Frau Kolster, Herr Hirz, Phoenix besteht seit 18 Jahren. Der Sender ist quasi volljährig. Wie verlief die Pubertät?

Hirz: (lacht) Aus der Pubertät sind wir heraus, wir waren eher ein wenig frühreif – gezwungenermaßen. Der Sender ist 1997 als eine Art Bad Bank gegründet worden. Zu uns kamen vor allem Inhalte, die schwer im Regal lagen. Das waren Produktionen, die zwar zum öffentlich-rechtlichen Auftrag gehören, nach denen sich das Publikum aber nicht zwangsläufig sehnt. Auf der anderen Seite gibt es einen Teil des Publikums, der diese Dinge sehr wohl goutiert, beispielsweise die Berichterstattung aus dem Bundestag oder wichtige Sitzungen der Landtage. Letztlich haben wir sehr früh das Laufen gelernt und sind dadurch schnell zu einer unverzichtbaren Marke geworden.

Kolster: Vor allem hat Phoenix im Vergleich zu anderen Sendern ein sehr klares und ausgeprägtes Profil, an dem wir ständig arbeiten. Wir sprechen inzwischen von vier Programmsäulen, die dieses Profil unterstützen. Die Dokumentationen, die Ereignisse, die Gespräche und zunehmend auch die digitalen Medien, die wir nicht nur als Möglichkeit für Programmhinweise sehen, sondern auch mit eigenen, ergänzenden Inhalten versehen möchten. Da geht es um die Teilhabe von Zuschauerinnen und Zuschauer und um ein besseres Demokratie-Verständnis.

An den Grundzutaten hat sich im Laufe der Jahre wenig verändert...

Hirz: … und die Zukunft ist auf unserer Seite – alleine schon durch das von uns gebotene Fernsehen in Echtzeit. Wir spüren derzeit eine Vertrauenskrise gegenüber großen Institutionen, ob das Gewerkschaften, Kirchen, Parteien und sogar die Medien selbst sind. Alle haben mehr oder weniger stark ausgeprägte Krisensymptome, weil die Leute heute misstrauischer und kritischer sind. Wir bieten ihnen mit unserem Programm diese Teilhabe an. Stuttgart 21 war ein Musterbeispiel dafür. Damals hatten sich die Parteien ineinander verkeilt und viele Bürger waren unsicher, wer die Wahrheit sagt. Die Auflösung dieses Konflikts haben wir über Stunden und Tage übertragen, zu unserer eigenen Überraschung einer unserer größten Erfolge. So wie wir das gemacht haben, macht es kein anderer. Das ist Teil unserer DNA.

Wenn wir im Bild des Teenagers bleiben, dann hat Phoenix ein Problem, das auch viele andere 18-Jährige kennen: Das Geld ist knapp. 35 Millionen Euro umfasste das Budget bisher. Warum hat das nicht mehr gereicht?

Kolster: Seitdem der Etat vor 18 Jahren festgelegt wurde, sind Personal- und Technikkosten stark gestiegen. Dieses Geld wurde stets von unserem so immer kleiner werdenden Programmetat abgeknapst. Die Möglichkeit, uns neu zu erfinden, war dadurch mit der Zeit nicht mehr gegeben. Außerdem sprachen wir gerade über das Profil. Es wird gerne gesehen, dass wir unseren Ereignisbereich stärker ausbauen – eine solche Berichterstattung ist jedoch teurer als die Ausstrahlung von Dokumentationen, die wir hauptsächlich von ARD und ZDF übernehmen.

2013 haben Sie 1,8 Millionen Euro Verlust gemacht. Wie ist diese Situation entstanden?

Kolster: Im Jahr zuvor hat es eine erhebliche Unterschreitung des Etats gegeben. 2013 war jedoch ein relativ teures Jahr. Die Bundestagswahl war natürlich eingeplant. Es kamen aber die längsten Koalitionsverhandlungen, die die Bundesrepublik je gesehen hatte. Da sendeten wir häufig bis tief in die Nacht, sodass wir manchmal zwei oder gar drei Schichten einrichten mussten, um das Geschehen vollumfänglich abdecken zu können. Gleichzeitig kam von vielen Journalisten die Frage, ob wir wieder live dabei sind – die waren ganz froh, dass sie es im Zweifel vom Bett aus verfolgen konnten. Diesen Service haben wir gerne angeboten, er hat letztlich jedoch unsere Mittel überstiegen. Ganz zu schweigen von den internationalen Krisen in diesem Jahr wie den Protesten und Demonstrationen in der Türkei und Ägypten. Im Inland kamen der NSU-Prozess, das Hochwasser im Juni sowie der Deutschlandbesuch von US-Präsident Obama hinzu.

War rückblickend das Jahr 2013 härter oder das Jahr 2014, weil Sie plötzlich viel Geld sparen mussten?

Hirz: Eigentlich hätte sich das in beiden Jahren fast ausgeglichen. Aber leider funktioniert die Buchführung bei den Öffentlich-Rechtlichen anders. Wir sind streng auf ein Jahr etatisiert und müssen mit den Mitteln auskommen, die uns zur Verfügung stehen. Man muss allerdings dazu sagen, dass Phoenix zu einer Zeit gegründet wurde, in der die Ereignisdichte nicht so hoch war wie heute. Auch die Erwartungen des Publikums waren damals andere.

Was bedeutet das konkret?

Hirz: Phoenix ist einst etatisiert worden unter der Voraussetzung, zehn bis zwölf Wochen Sonderprogramm im Jahr senden zu können, also ausschließlich Dokumentationen und Reportagen. Inzwischen gibt es so gut wie keine Sonderflächen mehr, die nicht unterbrochen werden müssen, weil wichtige Ereignisse stattfinden. Denn leider richtet sich Weltgeschichte nicht nach unseren eingeplanten Sonderflächen. Dazu entstand bei unserem Publikum eine Erwartung, dass wir da sind, wenn Relevantes passiert. Darauf sind wir stolz, auf der anderen Seite ist es aber auch ein Stück Selbstfesselung. Der Etat eines Ereigniskanals lässt sich schon aus der Definition heraus nicht so planen wie der eines Dokumentationskanals. Das wäre das einfachste. Aber einen Ereigniskanal zu planen, bei dem Sie Geld zurückhalten müssen, weil immer etwas passieren kann, auf das wir reagieren müssen, ist eine größere Kunst.

"Wir haben querbeet gespart."
Michaela Kolster

So gesehen dürfte die Erleichterung groß sein, dass es künftig mehr Geld von ARD und ZDF gibt.

Kolster: Das ist wie bei Finanzminister Schäuble. Wenn die Steuereinnahmen so hoch sind wie nie zuvor, stehen alle Minister auf seiner Matte und wollen Geld. So ist es bei uns auch. Alle Abteilungsleiter haben sich zu Wort gemeldet. Das ist auch verständlich, weil wir im vergangenen Jahr erhebliche Einschnitte vornehmen mussten. Das ging bei manchen bis an die Schmerzgrenze.

Wo lag die Schmerzgrenze?

Kolster: Wir haben querbeet gespart, haben Gesprächssendungen ausgesetzt, Schaltgespräche zu Korrespondenten ins Ausland begrenzt. Natürlich hoffen die Mitarbeiter, dass wir zu den alten Vorgaben zurückkommen. Zum Teil wurden die Sparmaßnahmen schon wieder gelockert. Dennoch sind wir längst nicht dort, wo wir schon mal waren. Da werden wir im Zweifel auch nicht mehr hinkommen.

Was soll mit dem zusätzlichen Geld geschehen?

Kolster: Es geht darum, unsere internen Strukturen zu festigen. Gleichzeitig wollen wir uns mehr auf Europa als eine unserer Kernaufgaben konzentrieren. Anders als noch vor ein paar Jahren stoßen europapolitische Themen inzwischen auch bei einem deutlich größeren Publikum auf Interesse. Wir würden gern Debatten aus den Nationalparlamenten übertragen, beispielsweise aus Großbritannien oder Polen, wo gerade die Präsidentschaftswahl stattfand. Kurz vor den Wahlen schauen wir gerne nach Spanien, und Griechenland ist ohnehin ein Dauerthema. In Europa passiert eine ganze Menge, auch unabhängig von Brüssel. Es würde uns daher gut zu Gesicht stehen, uns dort stärker einzubringen. Konkret lässt sich das jetzt allerdings noch nicht sagen, weil wir überhaupt nicht wissen, wann das Geld fließt und in welcher Form. Darüber wird aktuell noch verhandelt.

Hirz: Es ist jedoch eine Riesenfreude, eine Etat-Aufstockung zu erhalten in Zeiten, in denen unsere Mutterhäuser sparen müssen. Wir hoffen, dass das ab dem nächsten Jahr gilt. Sie dürfen nicht vergessen, dass wir seit Sendergründung nie mehr Geld bekommen haben. Wenn man dann überlegt, dass der Programmetat allein dadurch von Jahr zu Jahr kleiner wurde, weil die branchenspezifische Inflation eingerechnet werden muss, haben wir quasi 18 Jahre lang ein Schrumpfen des Etats erlebt. Nun sind wir entsprechend froh, erstmals einen Schluck aus der Pulle zu bekommen, der uns in die Lage versetzt, auch im Interesse von ARD und ZDF auf Ereignisse zu reagieren.