Am Ende hat die „BILD“-Zeitung für ihre Recherchen rund um Wulffs Hauskredit sogar dem renommierten Henri-Nannen-Preis bekommen.
 
Das zeigt, was eine bestimmte Öffentlichkeit unter Journalismus versteht. Aus meiner Sicht war es keine journalistische Arbeit. Trotz aller Verfehlungen, die Wulff sich zuschulde hat kommen lassen, ging es in der Berichterstattung vor allem darum, jemanden zur Strecke zu bringen. Die „BILD“-Zeitung hat die Jagd eröffnet und letztendlich den Fangschuss vorbereitet. Ich habe großen Respekt vor den Kollegen der „Süddeutschen Zeitung“, die sich nicht mehr in der Lage gesehen haben, den Preis zusammen mit der „BILD“ anzunehmen, wo doch alle preissüchtig sind und so etwas als Trophäe ihrer Arbeit sammeln.



Auf Christian Wulff passt auch der Satz von Mathias Döpfner, dem Vorstandvorsitzenden des Axel Springer-Verlags, der gesagt hat: „Man fährt mit der ,BILD‘ im Fahrstuhl nach oben und wieder nach unten.“
 
Es ist aber nicht immer so. Bei Karl-Theodor zu Guttenberg lief es ja genau anders. Den hat man ja noch in Vasallentreue die Steigbügel gehalten, als er schon vom Pferd gestürzt und nicht mehr zu halten war. Er wurde von „BILD“ hoch geschrieben, man wollte ihn zum Kanzler machen, das war die klare Absicht. Selbst als er stürzte, hat man ihn weiter hofiert und man wird sicherlich auch versuchen, ihn irgendwann wieder aufzubauen.
 
Andere haben weniger Glück, werden niedergeschrieben und verleumdet. Die "BILD" bekommt regelmäßig Rügen vom Deutschen Presserat.
 
Ja, aber das juckt sie nicht. Es gibt den Satz der ehemaligen Chefjustiziarin, die sagte: „Schmerzensgelder können wir verschmerzen. Ich bin hier zuständig für Schmutz und Schund.“ Das sagt einiges.
 
Warum arbeiten trotzdem so viele Politiker und Prominente mit der „BILD“-Zeitung zusammen?
 
Es gibt Politiker, die meinen, wenn sie sich bis ins Privatleben hinein zur Verfügung stellen, würde ihnen das nutzen oder sie könnten „BILD“ milde stimmen. In der Regel läuft es am Ende allerdings anders, siehe Christian Wulff. Aber es gibt andere, die eine nötige Distanz halten. Da gehört Jürgen Trittin dazu, Sigmar Gabriel oder Norbert Lammert. Sie nutzen das Blatt zwar auch, um politische Statements abzugeben, aber den Privatbereich lassen sie völlig außen vor, so wie es sich gehört.
 
Wenn Sie sich die „BILD“ von damals anschauen, als Sie 1977 als „Hans Esser“ selbst Teil der Redaktion waren. Was hat sich seitdem noch grundlegend verändert?
 
In den 1970ern war eine journalistische Ausbildung eher hinderlich, um bei „BILD“ voranzukommen. Gefragt waren eher die Typen aus Drückerkolonnen, um Menschen einzuschüchtern und an Fotos zu kommen. Heute gibt es nicht mehr den Typus „BILD“-Journalist, der eine besonders hohe Schmutzzulage bekam, von daher auch oft käuflich war und sich durch den Gruppenzwang für Sachen hergab, die er sonst nie gemacht hätte. Das Blatt ist vermischter geworden, es gibt auch seriöse Journalisten, die bestimmte Berichte verantwortlich platzieren. Inzwischen berichtet die „BILD“ auch über Themen, die man dort nie erwartet hätte.
 
Inwiefern?
 
Zum Beispiel hat „BILD“ vor ein paar Tagen den Solidaritätsaufruf für den mit dem Tod bedrohten iranischen Musiker Shahin Najafi auf Seite 1 im Blatt gehabt. In anderen Zeitungen gab es wenn überhaupt nur Mini-Meldungen.