Herr Dommisch… oder soll ich einfach Icke sagen?

Icke oder Christoph bitte. Auch wenn ich stramm auf die 30 zu gehe, Herr Dommisch nennt mich praktisch niemand außer dem Polizeipräsident oder den deutschen Behörden.

Kam dieser Spitzname eigentlich erst durch Ihre TV-Präsenz?

Der Spitzname kam ganz am Anfang meines Volos bei ProSiebenSat.1 auf. Den Berlin-Brandenburger Dialekt hört man in München eher selten. Und weil ich Hochdeutsch eigentlich nur beim Vertonen von TV-Beiträgen beherrsche, sagte unser Sportchef Alexander Rösner irgendwann Icke zu mir. Und dit kann man sich leicht merken, ne!
 
ProSiebenSat.1 bezeichnet sie als  „Netman“. Wie erklären Sie Ihrer Oma möglichst verständlich, was sie da eigentlich beruflich machen? Buschis Assistent?

Mit Buschi's Assistent bin ich im Kontext der Sendung eigentlich ganz zufrieden. Meine Aufgabe ist es, die Stimmung der netzaffinen Zuschauerschaft im TV abzubilden. Von Montag bis Freitag bin ich übrigens dann normaler Redakteur bei ran und kümmere mich auch da um Football. Deshalb ist mein zweites Anliegen als Redakteur und Football-Fan, alle lustigen, wissenswerten oder skurrilen Geschichten die nebenher aufkommen, auch noch ins Fernsehen hieven.
 
Sie sind seit Tagen schon in San Francisco und erleben den Countdown zum Superbowl vor Ort mit. Wie muss man sich die Stimmung bei dieser Klassenfahrt der Sportjournalisten vorstellen?

Das ist wirklich ein sehr schöner Vergleich. Es ist jetzt mein dritter Super Bowl in Folge und ich sauge diese Stimmung immer auf. Die Media-Shuttle bringen täglich ca. 800 unterschiedlichste Journalisten von einer PK zur nächsten. Man kommt untereinander ins Gespräch und nach drei Jahren kennt man auch schon einige Gesichter. Sportler beschreiben immer diese eigene ganz besondere Stimmung im olympischen Dorf. Bei meinem ersten Super Bowl dachte ich ok, der Super-Bowl-Tross wirkt auf mich wie ein olympisches Dorf für Journalisten.

Ist man bei solchen Gelegenheiten eigentlich manchmal mehr Fan oder Journalist?

Ich bin Fan dessen, wie die NFL die Zusammenarbeit ihrer Sportler mit uns Journalisten organisiert. Davon könnte sich der europäische Fußball eine Scheibe abschneiden. Natürlich ist es für einen jungen Mann wie mich - dem Football-Fan Icke - aufregend, wenn auf einmal Jared Allen von den Carolina Panthers vor mir steht. Aber ich will ja keine Fotos mit ihm machen, sondern meine zwei, drei journalistischen Themen bei ihm abklappern, die ich für berichtenswert halte. Deshalb: glücklicher Journalist schlägt den Fan.

Ist es dieses Jahr anders? Merkt man, dass in diesem Jahr ein Jubiläum ansteht?

Ehrlich gesagt fühlt es sich für mich genau so wie in den Vorjahren. Die Zahl "50" im Super Bowl Logo ist dieses Jahr golden und erstmals eine arabische Zahl. Sonst wären es immer römische Zahlen, was meiner Meinung nach ziemlich bescheiden ausgesehen hat. Ich hoffe, die NFL behält das bei und wir sehen nächstes Jahr "SB 51" anstatt "SB LI" im Logo.

Wenn Sie den Sportjournalismus in den USA mit dem vergleichen, was wir in Deutschland haben: Gibt es da große Unterschiede?

Auf jeden Fall. In den USA sind die Sportler praktisch immer zugänglich für Journalisten. Sie müssen es sogar sein, sonst gibt's Strafen! Das ist natürlich systembedingt und deshalb nicht von heute auf morgen reproduzierbar in Deutschland. Aber durch den intensiveren Austausch zwischen Sportler und Journalisten, geht es auch in der breiten Berichterstattung viel häufiger um mehr als nur, "wohin wechselt Spieler XY!?". Enger Kontakt zwischen Sportler und Journalist bedeutet nicht fehlende Objektivität, im Gegenteil, offener Umgang erleichtert das arbeiten für beide Seiten.
 
In den USA wird Sport auch weit mehr zur Show gemacht. Daran spalten sich die Gemüter deutscher Sportfans. Wie stehen Sie dazu?

Ich konsumiere seit 15 Jahren sehr viel US-Sportberichterstattung. Für mich ist diese Art der Berichterstattung vertraut und ich persönlich fühle mich durch die größere Lockerheit besser unterhalten. Sport ist im Fernsehen in erster Line ein Unterhaltungsprodukt, auch in Deutschland. Dass Lockerheit in der Berichterstattung mit fehlender Glaubwürdigkeit einhergehen soll, erschließt sich mir nicht wirklich.

Der Super-Bowl ist über das Sportliche hinaus ein großes Thema. Von Halbzeitshow bis zu den legendären Werbespots. Manchmal wirkt es als rück der Sport fast in den Hintergrund…

Der Sport ist immer im Vordergrund! Am Ende bleibt für den Sportfan immer das Ergebnis und der Sieger im Kopf. Jeder erinnert sich an Nippel-Gate, aber wann genau das war noch gleich? Müssten viele sicher nachgucken. Jeder Football-Fan wird aber noch wissen, dass die Patriots 2004 knapp ihren zweiten Super Bowl gegen die Panthers gewonnen haben. Für den Sportfan wird das Drumherum immer schmückendes Beiwerk blieben.

Okay, an dieser Stelle oute ich mich. Habe keine Ahnung vom American Football. Ich schaue manchmal vom Spektakel fasziniert zu, aber so richtig schnell erschließt sich der Sport nicht oder?

Nein, muss er aber auch nicht. Das ist ja das schöne daran. Ohne das man genau versteht was gerade gut oder schlecht lief auf dem Platz - ein verrückter One-Hand-Catch oder ein erfolgreicher 50 Yard Pass aus zehn verschiedenen Perspektiven berauschen einen. Die Macht der Bilder bei einer Football-Fernsehübertragung ist gewaltig und macht den großen Reiz aus.

Wie sind Sie dem American Football verfallen?

Ich bin zuerst um die Jahrtausendwende dem NBA-Basketball verfallen wegen Dirk Nowitzki. Die großen US-Sportarten laufen Hand in Hand, da streift man irgendwann auch Football. So gegen 2006 ging dann meine Football Begeisterung los. Aber einfach so aus Selbstantrieb, wäre ich damals sicher nicht zum Football gekommen. Jetzt ist das sicher einfacher durch unsere Übertragungen (lacht)
 
Was macht American Football als Sportart aus Ihrer Sicht so spannend?

Dass sich binnen Sekunden ein Spiel komplett drehen kann. Das gibt's meiner Meinung nach in dieser Dimension nur im Football. Und auch wenn die vielen Unterbrechungen störend sind - die Dramaturgie entsteht, wenn vor der entscheidenden Szene im Super Bowl noch mal eine Time Out kommt. Das ist wie Hollywood. Man guckt noch mal ins Gesicht des Quarterbacks, des Trainers und der Helden des Spiels. Ich liebe es einfach!
 
Bevor sich die Leser langweilen, weil wir den Sport erklären: Carolina Panthers vs. Denver Broncos. Ich als Laie sage: Das sind nicht die bekanntesten Mannschaften. Kein „FC Bayern“ dabei, sozusagen. Verspricht demnach ein spannender Superbowl zu werden?

Da haben Sie Recht - Bayern und Dortmund der NFL sind schon raus. Dafür haben sie Quarterback Peyton Manning bei den Broncos. Der hat so ziemlich jeden Individual-Rekord bei den Quarterbacks, den man sich vorstellen kann. Aber er hat nur eine Meisterschaft in 18 Jahren erreicht. Auf der anderen Seite Cam Newton, der Popstar unter den Quarterbacks. Sein aufreizendes Jubeln nach Touchdowns provoziert die Experten - gleichzeitig verschenkt er nach jedem Touchdown den Ball an ein Kind im Publikum. Alte Generation gegen junge Generation ist immer spannend!

Lehnen Sie sich im Vorfeld denn ausm Fenster und geben einen Tipp ab?

Für mich gibt's zwei Szenarien: 1.) Die Panthers gewinnen sehr klar, nachdem sie früh in Führung gehen. 2.) Die Panthers sind nervös, machen Fehler und Denver bleibt irgendwie dran. Dann wird Denver wie schon in den beiden Play-off Runden zuvor am Ende knapp gewinnen.

Wie parteiisch bzw. meinungsstark darf der „Netman“ eigentlich sein bevor ein Shitstorm losbricht?

Keine Ahnung. Ich hatte noch keinen. Und wenn ein Shitstorm wegen meiner Meinung oder Einschätzung losgeht, kann ich dafür leider auch nichts. Wie soll ich Meinungen aus dem Netz vortragen, einordnen und auch werten, wenn ich keine eigene Meinung habe? Das passt für mich nicht zusammen.

Wie kam eigentlich der Schritt aus der Redaktion vor die Kamera? Haben Sie gedrängelt oder hat jemand geschubst?

Für die heutige Fernsehlandschaft habe ich wohl sehr wenig gedrängelt. Ich habe Spaß dabei, habe Ahnung von Football und brauche mich nicht verstellen im Fernsehen. Nur weil das alles so ist, mache ich das in unserer Sendung. Mein Chef und unsere Redaktionsleiter haben gesagt: Mach das Icke, wir trauen dir das zu. Und wenn man so einem langhaarigen Zottel die Chance gibt das zu machen, dann kann der ja wohl nicht nein sagen. (lacht)

Über Social Media wird derzeit aufgrund der oft eskalierenden Meinungen viel diskutiert: Wie anstrengend ist es bei Ihnen und ihren Football-Fans?

Gar nicht. Sachliche Kritik ist immer gut - und für Internet-Trolle habe ich immer ein Herz offen. Ich war nämlich selbst einer. Für uns ist es aber aktuell sowieso einfach, wir haben viel Zuspruch und eine überragende Community. Die malen Bilder, basteln Figuren machen Photoshops. Das ist manchmal echt überwältigend!
 
ProSieben Maxx hat die NFL in Deutschland wieder zum Thema gemacht. Kneifen Sie sich manchmal, wie erfolgreich dieses Abenteuer inzwischen geworden ist?

Mich persönlich überrascht es, dass in der regulären Saison 500.000 Menschen vor dem Fernseher sitzen und Football schauen. Damit konnte man wohl nicht rechnen. Ich bin froh, dass so viele Menschen #jedenverdammtenSonntag Spaß daran haben, mit uns zwei Footballspiele zu verfolgen.
 
Kann American Football in Deutschland nochmal so populär werden, wie es einst schon mal war als es die NFL Europe gab?

Im Fernsehen war der Sport wohl nie populärer als jetzt. Ob sich das auf den Zuspruch in deutschen Stadien niederschlägt, kann ich nicht einschätzen. Das sind, denke ich, zwei paar Schuhe. Die NFL ist ein Fernsehprodukt, das unterhalten soll. Wenn wir nebenbei mit unserer Sendung zusätzlich junge Leute dafür begeistern, Football im Verein zu spielen ist, dann sagt da auch niemand nein.

Icke, lieben Dank für das Gespräch und viel Spaß noch in San Francisco.