Herr Wagner, wir haben über 70 TV- und Digitalplattformen gezählt, die Sie mittlerweile vermarkten. Ist es nicht nervig, dass man diese Kleinteiligkeit als TV-Vermarkter heute braucht, um überhaupt noch ein kleines Umsatz-Plus zu schaffen, während andere für die großen Wachstumsraten gefeiert werden?

Wachstum schaffen wir auch mit nur sechs Angeboten, unseren Free-TV-Sendern, auf deren solider Basis der Unternehmenserfolg der ProSiebenSat.1-Gruppe fußt. Und bei aller Bescheidenheit: Mit prozentualen Zuwachsraten allein lassen sich keine großen Umsätze generieren. Was zählt, ist die Basis, von der aus die Veränderungen gemessen werden. Und da liegt TV als unser Kerngeschäft unangefochten an der Spitze. Der Anteil des Online- und Mobile-Geschäfts an unseren Vermarktungserlösen liegt heute im mittleren einstelligen Prozentbereich. In der Tat: Das digitale Vermarktungsgeschäft ist zwar kleinteilig, aber es eröffnet uns schöne neue Wachstumsfelder. Als nervig würde ich das nicht bezeichnen, die gesamte Branche unterliegt nun mal einem großen Fragmentierungsdruck.

Damit hat sich die Definition von Reichweite verändert. Früher konnten Sie Ihren Kunden mit ein bis zwei TV-Sendern genügend Reichweite verkaufen – heute entsteht Reichweite, indem man viele verschiedene Plattformen addiert.


TV ist das einzige Medium, das große Reichweiten bieten kann. Für Marken ist diese Breitenwirkung von existenzieller Bedeutung, um Gehör zu finden. In der digitalen Welt vergleichbare Reichweiten aufzubauen, ist mühsam. Mit unseren Bewegtbild-Portalen spielen wir aber auch hier in der ersten Liga. Wir müssen heute alle Screens bedienen, um den Touchpoints der Konsumenten zu folgen.



Aber selbst beim klassischen TV lägen Sie deutlich im Minus, wenn Sie nicht mit sixx, Sat.1 Gold und ProSieben Maxx neue Nischensender hinzugefügt hätten.


Rückblickend war der Aufbau eines zusätzlichen Senderbouquets natürlich die richtige Entscheidung. Aus der Online-Welt sind es die Menschen gewohnt, möglichst individuell auf ihre Lebenssituation zugeschnittene Angebote zu bekommen. Dieses Bedürfnis macht selbstverständlich vor den Medienkanalgrenzen nicht Halt. Insofern ist es eine logische Weiterentwicklung unserer Strategie, dass wir daran auch im Fernsehen anknüpfen und mit den neuen Sendern in spezifische Zielgruppensegmente vorstoßen. Sicher, diese Initiativen sind aufwendig, weil jeder Sender sorgfältig gemanagt werden muss. Aber für die Vermarktung ergeben sich dadurch wichtige zusätzliche Optionen, für die ich in einem fragmentierenden Markt dankbar bin. Denn: In ihren Zielgruppen erreichen die neu gegründeten Sender schon jetzt eine enorme Reichweite. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um im New-Business-Geschäft weiter zu wachsen, wo wir nach wie vor erfolgreich auf Print schielen. Entsprechende Antworten können wir dank der neuen Sender inzwischen auch für TV geben. In diesem Jahr haben wir bereits jetzt mehr als 80 Neukunden für unsere Sender gewonnen, etwa Marc Cain, Shiseido, Kaufland oder die Bundesagentur für Arbeit.

Wann kommt der nächste neue Sender?


Es ist kein Geheimnis, dass wir unser Senderportfolio im Laufe des Jahres 2015 hinsichtlich der Angebotsausrichtung noch ein wenig arrondieren. Auch ein neues Thema würde ich nicht ausschließen, solange das für die Vermarktung interessant ist.

"Mit Schadenfreude ist man immer schlecht beraten"

Thomas Wagner, SevenOne Media


In der ersten TV-Liga ist der Vorsprung von RTL vor ProSieben stark geschmolzen, zuletzt auf einen Prozentpunkt bei den Juli-Marktanteilen. Frohlocken Sie schon, dass die Rangfolge bald auch mal anders aussehen könnte?


Mit Schadenfreude ist man immer schlecht beraten. Wir leben in einer dynamischen Welt und haben ähnliche Entwicklungen schon in unseren eigenen Häusern mitgemacht. Die RTL-Gruppe ist ein ernst zu nehmender Wettbewerber und wird es auch bleiben. Es freut uns natürlich, dass unsere Sender gut performen. Viele Maßnahmen, die unsere Sendergeschäftsführer langfristig initiiert haben, greifen jetzt...

... wobei es eher daran liegt, dass RTL verliert als dass ProSieben oder Sat.1 zulegen würden. Offenbar müssen sich alle daran gewöhnen, dass es auf einem insgesamt niedrigeren Niveau mehr Bewegung gibt – und keine Marktverhältnisse mehr, die auf Jahre hinaus festbetoniert sind.


An festbetonierte Verhältnisse glaube ich schon lange nicht mehr. Dafür ist der Markt inzwischen zu volatil. Der große Wandel passiert nicht von heute auf morgen, aber es gibt immer wieder kleine Impulse, an denen man Veränderungen ablesen kann. Wir haben das beispielsweise gesehen, als Senderneugründungen von uns und anderen Senderfamilien hinzukamen. Das nagt alles etwas an der Reichweite der Großen. Allerdings sollte man dabei im Blick haben, wohin sich Marktanteilspunkte verschieben und wer davon profitiert. Solange es sich dabei um Angebote ohne oder mit nur geringer Relevanz für den Werbemarkt handelt, wie etwa die öffentlich-rechtlichen Spartenkanäle, schadet das unseren vermarktbaren Reichweiten nicht so sehr.