Lieber Herr Tiedje, lieber Herr Schumacher, Sie moderieren „Links-Rechts“ zu zweit, in Ihrer Mitte sitzt ein Gast. Wer hat Sie bisher am meisten überrascht?

Hajo Schumacher: Nicht nur wegen der guten Quote war Campino von den Toten Hosen der interessanteste Gast. Tiedje ist ja ein bekennender Alt-Punker, und die beiden haben sich viele Geschichten von früher erzählt. Im Ernst: Da prallten zwei Extreme aufeinander, die spießige deutsche Altbürgerlichkeit in Gestalt des Kollegen Tiedje - und die moderne Weltsicht Campinos. Mir blieb nur der Part des interessierten Zuhörers. Die beiden haben sich herzlich gebufft, und hinterher war's wie immer, wenn Tiedje sich mit für ihn fragwürdigen Menschen unterhält: Er verbrüdert sich mit ihnen. Egal ob Linkspartei, Frauen oder Punker.

Hans-Hermann Tiedje: Eigentlich ist es umgekehrt, diese seltsamen, verqueren Typen aus dem vorigen Jahrhundert verbrüdern sich mit mir. Nach der Campino-Sendung wurde der Begriff des Gästebeschaffers geboren. Hajo hat Campino hergeholt, es wurde die Sendung mit der bisher besten Quote. Hajo kommt oft an gute Gäste. Deshalb hat er in meiner Wahrnehmung in den vergangenen 60 Sendungen auch an Größe gewonnen.

Wer hat Jürgen Drews beschafft?

Schumacher: Das war Tiedje. Er war mit Drews auf der selben Schule! Drews hat wohl 3 Jahre länger gebraucht.

Tiedje: Drews ist nicht dumm.

Schumacher: Man erwartet, dass er den König von Mallorca macht und irgendwelche Faxen zum Besten gibt. Er ist aber Familienvater, hat plötzlich über Bildungspolitik gesprochen, über das Steuersystem und Dinge, die ihn politisch umtreiben. Er hat sich als Roland-Koch-Fan geoutet!

Herr Tiedje, wie ist „Links-Rechts“ entstanden?

Tiedje: Ich bin eine verwegene Gestalt in den deutschen Medien, aber gelegentlich habe ich Ideen. Ich bin irgendwann mal aufgewacht und hatte „Links-Rechts“ im Kopf. Ich wollte zunächst, dass der NDR die Sendung macht. Zu dieser Zeit kam aber Peter Limbourg von N24 zu mir und sagte, er brauche ein Format. Ich hatte eigentlich vor, dass Georg Gafron gegen Gregor Gysi moderiert...

Eine schöne Alliteration!

Tiedje: Bei den beiden hätten wir uns die Sessel gespart, die hätten stehend moderieren können. N24-Chef Rossmann sagte aber: Ich will Hajo Schumacher.

Sind Sie für Gafron eingesprungen?


Tiedje: Nein. Der Sender wollte mich und hat mich davon überzeugt, es mit Hajo zu versuchen. Ich kannte ihn damals nur flüchtig. Den ersten Pilot haben wir mit Johannes Kahrs gedreht, dem Chef des Seeheimer Kreises. Kahrs hat immer noch einen Wunsch bei uns frei. Die Sendung wurde unterirdisch.
 
 
Foto: N24
Hajo Schumacher und Hans-Herrmann Tiedje


Woran lag's?

Tiedje: Ganz einfach, der von Talkshow-Chef Andrej Grabowski erfundene Holztisch war eine derartige Katastrophe...

Schumacher (muss lachen): Ja! Der Tisch war das Problem.

Tiedje: In der ersten Sendung, als der Tisch immer noch das Problem war, hatten wir Herrn Pflüger da. Wir haben weiter improvisiert, nach der dritten, vierten Folge hatten wir eine Ahnung davon, wie es gehen könnte. Vorher haben wir übereinandergeredet, an den falschen Stellen gesprochen...

Schumacher: Man muss dazu anmerken, dass „zwei Moderatoren und ein Gast“ ein schwieriges Format ist. Das gibt es in Deutschland aus vielen Gründen nicht mehr. Es gab den Klassiker Hauser-Kienzle, die haben allerdings fertig geschriebene Dialoge eingesprochen...

Tiedje: ...Das war Ablesen vom Teleprompter.

Schumacher: Entsprechend war „Frontal“ begrenzt lustig. Eigentlich gar nicht. Je länger die Sendung zurückliegt, desto mehr mystifiziert man sie. Es heißt: Das war so schön damals, so polarisierend. Aber eine Sendung wie „Frontal“ würde heute im Fernsehen nicht mehr funktionieren. Wir lesen nicht vom Teleprompeter ab, unsere ewige Herausforderung ist die Doppelmoderation.

Tiedje: Dann kommt ein weiteres Problem dazu – unsere Redakteurin. Wir nennen sie „Domina“ oder „Mutti“, sie versucht pausenlos, uns zu domestizieren. Und sie weist uns zurecht darauf hin, dass Positionen klar herausgearbeitet werden müssen. In der heutigen Sendung mit Thomas Bach ist das beispielsweise nur zum Teil gelungen. Wir haben über die olympischen Spiele, China und den Tibet-Konflikt gesprochen. Aber was ist bei China die linke, was die rechte Position?

Schumacher: Ein kommunistisches Regime steht eigentlich links. Das müsste ich als Linker befürworten...

Tiedje: Was bist Du, ein Linker?

Schumacher: Derjenige unter uns, der die linke Position einnimmt! Bei China ist das diffizil: China ist im Kern ein konservatives System. Und als guter Linker müsste ich die Minderheiten schützen und bei den Tibetern sein. Damals, in den 80'ern, als sich Tietje noch für Politik interessierte...

Tiedje: In den 70'ern!

Schumacher: ...Als die Mauer noch stand, man in Ost-West dachte, Russland und Washington, war das eine links, das andere rechts. Heute sind diese Schubladen durcheinandergeraten.

Gerade deshalb frage ich mich, warum Sie ihre Sendung mit „Links-Rechts“ betiteln, wo doch niemand mehr etwas mit diesen Begriffen zu tun haben will...

Schumacher: Links-Rechts steht hier für klare Positionen, klare Unterschiede, die man bei jedem Thema finden kann.

Tiedje: Wir waren ja bei Tibet. Schumacher ist der Dalai Lama unter den deutschen Journalisten...

Schumacher: Tiedje ist der Kim Jong Il unter den deutschen Journalisten.