Jetzt kommt ab Herbst trotzdem auch noch Günther Jauch dazu, der den Wettbewerb weiter verschärft. Hat sich Ihre Freude darüber, dass Jauch in die ARD-Riege kommt, vom Tag der Bekanntgabe bis heute verändert?

Nein. Ich bin ein Fan meines Senders, und Günther Jauch zu gewinnen, ist ein Coup. Ich weiß nicht, wie die Auswirkungen sein werden. Es ist wie so oft im Fernsehen: Lass es uns ausprobieren und die Zuschauer entscheiden. Ich mache mir da auch gar keine Illusionen: Wir werden alle kein Lob einheimsen, es wird kein Blatt gut über die neue Talkschiene der ARD schreiben, egal wie gut die neuen und alten Sendungen sind. Unser Maßstab werden die Zuschauer sein. Wenn sich da ein erheblicher Überdruss zeigt, dann werden sich die Dinge sicher wieder ändern. Aber ich glaube das nicht: obwohl wir ja auch jetzt schon nicht wenige Gesprächssendungen haben, haben zuletzt alle Formate an Marktanteilen und auch in absoluten Zuschauerzahlen zulegen können. Vielleicht liegt das daran, dass wir in Zeiten leben, in denen der Erklärungsbedarf sehr hoch ist. Die Zusammenhänge sind komplex, die Ereignisse kommen in sehr hoher Taktzahl. Bisher haben wir alle sehr gut davon gelebt. Manchmal sogar auch, wenn ein Thema an mehreren Abenden behandelt wurde, weil es auch immer etwas Neues zu erzählen gab. Nehmen sie die Finanzkrise. Das ist ein hochkomplexes Thema mit vielen unterschiedlichen Aspekten. Wir waren alle damit nicht unerfolgreich.

 

 

Liegt der Erfolg der Talkshows vielleicht auch darin begründet, dass mir bekannte und vermeintlich vertraute Menschen, eine persönlichere Einordnung geben können als ein reiner Fakten-Bericht?

Das ist sicherlich so. Ich glaube, ein großer Teil der Popularität von Helmut Schmidt liegt beispielsweise daran, dass es einen Bedarf an Menschen gibt, denen man ein verlässliches Urteilsvermögen zutraut und die einem helfen, einen persönlichen Standpunkt zu gewinnen. Das ist noch ein ungebrochener Trend.

Künftig sollen die ARD-Talks von Thomas Baumann koordiniert werden. Das ist doch schon eine Einflussnahme auf Ihre redaktionelle Freiheit, oder?

Dass man sich untereinander absprechen muss, ist aber nichts Neues. Ich kenne Thomas Baumann sehr lange. Es ist ein wunderbarer Kollege, der diese komplexe Aufgabe übernommen hat. Er ist damit so etwas wie der Präsident des Bundesrates, der die Interessen der einzelnen Länder koordinieren muss. Wir haben das in der Vergangenheit aber auch schon ganz gut untereinander hinbekommen. Wenn man am Dienstag eine Sendung hat, will man ja schon aus Eigeninteresse nicht genau das wiederholen, was am Sonntag schon gelaufen ist. Im Normalfall ist so: Wenn wir beginnen, ein Thema zu recherchieren und dann unter der Woche feststellen, dass Anne Will am gleichen Thema dran ist, dann lassen wir es eben auch wieder – es sei denn, wir finden einen anderen Zugang, einen anderen Schwerpunkt oder eine wichtige andere Stimme dazu. Da bin ich eine Anhängerin des ordoliberalen Prinzips: Die freie Marktwirtschaft regelt in einem gesetzten Rahmen das meiste von selbst. Und für den Rest, der dann noch zu regeln ist, ist Thomas Baumann da .

Der Wettbewerb um die Gäste, das Stellen von Bedingungen und das Ausspielen wird ja trotzdem eher verschärft. Hat man sich mit den Kollegen denn auf gewisse Spielregeln geeinigt, um zu verhindern, dass beispielsweise ein Scheck darüber entscheidet, wer den Gast bekommt?

In dem Bereich, in dem wir uns bewegen, ist es überhaupt keine Frage des Geldes. Bei politischen Gästen wird nichts gezahlt, wenn man von einer Aufwandsentschädigung für Reisekosten mal absieht. Auch im Fall Kachelmann hätte man niemanden mit Geld gewinnen können und wollen. Das ist einfach Überzeugungsarbeit. Die Regel, die wir schon bisher befolgt haben, ist die: wenn eine Redaktion schon sehr lange an einem Thema gearbeitet hat und auch schon feste Zusagen hat, dann sind diese Gäste tabu für die anderen. Ich denke, das wird auch weiterhin so funktionieren. Wir müssen einfach ausprobieren, wie das in Zukunft genau ablaufen wird. Das viel diskutierte Online-Tool ist ja noch nicht im Einsatz.