Herr Köppen, ich muss gestehen, dass ich den vielfach prämierten Film "Victoria" nicht gesehen habe. Was habe ich verpasst?

Ich habe den Film erst kurz vor unserer besonderen "Yps"-Sendung gesehen, und war gespannt, weil ich im Vorfeld schon so viel Gutes davon gehört habe. Ich wurde nicht enttäuscht: Der Film besticht durch einen unglaublich guten Cast und viele Wendungen, die man überhaupt nicht erwartet. Man ist so extrem nah dran an allem, weil es keinen Schnitt gibt. Es ist einfach nur beeindruckend, wenn man sich vor Augen führt, dass "Victoria" mit einer Länge von zweieinhalb Stunden komplett am Stück gedreht worden ist.

Und wer hielt es für eine gute Idee, einen solchen One-Shot auch bei "Yps – Die Sendung" zu realisieren?

Die Idee kam von RTL Nitro und Endemol beyond hat die Idee anschließend mit unglaublich viel Herzblut kreativ umgesetzt.Gut, die machen ja auch jeden Tag freaky Internet-Kram, aber das war im ersten Moment echt ein Brett. Als ich erstmals von der Idee hörte, eine Stunde lang ohne Kamerastopp auf der Reeperbahn zu produzieren und Karl Dall pünktlich um 0:30 Uhr "Auf der Reeperbahn nachts um halb 1" singen zu lassen, war mein Gedanke: "Ach du Scheiße! Ja, ne – ist klar! Ihr seid bekloppt." Man kann gefühlt ja nur verlieren. Doch je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto aufregender fand ich es. Es ist ein schönes Experiment für uns alle gewesen - und deswegen haben wir dann einfach losgelegt und das Team hat so viel Vorbereitung reingesteckt. Es war rückblickend ganz schön verrückt, aber ich habe wirklich Blut geleckt...beim Kameramann bin ich da aber nicht so sicher.

Was war im Vorfeld die größte Sorge - und was die größte Herausforderung, an die ihr zunächst womöglich gar nicht gedacht habt?

Es kommen so viele technische Faktoren zusammen, die man im Vorfeld nur zum Teil bedenken kann. Wir haben uns beispielsweise gefragt, ob unser Kameramann Jürgen, der in dieser Nacht wie ein Ölscheich geschwitzt hat, mit seiner Steadycam auf dem Arm ins Großraumtaxi passt. Da können ja plötzlich viele kleine Sachen zur großen Tücke werden. Wie waren auf einem Boot der Wasserschutzpolizei - und schon der Versuch, als Kameramann auf ein Boot zu steigen und es später wieder zu verlassen, erwies sich als große Herausforderung. Dass es hingehauen hat, die Sendung nach genau einer Stunde zu beenden, grenzte schon an ein kleines Wunder. RTL Nitro hat uns nämlich 60 Minuten gegeben - und keine Sekunde mehr.

Keine zweite Chance?

Streng genommen hatten wir anderthalb Versuche. Wäre ich nach zehn Minuten ins Wasser gefallen, hätten wir womöglich noch einmal neu angesetzt. Aber grundsätzlich war allen Beteiligten klar: Wir ziehen diese Stunde durch – komme was wolle. Die Kommunikation haben wir bewusst transparent gehalten: Man wird also sehen, dass ich mit dem Kameramann quatsche oder dass ein Redakteur von der Seite reinruft. Und da ich die Texte unserer Einspieler live von einem Zettel abgelesen habe, hört man auch jedes Nuscheln und jeden Versprecher.

Wo war denn während der Aufzeichnung mehr los: Bei der Wasserschutzpolizei oder im SM-Club?

Die Coolness eines Kalle Schwensen kann die Wasserschutzpolizei nicht überbieten. Mehr Wellengang war auf dem Wasser, mehr gesehen hat man im SM-Club. Aber im SM-Club war es leiser. (lacht) Am Ende ging es uns darum, die große Bandbreite der Nacht- und Nacktberufe in Hamburg abzudecken, denn Kalle Schwensen ist ein genauso interessanter Charakter und wichtig für den Kiez wie die Müll-Jungs, die auf der Reeperbahn den Schmutz der kotzenden Menschen wegräumen müssen.

Sie sind nicht nur für RTL Nitro tätig, sondern auch für andere Sender. Im "Neo Magazin Royale" wurden Sie kürzlich als "sympathische Senderhure" angesagt. Nett, oder?

Lieber eine sympathische als eine unsympathische Hure! (lacht) Aber wenn man zusammenfasst, was ich die letzten Jahre gemacht habe, ist dieser "Neo Magazin"-Sprech völlig nachvollziehbar. Ich kann damit jedenfalls gut leben.

Inzwischen sind Sie ja ohnehin ein Stück weit sesshaft geworden. Kann man bei einem Sender denn so etwas wie "Heimat" fühlen?

Man entwickelt mit der Zeit eine Verbundenheit, gerade durch kleine Projekte wie bei RTL Nitro. Die Chance, so etwas wie die One-Take-Folge zu machen, hat schon seinen Wert. Da entsteht mit der Zeit tatsächlich so etwas wie ein Heimatgefühl.

Was hat Sie eigentlich am Fernsehen gereizt, als Sie vor zehn Jahren begonnen haben?

Das Fernsehen war eine Welt, die erst mal weit weg erschien. Daran hat sich ja bis heute nichts geändert. Ich wollte wissen, was dahintersteckt und bin damals zum Praktikum bei Viva Plus nach Köln gekommen. Für mich war es eine tolle Chance, denn zum damaligen Zeitpunkt war Viva noch so etwas wie das Aushängeschild für Jugendkultur - und da wollte ich irgendwie rein.

Viva Plus war ja ein ebenso spannendes wie skurriles Projekt...

Der Sender wurde als „CNN des Musikfernsehens“ angekündigt und mit seinen Korrespondenten ziemlich aufgeblasen. Vor allem aber war er seiner Zeit voraus. Was heute mit dem Handy durch Periscope spielend einfach möglich ist, nämlich die Welt miteinander zu verbinden, war damals für einen kleinen Sender wie Viva Plus ein schwieriges Unterfangen. Aber das haben sie hervorragend hinbekommen. Noch vor StudiVZ und Facebook hatte Viva Plus ein für damalige Verhältnisse großes soziales Netzwerk aufgebaut, aus dem heraus Leute das Fernweh Programm beeinflussen konnten. Ich bin sehr froh, dass ich da dabei sein konnte, und denke auch heute noch hin und wieder etwas wehmütig zurück.

Ist das Fernsehen denn so wie Sie sich das damals vorgestellt hatten?

Ich hatte gar keine konkrete Vorstellung. Weil ich nicht wusste, wohin es mit mir geht, habe ich mir nichts ausgemalt - vielleicht auch aus dem Schutz heraus, nicht enttäuscht zu werden. Aber ich wurde nicht enttäuscht. Ich finde es immer schön und wichtig, wenn Teams existieren, die miteinander funktionieren. Das ist bei "Yps" der Fall und das war auch vor zehn Jahren bei Viva Plus so. Das lässt sich aber auf jeden anderen Bereich der Gesellschaft ummünzen. Wenn das Team stimmt und Lust auf die Sache hat, dann ist das etwas Großartiges.

Sie sind Viva aber bis heute treu geblieben.

Ich bin nicht der Dienstälteste, aber bin wirklich schon sehr lange mit dabei. Ich weiß jetzt gar nicht, ob das gut oder schlecht ist. (lacht) Es ist nach wie vor ein sehr angenehmes Arbeiten, weil ich die „Top 100“ mit Leuten mache, die ich schon ewig kenne. Klar, man könnte jetzt sagen: Wann kommt der nächste Schritt? Aber es gibt ja andere Felder, auf denen ich mich austobe. Wäre ich jetzt zehn Jahre lang ausschließlich bei Viva, würde ich mich mal kritisch hinterfragen - aber so macht es einfach nur großen Spaß.

Gibt’s dennoch Pläne für einen nächsten Schritt?

Bei RTL gehen einige Sachen weiter. An Heiligabend zeigen wir beispielsweise "Die erfolgreichsten Weihnachtsfilme aller Zeiten" und vielleicht machen wir ja tatsächlich irgendwann nochmal einen One-Taker bei RTL Nitro. Auf solche speziellen Sachen habe ich echt Lust. Leider ist es häufig schwierig, diese kleinen Projekte zu machen, sobald man sich einmal dazu entschieden hat, einen großen Schritt zu tun.

Also keinesfalls auf die große Bühne?

Das habe ich ja nur zu einem gewissen Teil selbst in der Hand. Es gibt doch genügend Beispiele von Kollegen, bei denen die Karriere von heute auf morgen einen Turbo zündete - und dann war sie genauso schnell wieder vorbei. So etwas kann jedem passieren und ich bin mir bewusst, dass auch ich nicht davor gefeit bin, weil mein Job abhängig von Meinungen und dem Wohlwollen einiger Weniger sein kann. Und auch deshalb möchte ich mir gerne das Kleine bewahren, sage aber nicht, dass mich die große Bühne nicht reizt. Wenn das Format passt, bin ich auch am Samstagabend dabei. Ich schließe nichts aus, denn ich bin ja eine Senderhure, wie wir wissen. Aber eine sympathische.

Herr Köppen, vielen Dank für das Gespräch.

RTL Nitro zeigt "Yps - Die Sendung" ohne Schnitt und ohne Werbung am Donnerstag um 21:10 Uhr.