Herr Böss, ihr erstes Fazit nach den LA Screenings. Wie war es? Genug zu sehen gab es ja...

Es gab auf jeden Fall mehr Piloten als in den vergangenen fünf Jahren. Man sieht, dass das Produktionsvolumen hochgefahren wurde. Aber einen richtigen Trend habe ich nicht gesehen. Man merkt genau, welche Serien auch mit Blick auf den internationalen Markt produziert wurden, etwa „Charlies Angels“. Wir haben nach wie vor sehr viele Serial Dramas, also Serien mit fortlaufender Handlung, die für FreeTV immer schwieriger sind als für PayTV.

Also kein Trend dieses Jahr?

Wenn man überhaupt von einem Trend sprechen kann, dann wären es die Sixties. Nach dem Erfolg von „Mad Men“ folgen jetzt „Pan Am“ und „The Playboy Club“. Wobei sich mir die Faszination nicht erschließt. Beide sind toll produziert, keine Frage. Aber sie werden es auf dem deutschen Markt extrem schwer haben. Da weiß ich nicht, was wir mit den Serien anstellen sollen in Deutschland.

 

 

Das „Mad Men“-Problem...

Wissen Sie, was mich immer wieder amüsiert? „Mad Men“ funktioniert überhaupt nicht. Nicht nur bei uns. Das funktioniert auch hier in Amerika nicht. Das läuft beim kleinsten Kabelsender. Das ist halt „highly critically“ acclaimed und kassiert Kritiker-Preise am laufenden Band. Aber die Einschaltquoten bei AMC sind nicht berauschend. Das hat nur eine sehr kleine, aber zugegebenerweise feine Zuschauerschaft.

Jetzt gab es diesmal auch extrem viele Comedys. Schaut man sich die nach dem Sitcom-Erfolg in der ProSieben-Primetime auch nochmal genauer an auf der Suche nach Nachschub?
 
Absolut. Erstmal gilt: Es gibt wieder mehr Comedys und sie sind nicht mehr so brav wie in den letzten Jahren. Bis vor zwei Jahren hätte man ja noch fast jede der neuen Comedys piepsen müssen. Ich habe drei Comedys gesehen, die ich ganz toll fand. Bei Warner war es „2 Broke Girls“, die fand ich klasse. Und bei FOX gefielen mir „Apartment 23“ und „The New Girl“ gut. Beide passen gut zu uns. Aber bei Comedys muss man einen langen Atem beweisen. Wir probieren sie ja in der Regel erst in der Daytime aus und holen sie bei Erfolg in die Primetime. Das hat bei „Two and a half men“ gut geklappt. Was musste ich mir damals anhören, als wir das gekauft haben (lacht).

Also bei Warner haben Sie natürlich erstmal Pech, wenn zunächst RTL am Zug ist...

Schau mer mal. (lacht) Schau mer mal.

Bei Warner gab es mit „Alcatraz“ und „Person of Interest“ ja auch noch zwei vielversprechende Dramas - beide von J.J. Abrams...

Man muss wirklich sagen, dass Warner in diesem Jahr sehr junge Serien im Angebot hat und damit Zielgruppen anspricht, die wir bei ProSieben eigentlich besser bedienen als die Kollegen in Köln. Aber jetzt hat mir „Person of Interest“ nicht gefallen. Das soll ja grundsätzlich eine reale Geschichte sein. Dafür ist sie mir aber viel zu konstruiert und umständlich. Und dann spielt da Michael Emerson mit, der böse Ben aus „Lost“. In jeder Szene mit ihm musste ich denken „Ach, den kenn ich doch noch“. Das wollte mir nicht aus dem Kopf. Der hätte besser mal zwei Jahre Pause gemacht. Der ist für mich noch auf der Insel. Dem kauf ich den gutmütigen Milliardär noch nicht ab. Falsch besetzt, würde ich sagen. „Alcatraz“ dagegen ist richtig klasse. Toll produziert und, diplomatisch formuliert, nicht so vielschichtig wie befürchtet für eine J.J. Abrams-Serie. Es zieht sich ein spannendes Mystery-Element über die ganze Season, die Fälle sind pro Folge aber abgeschlossen.