Herr Backes, wie sehen Sie die aktuelle Situation im deutschen Fernsehen – stehen die richtigen Köpfe vor der Kamera oder gibt es Nachholbedarf unter Sendern und Produktionsfirmen in Sachen Talentsuche?

Auf dem Bildschirm finden sich mehr Moderatoren-Darsteller als wirkliche Moderatoren. Das rührt von der Anwendung klischeehafter Auswahlkriterien, die sich meist an äußerlichen Gefälligkeitsmerkmalen orientieren. Insbesondere bei den kommerziellen Anbietern beherrschen eben die langbeinige Blonde und der gutaussehende Charmebolzen noch immer die Szene. Ein guter Moderator ist aber etwas anderes als eine Art gehobenes Model. Er ist im Idealfall eine Persönlichkeit mit eigenem Profil, mit Kanten, mit großer Individualität, am besten einfach unverwechselbar. Die Suche nach Nachwuchs muss sich mehr am Kriterium der Unverwechselbarkeit und, je nach Aufgabe, der inhaltlichen Qualifikation orientieren.

Sind Sie der Meinung, dass derzeit in Deutschland genügend Möglichkeiten vorhanden sind, sich professionell und umfassend zum Moderator „ausbilden“ zu lassen?

Es gibt etliche private Anbieter, die viel versprechen und oft wenig halten. Viele verschwinden wieder schnell vom Markt. Allerdings ist in diesem Feld Substanz und Nachhaltigkeit nötig, um Erfolge zu erzielen. Das Institut für Moderation, das gemeinsam von der Hochschule der Medien und vom Südwestrundfunk initiiert wird, geht jetzt schon seit sieben Jahren konsequent seinen Weg und ist das einzige öffentliche Angebot von Bestand.

Was entgegnen Sie Menschen, die behaupten, Moderation sei reines Talent und nicht erlernbar?

Es stimmt: Ohne Talent ist leider auch mit der besten Ausbildung nur wenig zu erreichen. Aber Talent allein bringt die Rohdiamanten von sich aus nur selten zum Glitzern. Ich selbst bin vor über 40 Jahren als Moderator ins kalte Wasser geworfen worden. Mit anderen Worten: Ich habe vor den Augen der Zuschauer geübt. Den Standard, den ich nach fünf Jahren erreicht habe, schaffen viele unserer Nachwuchsmoderatoren schon nach wenigen Monaten.

Was macht den Ausbildungsansatz Ihres Instituts so besonders?

"Üben, üben üben", heißt die Devise. Dazu bietet das imo mit den Studios der Hochschule und des SWR üppige Möglichkeiten unter realitätsnahen Bedingungen. Hinzu kommt ein Angebot von erstklassigem Lehrpersonal, das von erfahrenen Moderationspraktikern für Fernsehen, Hörfunk, Online und Veranstaltungen über Trainer für Kommunikationsverhalten und Rhetorik bis hin zu Experten für Körpersprache reicht. Im Report-Studio in Mainz führt Chefredakteur Fritz Frey persönlich in die Kunst der journalistischen Magazinmoderation ein, beim SWR veranstalte ich selbst einen Talkshow-Workshop unter Live-Bedingungen und mit "echten" Gästen. Am Ende des berufsbegleitenden Weiterbildungsjahres steht eine große Abschlussproduktion, die auch gesendet wird.

In Ihrer Philosophie wird das Ziel erwähnt, „die Moderation als eigenständigen Wert in der Journalistik zu etablieren“. Warum ist und was macht eine gute Moderation wertvoll?

Personalisierung heißt das magische Wort der aktuellen Medienentwicklung. Glaubwürdige Persönlichkeiten, Identifikationsfiguren, unverwechselbare Gesichter geben der Medienbotschaft Nachdruck und dem Zuschauer so etwas wie Heimat. Ob journalistische Moderation oder Unterhaltung, in beiden Fällen ist Substanz gefragt, Background und Handwerk. Das wollen wir unseren Moderatoren mitgeben.

Nach welchen Kriterien suchen Sie zum einen Ihre Studenten, zum anderen Ihre Dozenten aus?

Die Plätze für 15 Studentinnen und Studenten eines Jahrgangs teilen sich in drei Gruppen auf: Bewerber vom freien Markt mit journalistischer Erfahrung und in der Regel abgeschlossenem Studium, Masterstudenten der Hochschule der Medien und Nachwuchsjournalisten des SWR. Wer sich bewirbt, nimmt an einem Auswahlverfahren teil, an dessen Ende, nach einer Vorauswahl, ein Casting im Studio entscheidet. Bewerbungsschluss für den nächsten Jahrgang ist am 10. Juli 2016. Das Lehrpersonal besteht, wie schon erwähnt, aus erfahrenen Praktikern und Fachtrainern aus dem akademischen Bereich.

Welche zusätzlichen Anforderungen stellt die Etablierung von Web-TV und Social Communities an Moderatoren? Werden diese Anforderungen durch Ihr Institut bedient?

Die Moderation im Web ist keine grundsätzlich andere Disziplin als die Fernsehmoderation. Dennoch stellt sie spezielle Anforderungen an die Schnelligkeit und die Beherrschung der digitalen Technik. Dem werden wir durch einen gesonderten Workshop gerecht.

Wo kommen Ihre Absolventen unter? Nennen Sie uns einige Erfolgsgeschichten...

Obwohl es keine Garantie für eine anschließende Moderatorenkarriere geben kann und es ohnehin ratsam ist, sich als Journalist breiter aufzustellen, haben etliche unserer Nachwuchsmoderatoren den Weg zur regelmäßigen Bildschirmpräsenz geschafft. Am steilsten war vielleicht der Aufstieg von Lena Ganschow, zunächst zur Moderatorin der Sendung „Kaffee oder Tee?“ im SWR-Fernsehen, dann zur Präsentatorin von „Terra Xpress“ im ZDF. Andere wurden Regelmoderatoren in „Sport im Dritten“, in der „Landesschau aktuell“ oder in der Sendung „Kopfball“. Auch die Moderationskarrieren im Hörfunk wurden bei vielen beflügelt, genauso wie die Einsätze als On-Reporter im Fernsehen.

Herr Backes, vielen Dank für das Gespräch.