Herr Strothe, nach rund 37 Jahren im Fernsehen gehen Sie nun in den Ruhestand. Wann werden wir Sie zum letzten Mal bei N24 sehen?

Der Abschluss für mich bei N24 war die Abschiedsreise von Barack Obama nach Deutschland, da war ich dabei und habe drei Tage lang berichtet. Das war für mich auch ein Abschluss mit Obama selbst. Ich war vor Ort, als man ihn im Stadion von Denver zum demokratischen Präsidentschaftsbewerber nominierte und habe hautnah miterlebt, wie er zum ersten schwarzen Präsidenten wurde. Das war ein Highlight meiner Karriere.

Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Mit meiner Frau werde ich auf jeden Fall hier in den USA bleiben und sie wird weiterhin im N24-Studio in Washington arbeiten. Sie ist ja nicht nur meine Frau, sondern war 20 Jahre lang auch meine Producerin und das hat, trotz vieler Unkenrufe, sehr gut funktioniert. Ich verbringe meine Zeit nun auf unserer Farm, etwas außerhalb von Washington.

Eine Farm - das hört sich sehr nach Entschleunigung an. Brauchen Sie etwas Abstand von ihrem Beruf?

Ich bin 66 und werde mir jetzt erst einmal eine Auszeit nehmen. Dann habe ich auch endlich mal wieder Zeit, Bücher zu lesen, die nichts mit Politik zu tun haben, kann mir Filme anschauen und die Natur genießen. Darauf freue ich mich schon seit Jahren. Und dann schaue ich mir an, wie es im nächsten Jahr weitergeht.

Wie kann man sich Ihre Farm vorstellen? Füttert Stephan Strothe ab sofort Hühner und Schweine?

Wir haben hier vor allem wilde Tiere: Rehe, Adler, Füchse, Murmeltiere, Waschbären. Es ist reichlich was los. Weil wir die Farm bislang aber vor allem nur am Wochenende nutzen konnten, halten wir hier keine Tiere. Wir bauen Mais und Sojabohnen an.

Und ihre Tätigkeit als Dozent? Werden Sie das weiterhin machen?

Ich unterrichte an der Universität Potsdam und mache dort unter anderem Medien-Training, bislang war ich dafür etwa zwei bis dreimal im Jahr in Deutschland. Das macht mir großen Spaß und ich werde es auch weiterhin tun.

Als Journalist ist man ja auch immer ein bisschen News-Junkie und steht ständig unter Strom. Da wird Ihnen auf der Farm doch mit Sicherheit etwas fehlen?

Natürlich, ganz klar. Die Adrenalinstöße werden mir fehlen. Da geht es bei mir in Zukunft eher um die Fragen, ob der Traktor noch funktioniert oder ob die Kettensäge noch scharf genug ist. Das sind die kleinen Adrenalinstöße. Aber natürlich wird mir auch die Teamarbeit fehlen.

Und was wird Ihnen überhaupt nicht fehlen?

Ich werde nicht vor einer Kamera die beiden Worte Präsident und Trump in einem Satz sagen müssen. Das ist doch eigentlich auch ganz schön.

Sie haben viel über Donald Trump und die US-Wahl berichtet. Wie haben Sie das alles miterlebt?

Ich bin fest davon ausgegangen, dass Hillary Clinton gewinnt und war in der Wahlnacht im Javits Center in New York, wo ihre Wahlparty stattfinden sollte. Dort habe ich hautnah miterlebt, wie sich aus Sicht der Clinton-Anhänger diese desaströse Wahlnacht entwickelt hat. Schon im Vorfeld hatte ich aber die Sorge, dass wir einen Großteil der Bevölkerung seit Jahren nicht richtig im Auge haben. Die weiße Unterschicht fühlt sich völlig unterrepräsentiert. Donald Trump hat sich zum Megafon dieser Menschen gemacht, zum Megafon des armen Amerikas. Das ist für viele an der Ost- und Westküste nur schwer nachvollziehbar, weil Trump selbst ein Milliardär ist. Alles was zwischen Ost und West liegt - hier nennt man das "Fly over"-Country, also Land, über das man nur drüber fliegt wenn man an die Küsten will - wurde in den vergangenen Jahren von Politikern und Journalisten vernachlässigt.

Wie geht es nun weiter? Im Januar wird Trump als neuer Präsident vereidigt.

Was mir nun Sorge macht, ist, dass es jemand wie Trump geschafft hat, die großen Zeitungen und TV-Networks zu umgehen, indem er sich über Twitter direkt an seine Fans gewandt hat. Und er hat ja auch sehr deutlich gemacht, dass er das in Zukunft auch so machen wird.

Ist das per se etwas Schlechtes? Sich direkt an die Wähler zu wenden?

Es unterstreicht den Trend, dass sich im Grunde jeder seine eigene Echokammer aussuchen kann und die Informationen, die er hören will, immer wieder anhört. Das sehe ich als Problem. Vor zehn Jahren haben Sie sich die Abendnachrichten angesehen und einen relativ ausgewogenen Bericht bekommen von dem, was in der Welt los ist. Jetzt können sich die Leute ausschließlich die Informationen holen, die sie hören wollen. Das geht bis hin zur Fake-News und das ist etwas, was mir große Sorgen macht.

Ab 2017 muss Trump dann liefern. Sehen Sie die Möglichkeit, dass er sich dann selbst entlarvt? Einfach dadurch, weil er viele Wahlversprechen gar nicht wird einhalten können? Könnte das die weltweite Populismus-Welle stoppen?

Das glaube ich nicht. Trump hat im Wahlkampf gesagt, er könne auf die Fifth Avenue gehen, jemanden erschießen und trotzdem würden seine Wähler zu ihm stehen. Er wird natürlich viele von seinen Versprechen nicht halten können und es wird ganz bestimmt unter seinen Anhängern die Erkenntnis geben, dass er wohl doch nicht für 40 Milliarden US-Dollar eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen wird. Aber Trump wird einen Weg finden, für all das immer andere verantwortlich zu machen. Und ich glaube, dass seine Anhänger ihm das weitestgehend verzeihen werden. Ich werde das mit großem Interesse verfolgen, aber auch mit etwas mehr Ruhe als bislang.

Trotz Trump: Bleiben die USA für Sie auch weiterhin das Land ihres Herzens?

Ja. Weil dieses Land mir viele Chancen gegeben hat und nirgendwo auf der Welt die guten und negativen Energiefelder so aufeinanderprallen wie hier. Es gibt eine unglaubliche Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft, so viele Talente, gerade auch im Entertainment-Bereich. Für Kinder an Schulen ist es Pflicht, sich sozial zu engagieren. Das ist etwas, wovon man in Deutschland auch noch lernen kann. Hier gibt es Stories an jeder Straßenecke, dieses Land ist für Journalisten ein Paradies und viele Themen gehen ans Herz und unter die Haut.