Frau Thier, Sie haben unter anderem beim öffentlich-rechtlichen ORF Ihr Handwerk gelernt und moderieren jetzt seit sieben Jahren die „RTL II News“. Die Sendung ist in der jungen Zielgruppe erfolgreich, aber in der Branche umstritten. Wie fühlen Sie sich selbst damit?

Ich orientiere mich nicht an den Kritikern, sondern an unserer Zielgruppe. Ich finde es positiv, dass es die „RTL II News“ gibt, weil wir mit unseren Themen junge Menschen tatsächlich erreichen. Anderen Nachrichtensendungen gelingt das mittlerweile nicht mehr. Wir sind um 20 Uhr Nachrichten-Marktführer bei den 14- bis 29-Jährigen.

Wir würden Sie selbst die Themenauswahl der „RTL II News“ umreißen?

Wir behandeln Themen aus der Lebenswelt von Jugendlichen: Chemie in Outdoor-Kleidung, neue Kinofilme und Computerspiele,  Modemessen,  Musik, Crowdfunding, neue Apps – und selbstverständlich auch für die Zielgruppe relevante Nachrichten aus der Politik. Es gibt zum Beispiel auch Themenwochen zu Integration oder Nachhaltigkeit. Wir streben eine Mischung an aus dem, was man wissen sollte, und dem, was man wissen will.

In Ihrer Sendung finden auch Themen statt, die sich eindeutig dem Boulevard zuordnen lassen. Ist das ein spezifischer RTL II-Effekt – Stichwort „It’s fun“ – oder verändern sich Fernsehnachrichten grundsätzlich?

Eine Sendung für junge Zuschauer muss anders aussehen – und TV-Nachrichten dürfen auch Spaß machen und nicht nur deprimieren. Der Zuschauermarkt segmentiert sich immer mehr, entsprechend verändert sich auch das Angebot an Nachrichtensendungen. Und das ist gut so. Warum sollten wir die „Tagesschau“ kopieren? Wir erreichen junge Zuschauer, die von sich sagen, dass sie keine Nachrichten mögen. Das ist nicht nur journalistisch interessant, sondern auch medienpolitisch positiv. Denn hier sind noch Kanäle offen, die woanders längst verschlossen sind. Wir sind eine Alternative – genau deshalb wurden Privatsender zugelassen.    

Was genau machen Sie anders als die öffentlich-rechtlichen Kollegen, wenn Sie ein politisches Thema angehen?

Über Politik berichten wir eher ergebnis- als prozessorientiert. Der Ansatz folgt der Erkenntnis, dass junge Menschen bei der klassischen Informationsvermittlung mit vorfahrenden Autos, O-Tönen, Zwischenschnitt mit Fotografen etc. abschalten. Jugendliche sind aber nicht unpolitisch.  Umweltpolitik,  Bildungspolitik, soziale Gerechtigkeit – das sind Themen, die sie interessieren. Aber eher über die Menschen, die von Missständen betroffen sind, als über den abstrakten politischen Entscheidungsprozess.

Wie journalistisch ist denn die Cross-Promotion entlang der Wertschöpfungskette des Senders in den Nachrichten – zum Beispiel mit Blick auf Chart-Erfolge von „Berlin - Tag & Nacht“ oder die „Big Brother“-Möbelkollektion?

Solche Fälle können Sie an einer Hand abzählen. Die „Big-Brother“-Möbel haben wir auch intern intensiv diskutiert.  „Berlin - Tag & Nacht“ haben wir ein einziges Mal im VIP-Block gehabt. Grundsätzlich gilt: Die Nachrichten sind kein Cross-Promotion-Tool. Dafür gibt es „RTL II Spezial. Das Magazin“. Die News-Redaktion ist in der Auswahl der Themen völlig unabhängig.