderliche Trennschärfe im Berufsbild machen würde anstatt immerzu besinnungslos Tweets raus zu hauen, für die er sich nachher entschuldigen muss, mindestens aber ein bisschen schämen sollte.

Bis dahin empfiehlt sich, in Fragebögen den Titel Journalist zu vermeiden, dort einfach Bäcker einzutragen. Das ist ein ehrenwerter, weitgehend untadeliger Berufsstand. Und wie man kleine Brötchen backt, wissen doch jene, die all die Rationalisierungsmaßnahmen der vergangenen Jahre erlitten haben, besser als so mancher Teigkneter.