Wie kommt es eigentlich, dass Sie als Dokumentarfilmer überhaupt ein Fernsehgesicht geworden sind?

Vielleicht, weil ich genau so eitel bin wie alle anderen Medienfuzzis? Vor allem eröffnet Bekanntheit mir Chancen, die ich als verschlossener, hinter der Kamera stehender Dokumentarfilmer wohl niemals hätte. Ich kann Entscheider anrufen, die sonst möglicherweise nie mit mir reden würden. Ich kann Mittel für Filme eintreiben, die ich sonst nie bekäme. Gleiches gilt auch für meine Sendungen im Fernsehen: Ich darf Themen in der Primetime umsetzen, die sonst nur schwer möglich wären. Dabei hilft, dass ich nicht davor zurückscheue, mich bis zu einem gewissen Grad zu popularisieren. Das gehört für mich zum Handwerkszeug dazu. Würde ich nur im dunklen Kämmerlein sitzen und schlaue Konzepte schreiben, würde ich schlimmstenfalls nie einen Zuschauer erreichen.

Ärgert es Sie, wenn die Aufmerksamkeit auf den Shows liegt und nicht so auf den Dokumentarfilmen, die echte Herzensprojekte sind?

DWDL berichtet ja auch sehr viel über Primetime-Shows und sehr wenig über Dokumentationen. Es ist schon ein wenig absurd, dass wir jetzt ein Interview führen, nur weil ich ausnahmsweise mal eine Show mache und nicht, weil ich seit fast einem Jahrzehnt für die erfolgreichste Dokumentationsserie im deutschen Fernsehen arbeite. Mit "Terra X - Faszination Erde" erreichen wir oft mehr als fünf Millionen Zuschauer. Es gibt nicht so viele Shows, die das schaffen. Trotzdem interessieren sich Medienjournalisten offenbar viel mehr für Shows: Kaum moderiert man eine, wollen alle ein Interview. Sehr seltsam.

Vielleicht geht es uns ja ganz ähnlich: Ich kann in diesem Interview über den Umweg Show mit Ihnen ausführlich über Wissensthemen sprechen – ähnlich wie Sie das in Ihren TV-Shows tun.

Der Medienjournalismus unterliegt denselben Zwängen wie alle anderen auch. Man muss offenbar ein bisschen popularisieren, um die Leute abzuholen. Und wenn wir die Show brauchen, damit wir beide über "Terra X" sprechen können, dann ist das ein schöner Beleg dafür, wie wichtig die Show tatsächlich ist.

Wie hat sich der Dokumentarfilm in den zurückliegenden Jahren entwickelt?

Der Markt diversifiziert sich viel schneller als im Unterhaltungsbereich – und der Dokumentarfilm ist traditionell sehr viel moderner als der Rest des Fernsehgeschäfts. Schon im Jahr 1960 war der Tierfilm vollständig international. Das liegt einfach daran, dass ein Löwenfilm in den USA genauso gezeigt werden kann wie in Frankreich oder Deutschland. Das hängt nicht von Moden oder Sprachen ab. Mein Geschäft war also schon immer ein globales. Dahin haben sich Show-Produktionen erst in den vergangenen 15 Jahren allmählich entwickelt. Im Dokumentarfilm-Bereich gibt es derzeit vor allem zwei Trends: Technische Perfektion und stärkere Inhalte.

"Ich wünsche mir, dass die Mediathek irgendwann mal die erste Plattform sein wird, auf der Dokumentationen laufen."
Dirk Steffens

Was bedeutet das konkret?

Viele technische Innovationen, die Sie später in anderen Genres, auch in großen Kinofilmen, sehen, kommen aus dem Dokumentarfilm. Beispielsweise die kleinsten Kameras, der Einsatz von Drohnen oder die Produktion in 8K. Gleichzeitig macht es mich sehr glücklich, dass derzeit viele tolle Geschichten erzählt werden. Auch bei Wettbewerbern wie Amazon und Netflix gibt es inzwischen Dokumentationen, die sehr stark in die Tiefe gehen – viel mehr als das bei einigen Primetime-Dokus im klassischen Fernsehen der Fall ist. Nun muss man mal schauen, wie viel sich davon in die Free-TV-Programme hineintragen lässt, wo die Gefahr, die Zuschauer zu verlieren, ungleich größer ist. Es gibt nämlich Dokumentationen, die zu hart sind, um sie bei "Terra X" um 19:30 Uhr zu zeigen. Das ist ein Familienprogramm mit natürlichen Grenzen bei der Darstellung von Gewalt, Grausamkeit oder Sexualität.

Wie lässt sich das Dilemma lösen?

Für die Zukunft bietet sich die ZDF-Mediathek an. Ich wünsche mir, dass die Mediathek irgendwann mal die erste Plattform sein wird, auf der Dokumentationen laufen und die Programmplaner davon ausgehend entscheiden können, ob und wo diese Filme im linearen Fernsehen gezeigt werden. Glücklicherweise bin ich noch gerade jung genug, um auf dieses Ziel hinzuarbeiten.

Nun haben Sie weltweit viel gesehen. Was kann Sie eigentlich noch überraschen?

Prominente Kandidaten. (lacht) Man kann das so gut planen, wie man will, doch es ist jedes Mal aufs Neue spannend, wie diese kleine soziale Gruppe funktioniert, wenn die Show beginnt.

Das ist also weniger planbar als eine Naturdokumentation?

Vielleicht fehlt mir dabei auch die Routine. Wenn man mit wilden Tieren arbeitet, weiß man auch nie, was der Vogel oder das Krokodil als nächstes macht. Daran bin ich allerdings gewöhnt. Da kann mich eine Schauspielerin im Fernsehstudio wahrscheinlich vor größere Herausforderungen stellen. (lacht)

Herr Steffens, vielen Dank für das Gespräch.