Gilt das auch für "Im Schmerz geboren", Ihren preisgekrönten, formal wie inhaltlich herausragenden "Tatort" mit Ulrich Tukur und Ulrich Matthes?

Der hat knapp 200.000 Euro mehr gekostet, die wir dann eben bei einem anderen Film eingespart haben. Mehr Drehtage als extern produzierte "Tatorte" haben wir deshalb, weil wir eine öffentlich-rechtliche Anstalt sind und zehn Arbeitsstunden pro Tag nicht überschreiten dürfen – und da auch stark kontrolliert werden. Glauben Sie mir: Ich weiß ganz genau, wo ich sparen kann – und tue es auch.

Viele deutsche Fiction-Macher sind nach Dänemark gepilgert, um das Erfolgsgeheimnis von DR zu ergründen, wo Topserien wie "Borgen" ja auch komplett inhouse entstehen. Hätten die bloß zu Ihnen nach Frankfurt kommen müssen?


So ist es! (lacht) Alle Leute, mit denen ich im Sender zusammenarbeite, würde ich auch beschäftigen, wenn ich Poduzent wäre. Die sind nämlich alle verdammt gut. Wenn wir neben Fernsehfilmen jetzt verstärkt über Serien nachdenken und auch schon die ersten Stoffe entwickeln, dann müssen wir natürlich mit anderen Partnern innerhalb der ARD kooperieren, weil wir das allein finanziell nicht stemmen können. Da werde ich sicher mal zur Degeto gehen, die die mächtigste Geldgeberin im Verbund ist. Ich traue mir zu, Frau Strobl sowie die Kolleginnen und Kollegen aus anderen Sendern mit den richtigen Stoffen zu überzeugen.



Lassen Sie uns nochmal zum "Tatort: Im Schmerz geboren" zurückkommen. Hätten Sie eigentlich vorher gedacht, dass solch ein ausgefallenes Experiment 9,29 Millionen Zuschauer und 26 Prozent Marktanteil holen würde?


Ich war total verblüfft über die hohe Einschaltquote. Es gibt ja einen gewissen Erwartungshorizont des Zuschauers, der sich meist auch selbstreferenziell erfüllt. Beim Münster-"Tatort" würden auch 12 Millionen gucken, wenn Boerne und Thiel aus dem Telefonbuch vorlesen würden. Bei uns steht eher "Achtung, Arthouse!" auf der Schachtel. Insofern hatte ich mit 7 bis 8 Millionen gerechnet. Fernsehen hat aus meiner Sicht zwei Aufgaben: einerseits viele Menschen zu erreichen – andererseits die Menschen nicht nur zu berieseln, sondern im positiven Sinne aufzuschrecken. Oft genug erreicht man leider weder das eine noch das andere. Wenn dann mal beides auf einmal gelingt, ist das schon etwas ganz Besonderes.

"Beim Münster-'Tatort' würden auch 12 Millionen gucken, wenn Boerne und Thiel aus dem Telefonbuch vorlesen würden"

Liane Jessen, Hessischer Rundfunk


Glauben Sie, dass Ihnen dieser Erfolg manche Diskussion über unkonventionelle Stoffe in Zukunft erleichtern wird?


Nein, da mache ich mir keine Illusionen. Manch einer in der ARD sieht uns eher so als Sandkasten-Rocker, die eine gewisse Narrenfreiheit genießen, während die Erwachsenen dem ernsthaften Tagesgeschäft nachgehen. Damit kann ich ganz gut leben.

Frau Jessen, herzlichen Dank für das Gespräch.