Herr Hofmann, Ihre neue RTL-Serie "Deutschland!", die Sie vom 25. August an drehen, stößt bei Senderchef Frank Hoffmann auch deshalb auf Begeisterung, weil er selbst 1983 zu den Friedensdemonstranten im Bonner Hofgarten gehörte. Wo waren Sie zu dieser Zeit?

Für mich war die Zeit genauso prägend. Ich habe damals an der Münchner Filmhochschule studiert. Weil die Kriegsangst für alle spürbar war, hat fast der ganze Jahrgang seine Abschlussfilme zum Thema Krieg gemacht. Mein Film "Der Krieg meines Vaters" – in gewisser Weise der Grundstein meiner intensiven Beschäftigung mit dem Dritten Reich – basierte auf den Tagebüchern meines Vaters kurz vor seiner Einberufung. Diese Wahl war Ausdruck meiner Kriegsangst Anfang der 80er.

Hat Frank Hoffmann also Recht, wenn er angesichts von Nato-Doppelbeschluss und Pershing-II-Stationierung das "kollektive Gedächtnis" der Deutschen beschwört? Oder ist das fürs RTL-Publikum ein bisschen übertrieben?


Die Stationierung der Pershing-Raketen vor dem Hintergrund der damaligen politischen Szenerie und des schwelenden Ost-West-Konflikts ist ganz sicher Teil des kollektiven Gedächtnisses. Man sollte aber nicht vergessen, dass wir hier einen reinrassigen Spionage-Thriller erzählen. Für mich hat das mehr mit "Bourne Identity" zu tun als mit didaktischer deutscher Geschichtsstunde.



Dennoch nutzen Sie als faktische Basis eine Recherche des "Guardian", die belegt, dass die Kriegsbedrohung damals noch viel konkreter war als bislang angenommen. Wie machen Sie daraus Fiction?


Für Jörg Winger und mich als Produzenten stellt es eine ungeheure Substanz dar, unsere Geschichte auf dieser Folie erzählen zu können. Die Hauptfigur, die wir erfunden haben, der junge DDR-Spion Moritz Stamm, ermöglicht einen Blick auf die beiden Deutschlands zur damaligen Zeit, indem er zwischen Ost und West wandelt und schließlich im eskalierenden Streit eingreifen muss. Wir haben jetzt sehr lange authentisch, wahrhaftig, präzise recherchiert erzählt, bis hin zu "Unsere Mütter, unsere Väter". Mein Empfinden ist, dass der Trend künftig zu einer stärkeren Fiktionalisierung geht. Man nimmt Genres wie Thriller, Komödie oder Krimi in die Hand und erzählt komplett fiktionale Charaktere und Geschichten vor einer authentischen Zeitfolie.

Die Drehbücher zu "Deutschland!" sind in einem deutsch-amerikanischen Writers' Room entstanden, was für deutsche Primetime-Serien eher ungewöhnlich ist. Warum haben Sie sich für diesen Weg entschieden?


Unsere Headwriterin und Chefdramaturgin Anna LeVine Winger ist Amerikanerin. Sie hat das Konzept für die Serie erfunden und geschrieben. Der sechsköpfige Writers' Room war aufgeteilt in ein Team, das die Fakten recherchiert und zusammengetragen, ein weiteres, das sich um die politische Welt gekümmert hat inklusive unseres Beraterstabs, zu dem auch der frühere US-Botschafter John Kornblum gehört. Und das dritte Autorenteam hat die Dramaturgie und Dialoge vorangetrieben. Diese Modellanordnung war für mich komplett neu und auch von dem Wunsch nach Beschleunigung getrieben. Anders als bei "Unsere Mütter, unsere Väter" wollte ich nicht wieder sieben Jahre an einem Projekt sitzen.

"Wir werden in den nächsten Jahren eine enorme Beschleunigung zwischen Themensetzung und Produktion erleben"

Nico Hofmann, UFA Fiction


Werden Sie künftig häufiger mit Writers' Rooms arbeiten?


Ich glaube aus zwei Gründen, dass wir das fortsetzen wollen. Zum einen werden wir in den nächsten Jahren eine enorme Beschleunigung zwischen Themensetzung und Produktion erleben. Es macht mittlerweile keinen Sinn mehr, an einem Thema sieben Jahre rumzuschreiben. Die Zeit wird immer schnelllebiger, die Haltbarkeit von Themen immer kürzer. Und zum anderen hat es natürlich auch mit einer gewissen Stückzahl zu tun. Als klar war, dass wir mindestens acht Folgen "Deutschland!" machen werden, hat der Writers' Room für uns Sinn gemacht. Wenn man eine noch höhere Folgenzahl produziert, gilt das erst recht. Frank Hoffmann hatte von Anfang an den Wunsch, die Serie möglichst schnell on air zu bringen. Mit einem einzigen Autor, der alle acht Bücher schreibt, hätten wir es nicht in 15 Monaten vom Pitch zum Drehbeginn geschafft.

Ein entscheidendes Argument deutscher Sender gegen Writers' Rooms waren bisher die damit verbundenen Mehrkosten.


Ich finde, die Debatte muss man anders führen. Ausgangspunkt war in diesem Fall Frank Hoffmanns Begeisterung für "Unsere Mütter, unsere Väter". Dieses Eventprogram ist in vielen Ländern in sechs Folgen à 45 Minuten ausgestrahlt worden. Wenn man dann die Produktionskosten umrechnet, landet man bei einem Folgenpreis von 2,5 Millionen Euro. Wenn man auch nur annähernd eine solche Produktionsqualität haben will, kommt man bei einem historischen Stoff nicht unter die Schwelle von einer Million pro Folge. Darunter wäre es völlig utopisch – es sei denn, man bliebe die ganze Zeit nur in Innenräumen. Wir sind der Meinung, dass "Deutschland!" ein international vermarktbares Thema ist. Deshalb kommen rund 20 Prozent des Budgets von unserer Mutter FremantleMedia aus dem Weltvertrieb.